Ist man Kult, wenn man 4 Milliarden Klicks bei Spotify oder fast 60 Millionen Follower bei Instagram hat?
Oder ist man Kult, wenn man als Band ca. 100 Veröffentlichungen herausgegeben, 70 Millionen Tonträger verkauft, ein ganzes Musikgenre geprägt hat und seit über 50 Jahren im Musikbusiness tätig ist? Zu letzterem gehören für mich definitiv Tangerine Dream. Ich durfte sie im Zuge ihrer aktuellen Tour in der Hamburger Laeiszhalle sehen und hören. So ganz wusste ich trotzdem nicht, was mich erwarten wird.
Die Pioniere der elektronischen Musik, Tangerine Dream, standen am Anfang ihres Schaffens für ausufernde Klangexperimente – oft über ein bis zwei Schallplattenseiten lang, später kamen eingängigere Songs hinzu. Das wohl bekannteste Stück ist Das Mädchen auf der Treppe, die Anfangsmelodie eines Tatort-Krimis.
Das Konzert in Hamburg begann mit einer Begrüßung durch Thorsten Quaeschning, dem musikalischen Leiter der Band. Dies sollte tatsächlich auch die einzige Ansage des Abends bleiben. Er sagte es werden alte, neue und ganz alte Songs gespielt und es soll auch Platz für einen gejammten Part geben. Der Konzerteinstieg war sphärisch mit Synthesizerflächen, aber so sollte es nicht weitergehen, denn die Beats ließen nicht lange auf sich warten. Es gab nur wenige Pausen, um die Musik mit Beifall zu würdigen, oft gingen die Stücke ineinander über.

Prägendes Stilmittel waren Synthieflächen und ausgedehnte Arpeggiator Linien, die von Paul Frick in DJ Manier moduliert wurden. Als dritte im Bunde setze Hoshiko Yamane an der Geige Akzente. Nach gut eindreiviertel Stunden verließ die Band die Bühne, um nach Standing Ovations und ordentlich Applaus noch einmal zurück zu kehren und eine mehr als halbstündige Zugabe darzubieten.

Nach meinen Rockkonzerten in diesem Monat (Frog Leap in der Markthalle, Twenty One Pilots in der Arena und Spooky Blues im Kranhaus Elmshorn) war der Abend das absolute Kontrastprogramm, aber ich bin sehr gut unterhalten worden, trotz fehlendem Moshpit und „Eskalation“. Man muss sich eben auf die Musik einlassen! Dies war an dem Abend aber gut möglich, natürlich auch dank der Visuals und der relativ einfachen, aber effektvollen und auf den Punkt gebrachten Lichtshow. Die drei Musiker:innen hatten sichtlich Spaß am Set und waren dankbar, dass immer wieder so viele Leute zu ihren Konzerten kommen.
Text: Manfred Lippke
Fotocredits: Johanna Lippke