Manche Alben klingen nicht einfach – sie erscheinen. Wie aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt, gesendet, um uns für einen Moment zu verwandeln. „Even In Arcadia“ von Sleep Token ist genau so ein Werk. Ein Klanggebilde zwischen Licht und Schatten, heilig und zerstörerisch, still und gewaltig. Wer sich darauf einlässt, wird nicht nur Musik hören – sondern sich selbst begegnen.
Sleep Token – das ist eine Band wie ein Mysterium. Keine Interviews, keine Gesichter, keine klassischen Promos. Stattdessen: Masken, sakrale Ästhetik, ein Sänger namens Vessel, der seine Stimme mal flüstert, mal brüllt – und Musik, die sich jeder Schublade verweigert. Metal? Ja. R’n’B? Auch. Elektronik, Ambient, Alternative Rock? Alles dabei – aber nie beliebig. Sondern immer mit einem klaren Gefühl: Hier geht’s um etwas Größeres.
Mit „Even In Arcadia“ legen Sleep Token ihr bisher komplexestes und wohl eindrucksvollstes Album vor. Es ist keine leichte Kost – aber eine, die sich lohnt. Der Auftakt „Look To Windward“ öffnet das Tor mit langsamen Synth-Schleiern und sakraler Schwere, bevor sich der Song zu einem emotionalen Mahlstrom aufbaut. Ein Stück, das den Atem raubt, ohne laut zu werden.
„Emergence“ überrascht mit seinem saxophongetränkten Breakdown – ein Moment, der die musikalische Offenheit dieser Band perfekt einfängt. Zwischen brachialer Härte und feiner Melodieführung entstehen Räume, in denen man sich verlieren kann. „Caramel“ hingegen ist ein sanftes, beinahe verletzliches Stück über Vergänglichkeit, das sich wie ein Echo durch Herz und Kopf zieht. Vessel singt, als würde er einen inneren Schwur brechen.
Die emotionale Fallhöhe nimmt in „Damocles“ zu. Ein Song, der sich anhört wie ein Streit mit sich selbst – anklagend, müde, wütend. Und dann die Zeile: „So I’ll keep dancing a long to the rhythm“. Ein Moment, in dem alles zu kippen scheint. Doch Sleep Token wären nicht Sleep Token, wenn sie nicht auch in der Dunkelheit etwas Schönes finden würden. „Gethsemane“ ist düster und fast erhaben – ein stilles Beben. Und „Infinite Baths“ schließt das Album mit leisen, fast tröstenden Tönen, wie das letzte Licht nach einem langen Sturm.
„Even In Arcadia“ verlangt viel – Aufmerksamkeit, Geduld, Offenheit. Doch wer sich darauf einlässt, erlebt etwas Seltenes: Musik, die nicht unterhält, sondern bewegt. Sleep Token zerlegen Emotionen in Klang, und was dabei entsteht, ist größer als die Summe seiner Teile.
Ein Album wie ein Gebet. Oder ein Traum. Oder beides.
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