Wenn Lotto King Karl zum Saisonstart in den Hamburger Stadtpark ruft, kommen die Massen – das war auch an diesem vergangenen Sonnabend nicht anders.
Rund 4.000 Fans strömten trotz grauem Himmel und Nieselregen zur ausverkauften Freilichtbühne, um „Loddo“ zu feiern. Es war sein 55. Konzert an dieser kultigen Spielstätte – ein Ritual für viele, eine Pflichtveranstaltung für Fans des HSV, der Stadt Hamburg und eines gewissen hanseatischen Charmes, der zwischen Bier, Balladen und brüllendem Lokalpatriotismus pendelt.
Mehr Heimat geht nicht
Kaum ein Musiker ist so untrennbar mit Hamburg verbunden wie Lotto King Karl. Zwischen Songs wie „Mitten in Barmbek“, „Ich liebe Dich“ und „Malaria“ feierte der Barmbeker erneut sich, sein Publikum – und vor allem seine Stadt. Wer noch zweifelte, ob der HSV-Aufstieg die Stadt wirklich elektrisiert hat, wurde an diesem Abend eines Besseren belehrt: Schwarz-weiß-blaue Schals, Trikots und Rufe wie „Nie mehr zweite Liga!“ prägten das Bild. Lotto selbst, einst Stadionsprecher im Volksparkstadion, ließ es sich nicht nehmen, mit einer kleinen HSV-Block-Party das Finale des Konzerts zu gestalten. Natürlich inklusive „Hamburg, meine Fußballperle“, das auch Jahre nach seinem offiziellen Rückzug aus dem Stadion das emotionale Zentrum seiner Auftritte bleibt.
Drei Stunden Feier – aber mit Dämpfer
Doch bei allem Enthusiasmus: Ganz rund lief der Abend akustisch nicht. Die Stimmung war zwar ausgelassen, aber die Soundqualität ließ zu wünschen übrig – vor allem auf den hinteren Rängen wirkte der Ton dumpf und die Lautstärke erstaunlich niedrig. Immer wieder schauten sich Besucher fragend an, ob da nicht etwas mehr „Bumms“ möglich wäre. Gerade bei einem Konzert, das sich in Teilen wie eine kollektive Fußballkneipe unter freiem Himmel anfühlt, erwartet man ein voluminöseres Klangbild. Auch die Dynamik zwischen Band und Gesang wirkte stellenweise unausgewogen – Gitarrensoli wie beim gefühlvollen „Unten am Hafen“ überzeugten zwar musikalisch, gingen aber in der Gesamtmischung teils unter.
Zwischen Bier, Balladen und Bier
Dass Lotto King Karl eine institutionalisierte Nähe zum Publikum pflegt, zeigte sich besonders in seinem „Alkoholiker-Block“ – Songs wie „Biersexuell“, „Im Himmel gibt’s kein Alkohol“ (mit Gast Vince Bahrdt) oder „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ wurden ebenso textsicher mitgegröhlt wie seine Balladen. Der Alkohol floss nicht nur durch die Songs, sondern auch in Strömen durchs Publikum – der Andrang an den Bierständen und vor allem an den Herrentoiletten ließ an ein Volksfest denken.
Trotz mancher zotiger Reime gelingt es Lotto stets, eine gewisse Bodenständigkeit zu wahren. Seine Derbheiten moderiert er mit dem Charme eines alten Bekannten, der in der Kneipe am Tresen Geschichten erzählt – nicht immer geschmackvoll, aber irgendwie immer richtig dosiert. Dass seit Jahren kein neues Album mehr erschienen ist, störte niemanden. Die Setlist ist eine Reise durch ein bekanntes Repertoire – nostalgisch, heimatverbunden, und genau das will hier auch keiner anders haben.
Fazit: Ein vertrautes Ritual mit Klangschwächen
Lotto King Karl bleibt das, was er seit Jahrzehnten ist: ein musikalischer Ankerpunkt Hamburgs, ein Entertainer mit Ecken und Kanten, ein Lokalpatriot mit Bierdose in der Hand. Das Konzert war keine Neuerfindung, sondern ein emotionaler Heimathafen für viele. Wer Überraschungen sucht, ist bei ihm falsch – wer sich aber nach einem Abend sehnt, der zwischen HSV-Lyrik, Hamburger Melancholie und kollektiver Bierseligkeit schwingt, wird nicht enttäuscht.Einziger Wermutstropfen: der verhaltene Sound. Bei einem so traditionsreichen Konzert auf einer der schönsten Open-Air-Bühnen der Stadt darf man sich mehr Lautstärke und klareren Klang wünschen. Denn so schön Nostalgie auch ist – sie klingt besser, wenn man sie deutlich hören kann.
Fotocredit & Bericht: Sascha Beckmann