Es gab eine Zeit – und sie liegt gar nicht so weit zurück – da bekam ich schwitzige Hände, wenn Arcade Fire ein neues Album ankündigten. Ich saß dann vorm Rechner, reloadete Pitchfork und Stereogum und hoffte auf ein Leak, ein Snippet, einen Hinweis, ein Zeichen. Jetzt sitze ich hier, höre „Pink Elephant“ – zehn Songs, 42 Minuten – und bin überrascht, wie wenig sich in mir rührt. Arcade Fire sind zurück, heißt es, und ich merke: Es ist mir fast egal.
Dabei fängt es gar nicht schlecht an. „Year of the Snake“, dieser Vorab-Track mit Régine Chassagne am Bass (!), hat tatsächlich sowas wie Charme. Der Song bounct leichtfüßig, will Indie-Funk sein und funktioniert. Wil Butler hört sich hie und da noch stärker als sonst wie der verlorene Sohn von Robert Smith an und dass er überhaupt noch dabei ist, wieder dabei ist, oder überhaupt weg gewesen ist, weiß bis heute niemand genau.
Und ähnlich unentschlossen wirkt auch der Sound auf „Pink Elephant”. Das Problem ist die Leere zwischen den Zeilen. Arcade Fire waren mal eine Band, die ganze Weltordnungen in Frage stellte. Heute wirkt es, als hätte man Win und Régine einen Looping-Button in ihr Studio eingebaut, mit dem sie kleine Melodie-Skizzen unendlich strecken können, ohne dass daraus mehr wird als: „Okay, nett.“
Drei Interludes bei zehn Tracks? Warum? Diese Interludes wirken nicht wie Zäsuren, sondern wie eine Art höflicher Hinweis: Hier passiert leider nichts, was euch überfordern könnte.
Es gibt Lichtblicke. „Alien Nation“ hat ein schönes Ende. „I Love Her Shadow“ erinnert entfernt an die Dringlichkeit von The Suburbs, schafft es aber nicht, die Nostalgie in etwas Aktuelles zu verwandeln. Und der Schlusstrack „Stuck In My Head“ ist – nomen est omen – catchy genug, um das Album nicht komplett aus der Erinnerung zu spülen. Aber es bleibt dabei: „Pink Elephant” ist kein Album, das sich aufdrängt. Es ist eher wie ein alter Bekannter, der plötzlich wieder vor deiner Tür steht, aber mit dem man dann doch nicht mehr so richtig warm wird.
Produktionstechnisch ist das alles bestenfalls solide. Es klingt, als wäre die halbe Band nur noch metaphorisch anwesend – eine Ahnung von früherer Größe, übersetzt in Lo-Fi-Ästhetik. Was bleibt?
Vier großartige Alben. Funeral, Neon Bible, The Suburbs, Reflektor (ja, meinetwegen nur zur Hälfte, aber immerhin). Danach: ein langer Abschied in Zeitlupe. Everything Now war chaotisch, aber immerhin noch ein Statement. WE hatte „The Lightning I, II“. „Pink Elephant”? Der pinke Elefant steht im Raum. Und statt darüber zu singen, machen sie ein Album drüber, das ihn einfach akzeptiert wie eine Spotify-Playlist im Hintergrund: unaufdringlich, ästhetisch, irgendwie egal.
Review: Marc Erbrügger
Fotocredit: Danny Clinch