Henri Jakobs sagt über sich selbst, dass er aktiver sei als „ein Rudel junger Ameisen“. Und das passt – er ist Musiker, Schauspieler, Autor und Aktivist. So klärt er beispielsweise aufgrund eigener Erfahrungen über Transition auf. Früher hat er als Teil des Berliner Duos Tubbe Rave-Punk gemacht. Heute macht er Pop und schreibt Lieder vom Leben, dem Schwermut und dem Unfug auf dieser Welt. Stillstand kann und mag er nicht, deshalb erscheint am 03.08.2021 seine Debüt – EP „Bizeps Bizeps“.
Der erste Song der EP ist „Was will die Welt“ und wurde im Mai 2021 als erste Single der EP veröffentlicht. Statt sich ständig zu fragen „Was will ich?“ hat Henri Jakobs die Frage umgedreht und fragt was die Welt von ihm will. Insbesondere durch seinen Background und den bedeutungsschweren Entscheidungen seiner Vergangenheit sagt das viel über ihn aus. Herausgekommen ist eine positive und empathische Popnummer, die durch ein Feature mit Sängerin Mine liebevollabgerundet wird.
Bei „Kant am Strand“ werden die Synthesizer ausgepackt und erweckt dadurch ein Retrogefühl, das an die 80er Jahre erinnert. Es ist eine gut, solide Popnummer, die aber durch die beiden starken Singles davor und danach ein wenig an Glanz verliert bzw. untergeht. Für mich war er nicht so einnehmend wie die anderen Songs der EP. Trotz der tanzbaren Melodie blieb „Kant am Strand“ in meiner Wahrnehmung blass.
Bei „Das wird man wohl noch sagen dürfen“ hat sich Henri Verstärkung durch Finna und Saskia Lavaux ins Boot geholt. Der Song ist zeitgleich die aktuelle Single, die 06.07.2021 veröffentlicht wurde. Der Ausspruch „Das wird man wohl noch sagen dürfen“ hat sich in den letzten Jahren verselbstständigt und wird als Rechtfertigung der Menschen genommen um ihre Meinung über Kinder(kriegen), Sexualität, Klima, Gewicht, etc. pp. loszuwerden ohne jegliche Rücksicht auf die Gefühle der Mitmenschen. In diesem Song wird laut und ehrlich damit aufgeräumt, dass nur weil man eine Meinung hat, sie nicht ständig ohne jegliche Rücksicht preisgeben muss.
Der letzte Track auf „Bizeps Bizeps“ trägt den schönen Titel „Bernsteinzimmermensch“. Ein Song, der erst beim zweiten Hören seine Wirkung richtig entfaltet, da sich viele kleine (Lebens-)Weisheiten verbergen. Im ersten Hören bleibt sonst nur das Gefühl „Pop Schlager“ hängen, aber das wird „Bernsteinzimmermensch“ nicht gerecht. Bei jedem weiteren Hören entfaltet sich der Song weiter und jedes Mal erkennt man (für sich) neue Bedeutungen.
Man muss sich kopftechnisch von allem früheren Schaffen Henris verabschieden und muss sich völlig auf die EP „Bizeps Bizeps“ einlassen. Sein Dasein als Solokünstler hat nichts mit seiner Vergangenheit bei Tubbe gemein. Es ist neu, es ist anders und es ist gut wie es ist. Die Songs transportieren eine Haltung, eine Aussage und sind dennoch tanzbar gestaltet, so dass nicht das Gefühl des „gehobenen Zeigefingers“ entsteht, sondern der Inhalt eher subtiler übermittelt wird. Mein persönlicher Favorit ist „Das wird man wohl noch sagen dürfen“, der durch seine klare und deutliche Ansage eine Perle im Meer der Popmusik ist.
Tracklist
1. Was will die Welt (feat. Mine)
2. Kant am Strand
3. Das wird man wohl noch sagen dürfen
4. Bernsteinzimmermensch
Fotocredit: Bastian Bochinski