Es gibt Bands, die klingen nach einer bestimmten Zeit im Leben. Für mich waren Herrenmagazin so eine Band. Der erste Longplayer erschien fast parallel zu meinem ersten festen Job und allein aufgrund der Arbeitsstrecke hörte ich „Atzelgift” rauf und runter in meinem ersten eigenen Auto. Dazu kam ein Gefühl des Aufbruchs, viele neue Bekanntschaften und Freunde, eine ganze Reihe Kneipengespräche oder die ausklingende Phase der WG-Parties. Den perfekten Soundtrack dafür lieferten Herrenmagazin und haben meine musikalische Sozialisation somit entscheidend geprägt. Vor zehn Jahren verabschiedeten sich Herrenmagazin dann in eine kreative Pause, aus welcher ich sie inzwischen gar nicht mehr zurückerwartet hatte und die Band wohlmöglich auch selbst nicht so recht wusste, ob das überhaupt noch mal etwas wird.
Umso überraschender war dann die Nachricht vom Comeback, denn ich war vermutlich nicht der einzige Herrenmagazin Fan, der dachte, wir hätten Sänger Deniz Jaspersen längst an die Kindermusik verloren – wirtschaftlich vermutlich die deutlich lohnendere Wahl. Doch glücklicherweise kam es bekanntlich anders und nun halte ich nicht nur ein Comeback Album in den Händen, sondern blicke auch auf ein paar Herrenmagazin Konzerttickets an meinem Kühlschrank, um dort gemeinsam mit den “neuen” Freunden von “damals” das Comeback zu feiern.
Und umso toller ist es, dass die neue Platte genau danach klingt, was man an dieser Band vermisst hatte. Es ist ein Album, das wie eine Verabredung mit alten Freunden klingt: Man tauscht sich aus, lacht zusammen, schwelgt in Erinnerungen, aber es bleibt auch Platz für ernste Themen. Die elf Songs wirken nicht bemüht oder verkopft – sie sind schlicht da, als hätten sie schon immer genauso sein sollen. Hier und da schimmern ältere Motive durch, als hätte man irgendwo in der Ecke einer verstaubten Schublade noch ein altes Notizbuch gefunden und darin weitergeschrieben.
Als Opener hat man die bereits als Vorabsingle veröffentlichte Nummer „Alter Debütant” platziert. Und spätestens mit dem Refrain ist das alte Herrenmagazin Gefühl wieder da: „Alles was mir meinen Blick verstellt // Ist mir so lange schon bekannt // Ich stolper jeden Morgen in die Welt // Wie ein alter Debütant.”
Im gleichen Fahrwasser ist der Up-Tempotrack „Fragment” unterwegs und auch „Letzte Ausfahrt” bewegt sich in diesem herrlichen Spannungsfeld von Deutschpunk und Hamburger Schule, wie man ihn sonst nur bei Captain Planet geliefert bekommt. Mit dem Unterschied, dass deren kryptische und vage Lyrics zwar etwas mehr Interpretationsspielraum lassen, dafür aber musikalisch nicht so unmittelbar ins Mark treffen wie der Herrenmagazin Sound. Die Band hat einfach ein Händchen für kleine und zunächst unscheinbare, aber immer wieder verdammt eingängige Melodien. Und genau dieses Talent haben die Jungs über die Jahre äußerst gut konversiert. Denn Nummern wie „Unvollständig” oder „Wütende Gespenster” klingen so frisch, als kämen sie vom Debüt. Vielleicht findet man den Schuldigen dafür in der Person Tobias Siebert, der Produzent, mit dem die Band auch schon „Atzelgift” aufgenommen hat und sich zu so etwas wie „die Quintessenz dieser Band” (O-Ton Jaspersen) entwickelt hat.
Auf jeden Fall hat er es hinbekommen die richtigen Knöpfe bei der Band zu drücken und sie von der Art Schreibblockade zu lösen, mit welcher Herrenmagazin vor Jahren zu kämpfen hatten. So berichtet Deniz Jaspersen: „Ich habe mir nicht mehr erlaubt, auch mal einen schlechten oder zumindest mittelmäßigen Song zu schreiben – was dazu führte, dass ich dann irgendwann überhaupt keine Songs mehr geschrieben habe.“
Glücklicherweise hat man diesen Status gemeinschaftlich überwunden, denn sonst wären uns so herrliche Textpassagen wie: „Da ist so viel Musik in mir / Da ist so viel Musik, die mich nicht interessiert“ („Kontext”) oder „Da wo alle wissen was Du tun musst // hasst Du nichts verloren // da wo Du allen was beweisen möchtest // Da hast Du nichts verloren” („Mit halbleeren Worten”) wohl für immer verwehrt geblieben. Und sollte jetzt erneut eine lange Pause folgen, so hat die Band mit einem grandiosen Abschied („Ich bin für dich da”) vorgesorgt.
Aber an solche Gedanken wollen wir uns jetzt nicht verlieren. Denn Herrenmagazin sind JETZT wieder da. Und das fühlt sich gut an.
Review: Marc Erdbrügger
Fotocredit: Lucja Romanowska