RAZZ sind die deutschen Shootingstars der 2010er Jahre. Bereits mit ihrem ersten Album „With Your Hands We’ll Conquer“ sorgten die Emsländer auf Aufsehen und wurden von der Schulbank auf die großen Bühnen katapultiert. Es folgten Auftritte bei Festivals wie dem Hurricane, Open Flair, Deichbrand, Rock am Ring und Rock im Park. Sie waren in einer Folge „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ zu sehen. Außerdem spielten RAZZ Support für Alex Clare, Jimmy Eat World, Mando Diao und Bloc Party. Zwischendurch fanden sie darüber hinaus die Zeit ihr zweites Album „Noctural“ einzuspielen.
Es wäre ein leichtes gewesen die Dinge einfach so weiterlaufen zu lassen. Stattdessen zogen sich RAZZ für knapp 2 Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. Aber statt ausgedehnten Urlauben wurden Songs geschrieben, verworfen, neu geschrieben und am Sound gefeilt. Die ersten Früchte dieser Arbeit sind auf der EP „Might Delete Later“, die am 18.06.2020 erscheint.
Der erste Song der EP ist „1969 – Conrad“ und wurde bereits im Dezember 2020 als Single veröffentlicht. Entstanden ist der Song im Laufe des Jahres 2020 als die Menschen durch Fake News und „alternative Fakten“ in Panik versetzt wurden. Namentlicher Pate des Songs ist Pete Conrad, der 1969 als dritter Mensch den Mond betreten hat. Bis heute zählt die Geschichte, dass die Mondlandung nur inszeniert war zu den größten Verschwörungstheorien unserer Zeit.
Weiter geht’s mit der nächsten Singleauskopplung. In „Like You“ erzählt die Band vom Umgang mit Selbstzweifeln, Erwartungshaltungen und dem gesellschaftlichen Druck von außen. Anfänglich etwas zurückhaltender gestaltet, entwickelt der Song schnell einen melodischen Pop Indie Sound, der durchaus Potential zu einer langfristigen Hymne hat.
Durch ein Regensample zu Beginn von „Constant Flow“ beginnt der Song eher melancholisch und erlebt nach knapp 1,5 Minuten einen Stimmungswechsel, der daraus einen kleinen Sturm macht. Soundtechnisch eher experimentell, aber spannend. „Ocean (Without Any Waves)“ gehört mit zu den stärksten Songs der Band. Auf der EP ist es der temporeichste und eingängigste Track. Außerdem wird dieser Song sicherlich auf Konzerten eins der Highlights werden. Danach folgt „Reverberating“, der sich zu den tanzbareren RAZZ Songs zählen lässt und Richtung „Ohrwurm“ geht. Schlusslicht der EP bildet „Game“, der zu meinen derzeitigen Lieblingssongs gehört. Insbesondere dank der Live Session Version, die am Ende dieser Review verlinkt ist. Im Vergleich zu dem Rest ist der Song eher zurückhaltender Natur und braucht bei dem ein oder anderen ein vermutlich zweites, intensiveres Zuhören um dem Song die angemessene Wertschätzung entgegen bringen zu können.
Mit „Might Delete Later“ stellen RAZZ einmal mehr ihr großes musikalisches Talent unter Beweis. Musikalisch als auch textlich sind die Herren deutlich selbstbewusster geworden und trauen sich auch mal etwas zu experimentieren. Insgesamt wirkt die Band in jeglicher Hinsicht gereift und gefestigt – dennoch sind sie bodenständig und sympathisch geblieben, wie wir in einem Interview bereits erleben durften. Sie nehmen die bisherigen Erfolge als nicht selbstverständlich und ruhen sich auf diesen auch nicht aus. Durch „Might Delete Later“ setzt RAZZ die eigene Messlatte für das nächste Album (sowie die Tour 2022) merklich höher. Ich bin aber sicher, dass sie die Erwartungen voraussichtlich noch übertreffen werden und sofern zu dem Talent dieses kleine Fünkchen Glück dazukommt, werden sie in ein paar Jahren ganz vorn in der deutschen und eventuell auch internationalen Musiklandschaft mitspielen.
Tracklist
1969 – Conrad
Like You
Constant Flow
Ocean (Without Any Waves)
Reverberating
Game
Pressefoto / Credit: Martha Friedel