Nach einer schwierigen Phase und einer längeren Auszeit meldet sich die Band Heisskalt mit ihrem neuen Album „Vom Tun und Lassen“ zurück. Das Werk markiert nicht nur einen Neuanfang, sondern auch eine spannende Weiterentwicklung für die Band. Sänger Matze spricht im Interview mit uns dem Frontstage Magazine über den kreativen Prozess hinter dem Album, die Herausforderungen eines Neustarts und die Bedeutung von Authentizität in der Musik. Mit emotionaler Tiefe und einer klaren künstlerischen Vision gelingt es Heisskalt, Vergangenes zu reflektieren und gleichzeitig mit frischer Energie nach vorne zu blicken. Das Album wird am 24. Januar über das Munich Warehouse veröffentlicht.
Frontstage Magazine: „Vom Tun und Lassen“ markiert einen Neuanfang für euch als Band. Wie habt ihr diesen Übergang von einer schwierigen Phase hin zu einer neuen kreativen Energie erlebt?
Matze: Ui, das ist natürlich eine sehr weit gefasste Frage bzw. der Zeitraum, über den wir sprechen ist sehr groß. Zu Beginn war da viel Unsicherheit – tun wir es oder nicht? Dann wurde es konkreter und es ging mehr darum, WAS wir tun und WAS nicht. Dann ging es darum, mit wem und mit wem nicht. Es war oft ein Tasten, ein Ausprobieren. Trial Error. Wir haben auch gepokert, manchmal etwas behauptet, was wir dann auch hinkriegen mussten. Emotional haben wir auf der einen Seite viel Erfüllung darin gefunden, das wieder zu machen – es ist ja schon echt toll, dass wir uns da so ausdrücken und dann ist Interesse da und die Musik kommt an bei Leuten, bedeutet ihnen was, hilft ihnen vielleicht sogar durch schwierige Zeiten. Auf der anderen Seite war es jetzt auch doch ganz schön viel. Wir haben alles neu aufgebaut. Neue Songs, neues Album, neue Crew, neues Team, neuer Proberaum, teilweise neues Equipment, neue Fotos, neue Videos,… Das alles aus dem “Nichts” wieder heraufzubeschwören war ein ganz schöner Kraftakt, von dem ich mich jetzt auch gerne ein wenig erholen will, bevor wir im Sommer wieder auf die Bühne gehen!
Frontstage Magazine: Ihr habt in der Vergangenheit einen sehr emotionalen und direkten Ansatz in eurer Musik verfolgt. Was war euch bei der inhaltlichen und klanglichen Ausrichtung dieses Albums besonders wichtig?
Matze: Ja, mir war bei den Songs dieses Albums sehr wichtig, dass sie emotional greifbar und fühlbar sind. Meine Texte spielen ja oft mehr auf dieser Ebene und weniger auf so einer klaren Erzählung von A nach B. Ich wollte mich nicht beschweren sondern beschreiben, was ich wahrnehme und auch, was ich mir wünsche. Mit verschiedenen Sichtweisen auf die Welt und was mir in ihr geschieht spielen. Für mich war es in den letzten Jahren sehr wichtig zu lernen, dass ich die Welt um mich herum und mich auch formen kann und dem nicht ausgeliefert bin. Es passiert im Alltag doch schnell, dass man sich so als Opfer der Umstände oder anderer Menschen sieht und dann in so einer Passivität oder Sehnsucht oder unterdrückten Wut landet oder ganz doller Bewertung – entweder des Außen oder sich selbst. Das wollte ich auf diesem Album alles nicht tun, ich wollte in Offenheit schreiben und für Liebe und Miteinander und trotzdem der Schwere und dem Schmerz, der Ergriffenheit und Intensität, dem Chaos, der Wut auch ins Gesicht blicken. Insofern, ja, vielleicht lässt sich das als sehr direkt und sehr emotional bezeichnen. Wir wollten auch eine Platte machen, die für uns gut anschließt an das, was wir schon gemacht haben. Für mich ist das ganz gut gelungen!
Frontstage Magazine: Das Album wird über das Munich Warehouse veröffentlicht, ein Label, das eine persönliche Verbindung zur Bandgeschichte hat. Wie wichtig war euch dieser Schritt für das Album und warum habt ihr euch dafür entschieden?
Matze: Wir haben mit mehreren Leuten gesprochen und das mit Mario zu machen war einfach am besten. Der beste Deal, der beste Vibe und ein gutes Gefühl, dass wir uns da gegenseitig unterstützen können. Es ist doch super, wenn ein Freund, der auch Musiker ist und den Struggle kennt von uns die Label-Fee bekommt und nicht irgendwer irgendwo. Ganz ohne Label wie bei Idylle wollten wir es nicht nochmal machen denn das hat einfach nicht so gut hingehauen, wie wir uns das erhofft hatten. Wir hatten da einfach nicht genug Kapazität und Kompetenz, um das alles entsprechend hinzukriegen. Jetzt haben wir da eine gute Mitte aus DIY und Professionalität und Kompetenz gefunden, finde ich. Es ist trotzdem sehr nah und freundschaftlich und die Kommunikation ist leicht und direkt, aber wir haben Leute an der Hand, die wissen was sie tun und sind auch in der Lage, alles zu handlen, wenn es mal richtig rund geht – wie zum Beispiel jetzt gerade, um den Release herum. Mario und Chris sind einfach super Typen, wir sind richtig dankbar, dass die das mit uns machen. Und die freuen sich auch, uns dabei zu haben. Das ist glaub ich ganz wichtig als KünstlerIn oder Band: Dass die Leute, mit denen man arbeite hinter einem stehen, Fans sind. Die größte und einflussreichste Agentur der Welt bringt dir gar nix, wenn Niemand dort wirklich für dich brennt und du in der Schublade versauerst, weil alle zuerst an jemand anders denken. Das ist auch voll menschlich und ok erstmal, das Problem ist dabei nur, dass man ja aus vielen Verträgen genau dieser Art von Partnern nicht mehr so leicht herauskommt. Und dann hast du den Salat. Da haben wir diesmal richtig gut vorgesorgt für uns, das kann uns nicht passieren und das ist ein tolles Gefühl. Da will ich auch alle ermutigen, die vor Entscheidungen stehen: Geht dorthin, wo die Leute richtig Bock auf euch haben und trefft Vereinbarungen, die sich gut anfühlen für euch. Die berühmt berüchtigte “Branchenüblichkeit” würde ich in letzter Konsequenz nicht mehr als Argument durchgehen lassen. Da sind wir natürlich in einer etwas besseren Verhandlungsposition als wir es früher waren oder als vielleicht andere Bands sind, die grade anfangen. Aber es gilt trotzdem. Es bringt einem am Ende auch nichts, sich da im Recht zu fühlen und alles ganz unfair zu finden und den Eindruck zu haben, über den Tisch gezogen worden zu sein. Da müssen wir vorher auf uns aufpassen und uns wichtig nehmen in dem, was wir tun!
Frontstage Magazine: Es scheint, dass „Vom Tun und Lassen“ eine Balance zwischen Rückblick und Aufbruch schafft. Wie habt ihr es geschafft, Vergangenes zu reflektieren und gleichzeitig nach vorne zu blicken?
Matze: Ja, das hatte ich ja grade schon kurz angesprochen. Wie haben wir das geschafft, mh… Ich denke das kam ganz natürlich. Ich meine, wir haben da etwas wieder aufgenommen, was schon viel Geschichte hat und wollen ja gleichzeitig weiter gehen. Wir haben uns ja auch verändert, haben neue Erfahrungen gemacht, neue Ideen gefunden. Ich denke, es wäre gar nicht anders gegangen als da so einen Pakt zu schließen zwischen dem, was wir schon waren und was uns dorthin gebracht hat, wo wir heute sind und dem Potential, was wir alles noch werden können und dem Unbekannten darin. Wir neigen ja schnell dazu, uns immer neu zu erfinden und dabei alles was wir vorher waren abzuwerten. Das beobachte ich sehr genau in diesem Prozess, das wollte ich nicht. Ich bin stolz auf das, was wir geschafft haben und auch wenn ich heute kaum etwas nochmal so tun würde, haben wir immer versucht, unsere momentane Wahrheit zu finden und aus Überzeugung gehandelt. Die können sich natürlich ändern, aber sich dafür im Nachhinein fertig zu machen ist doch Quatsch. Dann ist man ja immer nur damit beschäftigt, alles schon Geschehene abzuwerten und alles, was man schon war. Und grade dann, finde ich, kann man sich die Dinge auch wirklich genau ansehen und überprüfen, was GENAU man eigentlich nicht mehr will und was man weiter machen möchte. Ansonsten ist da schnell so eine pauschale Ablehnung und dann ist das wie dieser berühmte Hund – nur dass der seinen Schwanz nicht fangen will, sondern vor ihm weglaufen.
Frontstage Magazine: Die Jahre der Pause und die individuellen Erfahrungen, die ihr gemacht habt, klingen in diesem Album nach. Wie haben diese persönlichen Entwicklungen die Dynamik innerhalb der Band und die Musik beeinflusst?
Matze: Das ist eine tolle Frage, danke. Aber ich glaube, dass die Musik auf “Vom Tun und Lassen” darauf die beste oder vielleicht auch einzig sinnvolle Antwort ist. Also genau darum geht es doch bei Musik, oder? Also ich mache Erfahrungen und erlebe, wie ich in diesem Körper diese Welt bewohne und mit ihr in Beziehung trete und dann ist da dieser Drang, mich auszudrücken, Musik zu machen. Und alles, was ich erlebe schreibt sich darin nieder, ganz von selbst. Ich vertraue da unserer Musik und meinen Texten, dass die das greifbar machen. Vielleicht weißt du, wie ich meine?
Frontstage Magazine: Was möchtet ihr euren Hörer*innen mit „Vom Tun und Lassen“ vermitteln?
Matze: Ich habe versucht, nur aufzuschreiben und zu singen, was sich für mich in diesem Moment wahr und kraftvoll angefühlt hat, was mich selbst berührt. Es war in diesem Moment mein bestmöglicher Versuch, das zu tun. Ich kann das nicht anders erklären, als genau so. Und ich finde auch, dass es gar nicht so eine Rolle spielt, was ich damit meine. Ich weiß auch gar nicht, ob ich irgendetwas bestimmtes vermitteln will, außer mein Erleben für andere greifbar zu machen. Die Hoffnung dabei ist, dass das Leute berührt, dass sie sich angesprochen fühlen. Vielleicht werden Stellen berührt oder Anteile angesprochen, die sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Aber was genau das für jede/n Einzelne/n bedeutet, darüber habe ich ja absolut keine Kontrolle. Genau darin liegt für mich aber auch der Zauber von Musik und so geht es mir ja auch mit der Musik, die ich höre. Die Songs, die Worte, die Stimmung – all das löst etwas in mir aus. Keine Ahnung, ob das irgendwas damit zu tun hat, was die Künstlerin dabei gefühlt hat. Es spricht ja etwas in MIR an. Also versuche ich beim Schreiben in erster Linie mir selbst nah zu sein und vielleicht hilft meine Musik dann anderen dabei, sich auch selbst näher zu kommen…? Aber das ist eher eine Erfahrung, die ich den Leuten wünsche als ein Konzept, das ich vermitteln will. Ich habe auch ein bisschen versucht “über mich hinaus” zu schreiben, also mich nicht im Leid zu suhlen, sondern irgendwie “von dahinter” darauf zu blicken, wenn du verstehst. Insofern ist es auch für mich ein Prozess, in diese Songs hineinzuwachsen. Ich spiel die ja ganz oft auf der Bühne und idealerweise und viele gucken zu. Da wollte ich das mal ausprobieren, was da passiert, wenn ich da auch Dinge singe, die ich mir für mich wünsche. Vielleicht entwickelt das ja eine transformative Kraft 🙂
Frontstage Magazine: Unsere letzte Frage fällt immer etwas aus der Reihe: Wenn das Album ein Soundtrack für einen Film wäre, welcher wäre es und warum?
Matze: Ui, ich glaube es wäre ein Film über Jemand, der seinen Platz in der Welt sucht. Unermüdlich, trotz dass sich zwischenzeitlich die Dinge ausweglos anfühlen, allen Widerständen zum Trotz. Es wäre ein Film über Berührbarkeit und Stärke, über sanfte Wildheit und unbändige Lebendigkeit. Es wäre ein Film mit ganz intensiver Stille und Szenerien von solcher Schönheit, dass es einem den Atem raubt. Es wäre aber auch ein ganz naher und intimer Filmt, voller Menschlichkeit und kleinen, feinen Momenten von zwischenmenschlicher Interaktion. Ich glaube, er wäre sehr assoziativ. Es würde keinen Sinn ergeben, zu versuchen, dass er eine bestimmte Geschichte erzählt. Er würde sich darauf verlassen, dass die Geschichte in den Zuschauern selbst entsteht. Trotzdem wäre nichts beliebig, es hätte alles seinen Platz. Vielleicht würde Niemand sprechen in dem Film und Teile würden im Wasser spielen und manche auch in der Luft. Wenn Jemand Lust hat den zu drehen, let me know – das wird ein Hit! 😉
HEISSKALT – Vom Tun und Lassen – Tour 2025
04.09. Hamburg, Georg Elser Halle
05.09. Osnabrück, Die Botschaft
06.09. Köln, E-Werk
07.09. Wiesbaden, Schlachthof
09.09. Stuttgart, Liederhalle
10.09. Dresden, Stromwerk
11.09. Jena, Kassablanca
12.09. Erlangen, E-Werk
Fotocredit: Yasmin-Sara Ergen