Ob Wut oder Wehmut, Einsamkeit oder Euphorie – „Mixed Emotions„, das dritte Studioalbum der isländischen Bluesrock-Band Kaleo, klingt wie das Gefühl, in stürmischen Zeiten den eigenen Herzschlag wiederzufinden. Zwischen donnernden Rocktracks und zerbrechlichen Balladen gelingt der Band um JJ Julius Son ein Werk, das Emotionen nicht ordnet, sondern sie nebeneinander stehen lässt – roh, schön, ehrlich.
Die Idee, ein Album nicht nach Genres, sondern nach Gefühl zu strukturieren, klingt erstmal wie eine Kunststudentenfantasie. Kaleo machen sie wahr – und schaffen damit ihr bisher persönlichstes Werk. „Mixed Emotions“ ist eine Einladung, sich selbst zu spüren. Nicht glatt oder gefällig, sondern widersprüchlich, aufrichtig und überraschend vielstimmig.
Produziert wurde die Platte von Eddie Spear (Zach Bryan, Sierra Ferrell) sowie Kaleo-Frontmann JJ Julius Son selbst, gemeinsam mit Shawn Everett (The Killers, Kacey Musgraves). Ein Team, das den Sound der Band weitet, ohne ihn zu verlieren. Wo vorher bluesgetränkter Wüstenrock dominierte, öffnen sich auf diesem Album neue Räume – für politische Statements, für orchestrale Tiefe, für stille Traurigkeit.
Und dann sind da Songs, die sich festsetzen. Nicht, weil sie sich aufdrängen, sondern weil sie genau im richtigen Moment auftauchen. „USA Today“ etwa. Ein ruhiger, wuchtiger Song über die allgegenwärtige Waffengewalt in Amerika. Kaleo wählen keine Metaphern, sie halten der Realität den Spiegel vor – und fügen ihr doch Menschlichkeit hinzu. Es ist ein Stück, das sich musikalisch langsam entfaltet und dabei emotional immer mehr verdichtet. Wer genau hinhört, spürt, wie nah Verzweiflung und Hoffnung beieinanderliegen können.
Auch „Back Door„, lange ein Live-Liebling der Fans, hat auf diesem Album endlich seinen Platz gefunden – ein kompromissloser, treibender Bluesrocker mit all dem Dreck, der Herz braucht. Die Gitarren röhren, die Mundharmonika heult, und über allem liegt diese unverkennbare Stimme von JJ Julius Son, irgendwo zwischen Reibeisen und Gebet. Ein Song wie ein Ausweg, wie der letzte Funken Rebellion im Rückspiegel.
Dann wieder das Gegenteil: „Lonely Cowboy“ wirkt wie ein Roadmovie in Zeitlupe. Akustikgitarre, Slide-Gitarre, eine karge Melodie, die mehr sagt als tausend Worte. Ein Lied wie ein einsamer Gedanke, der sich nicht vertreiben lässt. Und doch steckt auch in diesem Song etwas Tröstendes – vielleicht, weil er die Einsamkeit nicht dramatisiert, sondern sie einfach da sein lässt.
Zu den stärksten Momenten des Albums zählt auch „Legacy„, ein Song, der sich vom hymnischen Aufbruch in eine fast wehmütige Resignation dreht. „I’m gonna live forever, I was born to make a change“ – ein Satz, der mutig klingt. Doch am Ende bleibt nur noch: „… is what I used to say.“ Zwischen diesen beiden Polen entfaltet sich ein Arrangement aus Streichern, Chören und Klavier – getragen von einer Stimme, die sich in der eigenen Verletzlichkeit nicht verliert.
Und dann ist da dieser letzte Song. „Sofðu Unga Ástin Mín“ – ein traditionelles isländisches Wiegenlied, das JJ in seiner Muttersprache singt. Still, einfach, wunderschön. Ohne Pathos. Nur Gitarre, ein Hauch Streicher, und diese zarte Stimme, die nach all der Wucht zuvor plötzlich ganz nah wirkt. Ein leiser Abschied. Und vielleicht der ehrlichste Moment auf dem ganzen Album.
Um es auf den Punkt zu bringen: „Mixed Emotions„ ist keine Sammlung von Songs – es ist ein Gespräch über das Leben. Über das, was uns berührt, was uns lähmt, was uns antreibt. Über Schmerz und Hoffnung, über das Aushalten und das Aufbrechen.
Kaleo haben ein Album geschrieben, das niemandem gefallen will – und genau deshalb so vielen gefällt. Es ist kantig, fragil, mutig, zart. Eine musikalische Reise ohne Abkürzungen. Und ein Beweis dafür, dass große Gefühle keine große Geste brauchen. Sondern nur die richtigen Töne zur richtigen Zeit.
Fotocredit: Warner Music Group