Wie jedes Jahr seit 1978 veredelte das Paaspop Festival im niederländischen Schijndel auch in diesem Jahr die Osterfeiertage. Als erstes Festival markiert das Open-Air-Event den Start der Outdoorsaison 2024. Neben einem vielseitigen Line-Up begeisterte besonders die ungezwungene Rummelatmosphäre und zog Zigtausende Besuchende, vor allem aus den Niederlanden selbst an, sodass das Festival bereits im Dezember letzten Jahres den Status ausverkauft vermelden konnte. Kommt mit uns auf ein quitschfideles Festival.
17 verschiedene Bühnen an der Zahl lockten die Musikfans in ihre jeweils ganz eigenen Musikwelten. In den Niederlanden ist das vorrangige Konzept, dass das Gelände zwar auf einem Acker angelegt ist, jede Bühne jedoch in ihrem eigenen Zirkuszelt aufgebaut wird. Somit gibt es hinter jedem Vorhang etwas Neues zu entdecken. Die Bühne Phoenix wurde am Freitagnachmittag von der niederländischen Protestsängerin Sophie Straat eröffnet, die mit ihrer kraftvollen Stimme und ihren politischen Texten das Publikum in ihren Bann zog. Ihr Auftritt markierte den Auftakt zu einem Tag voller musikalischer Höhepunkte und inspirierender Performances. Unsere Neuentdeckung des Tages war Prins S. En De Geit. Das Trio zählt nur knappe 9000 Follower*innen bei Instagram, aber die müssen alle vor Ort gewesen sein, denn das Zelt war bestens gefüllt. Dies war jedoch kein Wunder, denn der Act lieferte eine erstklassige Show, die fernab des Alltäglichen anzusiedeln war. Irgendetwas Abgefahrenes zwischen Rap, Elektro-Pop und absolut zerschmetternden Beats füllten die Stunde Spielzeit. Prins S. En De Geit bewiesen uns einmal mehr, dass es sich absolut lohnt auch kleinere Acts abzuchecken und vielleicht ein bisher unentdecktes Juwel aufzutun.
Altbekanntes folgte mit August Burns Red, die einen Tag zuvor noch beim Impericon Festival in Hamburg auf der Bühne rockten. Damit demonstrierten die US-Amerikaner bravourös, dass das Paaspop auch laut kann. Vielfalt wird hier groß geschrieben, sodass auch die Fans der härteren Gangart auf ihre Kosten kamen und ordentlich wild tanzen konnten. Draußen auf dem Weg zu anderen Bühnen erwartete einen eine bunt schillernde und blinkende Kulisse, die stark an eine Kirmes erinnerte. Dazu säumten unzählige kleinere und größere Attraktionen die Wege und es wehten immer wieder verschiedene Musikstücke hinüber. Unter anderem spielte „Highway To Hell“ auf dem Weg zum ersten Auftritt von Die Antwoord seit vier Jahren. Damit ging eine gewisse Vorausahnung einher, denn wenn das südafrikanische Duo eins kann, dann einen krassen Auftritt hinlegen und ihr Publikum mobilisieren. Die Show war laut, quitschig und extravagant, sodass man sich danach unsicher war, ob man gerade einen Teil des Gehörs oder des gesunden Menschenverstandes verloren hat. Trotzdem hat das Zelt die beiden mit ihren MC gefeiert. Vom karfreitäglichen Tanzverbot war hier absolut nichts zu merken.
Ganz im Gegensatz dazu stand der Samstagnachmittag mit ebenso ruhigeren Tönen. Als zweiter Act auf der Hauptbühne nach Zoë Touran hatte Sympathieträger Tom Grennan das Vergnügen. Den britischen Singer-Songwriter kennt man durch seine Radiohits „Lionheart„, „By Your Side“ oder „Little Bit Of Love“ auch in Deutschland bestens. Er brachte mit langgezogenen Tönen immer wieder Gefühl auf die Bühne und stellte sein Können eindrucksvoll unter Beweis. Dennoch durften die eingängigen Gute-Laune-Melodien natürlich nicht zu kurz kommen. Ein weiterer Verfechter von ruhigen, eindringlichen Klängen konnte sich, wenngleich etwas unfreiwillig, in Sam Tompkins finden. Ihm und seinen zwei Bandkollegen machte die Technik einen Strich durch die Rechnung, sodass das set kurzerhand auf Akustik umgestellt wurde. Sam versuchte es zwar bestmöglich professionell zu lösen, war aber sichtlich frustriert von den Widrigkeiten. Trotz der Schwierigkeiten zeichnete sich der Sänger durch seine authentische Stimme und tiefgründigen Lyrics aus, die unserer Meinung nach, nur durch die Akustikgitarre begleitet, noch besser zur Geltung kamen und dem Publikum ein ganz besonderes Akustikset mit jeder Menge Gänsehautfeeling geschenkt haben.
Auch abseits der Bühnen bot das Paaspop jede Menge Zerstreuungsmöglichkeiten. Es gab ein buntes Drumherum Programm mit zahlreichen Raffinessen zu entdecken, das unter anderem mit einem lebensgroßen Monopoly-Spiel, Comedydarbietungen, Walking Acts á la Jurassic Park oder einem Glitzerschminkstand gespickt war. Außerdem gab es ein weitläufiges gastronomisches Angebot für alle Geschmäcker zu entdecken. Kurios war, dass wir zum ersten Mal einen McDonalds auf einem Festivalgelände entdeckten. Was alle Areas jedoch gemeinsam hatten war die Liebe zum Detail und die aufwändige Dekoration sowie Beleuchtung. Besonders im Dunkeln entstand dadurch das Gefühl, dass man eigentlich auf einem großen Rummel war. Dies kreierte ein geselliges Beieinander, was mindestens genauso wichtig erschien wie die musikalischen Auftritte. Viele trafen sich in großen Gruppen und unterhielten sich angeregt. Dazu passten die Disco-Zelte ideal, in denen wirklich eine Club-Atmosphäre herrschte, die zum Feiern gehen einluden. Richtig Party machte zum Beispiel Robby Lion am Sonntagnachmittag.
Weiter ging es mit Sophie Ellis-Baxtor, die ihres Zeichens vor allem mit „Crying At The Discotheque“ bekannt wurde, welcher kürzlich von David Guetta neu aufgelegt wurde, und dem Song zu einem wiederaufflammenden Hype verhalf. Damit starte die mittlerweile 44-jährige ihr Set. Erwartungsgemäß war das Zelt gut besucht, um der quirligen Britin zuzuschauen. Hatte man vorab vielleicht ein bisschen Sorge, dass drei bekannte Songs für eine Stunde Spielzeit nicht wirklich ausreichen, wurde man eines Besseren belehrt. Sophie war gut vorbereitet und tanzte fröhlich und ausgelassen mit ihrem Publikum. Zu guter Letzt gab es dann noch den obligatorischen Hit „Murder On The Dancefloor“ zu hören, welcher die Herzen der Besuchenden höher schlagen ließen.
Die Mainstage war bis auf drei Acts ausschließlich von nationalen, niederländischen Acts geprägt. So begeisterte zur besten Zeit Froukje die Massen am Samstagabend. Die erst 22-jährige Popsensation verbreitete mit ihrem tanzbaren Synthie-Pop gute Laune, und das Publikum feierte ausgelassen zu ihren Hits. Ganz besonders können wir euch den zunächst baldig-anmutenden Song „Licht en Donker“ empfehlen. Auch wenn man sprachlich nicht alles versteht, kann man trotzdem die Emotionalität nachfühlen. Nach dem sowohl bewegenden als auch mitreißendem Auftritt der Niederländerin, herrschte auf dem Festivalgelände eine eher ausgelassene und lebendige Stimmung. Die Energie, die tagsüber durch die Musik erzeugt wurde, fand am Abend ihren Höhepunkt, als die Besuchenden in großer Zahl zu den verschiedenen Bühnen strömten. So war es nicht ungewöhnlich, dass einige Bühnen zeitweise sogar Einlassstops wegen Überfüllung verhängen mussten. Bei Only The Poets auf der Phoenix-Stage konnte man allerdings noch gute Plätze ergattern, um sich an der Indie-Pop-Band zu erfreuen. Der Lead-Sänger Tommy beeindruckte mit einer charmanten Bühnenpräsenz und kraftvollen Stimme, während Gitarrist Ed, Bassist Charlie und Schlagzeuger Benji mit ihrem musikalischen Können das Publikum mitrissen. Im Folgenden bot sich noch die Gelegenheit mit The Editors, Steam Sister oder Marlon Hoffstadt die Nacht zum Tag zu machen.
Durch die Zeitumstellung ging es am Sonntag mit einer Stunde weniger Schlaf ins bunte Getümmel. Wie female-fronted Rock richtig funktioniert zeigte vor allem die Jack Daniel’s Stage. Hier gaben sich die UK-Bands Vukovi und Hot Milk die Klinke in die Hand. Die erste Band erregte im letzten Jahr vor allem mit ihren fünf Nominierungen bei den britischen Heavy Music Awards Aufsehen. Sie räumten den Award für „Best Production“ für ihr drittes Studioalbum „Nula“ ab, von dem sie uns in ihrem einstündigen Set die meisten Songs von präsentierten. Besonders aussagekräftig agierte Sängerin Janine, die auf den ersten Blick mit ihren langen, blonden Haaren sowie der überdimensionierten Sonnenbrille originalgetreu an die junge Lady Gaga erinnerte. Noch ein bisschen mehr Spaß hatten wir jedoch bei der darauffolgenden Band Hot Milk. Hier passte der Sound einfach insgesamt besser und klang runder. Perfekte Bedingungen also, um die volle Ladung Pop-Punk zu genießen und gemeinsam mit der Band die ungezügelte Energie aufs Parkett zu bringen.
Ein weiteres Highlight wartete auf der Bühne, die dem riesigen Speisezelt angegliedert war. Dort trat niemand Geringeres als das Kalush Orchestra, ihres Zeichens ESC-Sieger aus dem Jahre 2022, in Aktion. Ihren Gewinnertitel „Stefania“ spielten sie als zweiten Track nach einer spannenden Exposition, in der sie sich mit Flöten, traditionellen Folk-Elementen und ukrainischer Kultur vorstellten. Sie machten mit ihrem Auftritt so gut wie alles perfekt und punkteten mit ukrainischem Rap auf treibenden Beats. Dabei legten sie eine Energie an den Tag, die einfach nur nach vorne ging. Dazu gab es unterhaltende Elemente in Form von krassen Tanzmoves und einem Flötenbattle. Dieser vorbildliche Flow blieb nicht lange unerkannt und zog schnell viele weitere Fans an. Bei einem solch gelungenen Auftritt kann man der Band fast nachsehen, dass sie ihren Auftritt frühzeitig nach 40 Minuten statt geplanten 60 beendet haben.
Dass der Sonntagabend nicht von schlechten Eltern war, zeigte sich im Headliner Slot von Chase & Status, die mit einem Live-Set ihr Publikum auseinandernahmen. Hat hier jemand Bass gesagt? Wenn ja, hatten die mächtigen Chase & Status, wie sie sich selbst bezeichneten, definitiv allen Bass, den es an diesem Wochenende gab eingesammelt und in Form ihrer Songs rausgehauen. Diese Sensation übertrug sich nahtlos auf ihr Publikum, welches vollkommen eskalierte. Es gab kein Halten mehr und es wurde alles rausgelassen, was bis jetzt noch zurückgehalten wurde. Mit dem bahnbrechenden Auftritt haben die Briten einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie zurecht das Genre Drum’n’Bass dominieren. Zeitgleich fackelte Jebroer im Silver Warehouse seine eigene Harstyle und Gabber Party ab. Mit seinen bekannten Songs brachte er sein Publikum zum so sehr zum Tanzen, dass der Holzboden zum Beben gebracht wurde. Der Abend auf der Hauptbühne endete mit Zara Larsson und Tiësto.
Auch 2024 markierte das Paaspop Festival den Start in die Open-Air-Saison und bot ein unvergessliches Festivalerlebnis. Mit einem vielseitigen Line-Up, das von aufstrebenden Talenten bis hin zu etablierten, hauptsächlich niederländischen, Größen reichte, bot das Festival drei Tage lang eine einzigartige Mischung aus Musik, Spaß und Unterhaltung. Die zahlreichen Bühnen und Zirkuszelte schufen eine Vielzahl an Entdeckungsmöglichkeiten, während das bunte Drumherum-Programm für Abwechslung sorgte. Somit bleibt auch besonders die gesellige Atmosphäre sowie der Eindruck eines Rummels positiv im Gedächtnis, sodass man jedes Jahr gerne die Osterfeiertage in den Niederlanden verbringen mag.
Fotocredit: Kevin Randy Emmers