Mit ihrem siebten Studioalbum schlagen Kadavar ein neues Kapitel auf – mutig, atmosphärisch und zugleich radikal anders. Was früher als wuchtiger Vintage-Rock mit Sabbath-Anleihen begann, verwandelt sich auf „I Just Want To Be A Sound“ in ein musikalisches Statement, das sich jeder festen Form entzieht. Die Berliner Band um Christoph „Lupus“ Lindemann, Simon „Dragon“ Bouteloup und Neu-Mitglied Jascha Kreft hat sich mit Produzent Max Rieger (Die Nerven) hörbar aus der Komfortzone katapultiert – und das mit vollem Risiko.
Im Gegensatz zu früheren Werken wie „Berlin“ oder „Rough Times„, die sich oft auf ein klar umrissenes Soundbild stützten – fuzzlastig, roh und direkt – wirkt das neue Album wie eine Eruption innerer Prozesse. Während ältere Alben auf Struktur, Riffs und Nostalgie setzten, befreit sich „I Just Want To Be A Sound“ von eben diesen Fesseln. Kadavar lassen sich treiben, nehmen Abschied von klassischen Songstrukturen und feiern stattdessen das Unbekannte. Der Sound wirkt luftiger, elektronischer und introvertierter – ohne an Intensität zu verlieren.
Wo frühere Platten manchmal in ihrer stilistischen Sturheit festhingen oder an Ideenarmut litten, gelingt hier eine echte Transformation. „For The Dead Travel Fast“ beispielsweise wirkte wie ein gut produzierter, aber etwas kraftloser Abgesang auf alte Konzepte. Nun aber schöpft das Trio – pardon, das Quartett – aus einer Tiefe, die vorher so nicht zu hören war. Das Album fühlt sich nicht wie ein Produkt an, sondern wie ein Prozess: brüchig, offen, lebendig.
Thematisch und klanglich strahlt das Album eine neue Ernsthaftigkeit aus. Es geht nicht mehr nur um Retro-Flair oder Headbanger-Momente. Es geht um Präsenz, Identität und das Leben in ständiger Veränderung. Kadavar zeigen sich verletzlicher als je zuvor, aber auch entschlossener, sich nicht mehr hinter Attitüde zu verstecken. Dieser Mut zur Selbstauflösung – im positiven Sinne – macht das Album zu ihrem bislang reifsten Werk.
Das Werk ist keine leichte Kost für diejenigen, die Kadavar ausschließlich für ihre brachialen Riffs und psychedelischen Jam-Sessions schätzen. Aber für alle, die bereit sind, mit der Band auf eine neue Ebene zu gehen, ist dieses Album eine Einladung, sich von Erwartungen zu lösen. Es ist ein Manifest der Gegenwärtigkeit – ein intensives, manchmal sperriges, aber durch und durch ehrliches Werk. Kadavar klammern sich nicht an die Vergangenheit. Sie sind bereit, loszulassen. Und das hört man.
Ein mutiger Neuanfang. Anders als alles zuvor. Und genau deshalb relevant.
Fotocredit: Albumcover / Artwork