Der Mann, der Popgeschichte schrieb
Pünktlich um 20.15 betritt Lionel Richie die Bühne der (ausverkauften) Barclays Arena in hellem Jackett und mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. Man kann es kaum glauben: Der 76-Jährige fühlt sich an wie 50, so mitreißend ist sein Groove und man könnte glatt denken, dass er es heute war, der die Sonne nach Hamburg brachte. Sofort rollt ein Meer aus Erinnerungen auf das erwartungsvolle Hamburger Publikum zu. Mit über 125 Millionen verkaufter Alben gehört Lionel Richie immerhin zu den erfolgreichsten Künstlern der Popgeschichte und kaum jemand kennt nicht mindestens 5 seiner Hits.
Wenn Hits deine Seele berühren
In Hamburg startet er seine „Say Hello to the Hits“-Tour dann gleich auch stilecht mit einem Welthit, der sanften Ballade „Hello“ – Schon mit den ersten Takten zerspringt die Barclays Arena in tausend Erinnerungs-Splitter: Erinnerungen an endlose Sommer, erste Liebesbekundungen, nicht endendwollende erste Küsse und Discokugeln. Ein Auftakt, der beweist: Diese Show wird mehr als ein nur Konzert, sie ist eine Zeitreise in die Ära, die unsere Herzen prägte.
Iggy Kelly – Pop mit Herzblut
Bevor Lionel Richie loslegt, eröffnet Iggi Kelly (Sohn der Kelly-Family-Ikone Patricia Kelly) kühn, frisch, mit jungem Elan – zwischen klassischer Pop-Struktur und jugendlicher Leichtigkeit. Es ist ein starker Support: die Stimme klar, die Band tight – bereits mit 14 unterschrieb er als jüngster Songwriter bei Warner/Chappell, mit 15 folgte ein Vertrag bei Universal Music – und seine poppigen Mitsingnummern wecken im Saal erste Sommer- und Tanzgefühle – die perfekte Einstimmung für Lionel Richies Hit-Feuerwerk.
Commodores und mehr: Richies Karriere
Richie gehört zu den wenigen Künstlern, deren Karriere über Jahrzehnte hinweg popkulturelle Echos erzeugt. Mit den Commodores lieferte er Funk- und Soul-Meilensteine wie „Sail On“, „Still“ oder „Three Times a Lady“, die selbst Skeptiker berührten. Nahtlos ging seine Solokarriere weiter – unvergessliche Hymnen wie „Say You, Say Me“, „All Night Long“, „Penny Lover“ und „Dancing on the Ceiling“ fanden ihren Weg in Millionen von Herzen. Mit seinem sanften Stimmvolumen berührte er in dieser Zeit Millionen von Herzen – kein Wunder, dass er heute als einer der erfolgreichsten Balladensänger überhaupt gilt. Er schrieb und produzierte sogar für andere: 1980 verhalf er etwa Kenny Rogers mit dem Song „Lady“ zum Hit. Später folgten das Duett „Endless Love“ (mit Diana Ross) und der Charity-Ohrwurm „We Are the World“ (1985, gemeinsam mit Michael Jackson geschrieben) – letztere verkaufte allein über 20 Millionen Exemplare. Heute Abend wirkt er nicht wie ein älterer Star, sondern wie ein Musiker, der nie aufgehört hat, sein Publikum zu lieben.
Wenn Hits deine Seele berühren
Was Richie heute abliefert, ist pure Hitdichte. Nach dem sanften Einstieg mit „Hello“ nimmt er kein Tempo raus: Es folgen „Running With the Night“ und die gefühlvollen Medleys „Easy / My Love“ und „Penny Lover“, die sofort wieder Teenager-Herzen höherschlagen lassen. Jeder Song ist ein Volltreffer! Lionel weiß genau, was seine Fans wollen: eine musikalische Zeitreise ohne Brüche.
Schlag auf Schlag geht es weiter: „Se La“ bringt die tanzbare Leichtigkeit der 80er, „Stuck on You“ die romantische Ruhe zurück. Dann knallt der Funk: Im Medley „Brick House/Fire“ gehen sofort alle Beine mit, ehe mit „Three Times a Lady“ wieder die Tränendrüse gedrückt wird. Sogar sein frühes Commodores-Medley „Fancy Dancer/Sweet Love“ und den Kenny Rogers Hit „Lady (You Bring Me Up)“ lockt freudige Lacher und Mitklatschen hervor. Bei all dem wird nicht einmal tief durchgeatmet – Hits nonstop vom ersten bis zum vorletzten Ton. Man sitzt wie am Plattenspieler – nur dass hier heute über 20 Meilensteine in Serie präsentiert werden. Jeder Song fällt dabei wie eine Vinyl-Rille genau ins Schwarze. Es ist, als halte man ein Best‑Of-Doppel-Vinylalbum in den Händen, das wirklich nie langweilt. Kein Schnickschnack, kein Experiment: nur Musik, die zählt.
Letzter Vorhang? Niemals!
Die Songs wirken fast organisch ineinander übergehend. Kaum ist einer zu Ende, setzt Richie schon beim nächsten an. „My Destiny“ und „Say You, Say Me“ feuern die Stimmung weiter an, bevor es wieder emotional wird: „Truly“ und „Endless Love“ bringen Herzen zum Schmelzen, begleitet von tausenden Glitzerlichtern im Publikum. Auch dabei erzählt Richie kurz die Geschichte zum Song – und du bist mittendrin: Dieses vertraute Gefühl, wenn die Playlist zu deinem Liebesleben geworden ist. Alle Blicke im Saal sind gebannt, wenn allein seine Stimme für Gänsehaut sorgt. Später lässt er mit „Dancing on the Ceiling“ und einem kurzen „Jump“-Snippet noch einmal die Hüften kreisen, bevor „Still“ Ruhe einkehren lässt. Mit „Say You, Say Me“ und vor allem dem Charity-Welthit „We Are the World“ appelliert er an Zusammenhalt – eine nachhallende Botschaft in Zeiten des schnellen Konsums. Das Publikum schmetterte begeistert WE ARE THE WORLD mit – ein kleines großes Lied über Menschlichkeit, den Richie selbst mit Michael Jackson schrieb. Bei diesem Moment wird klar, dass der Abend eine tiefere Bedeutung hat: Richie ruft in die Menge „Ihr seid das beste Beispiel für das Menschsein … Wir sind eine Familie!“.
Showmaster und Entertainer
Zwischen den Songs ist Richie kein distanziertes Idol, sondern ein Erzähler. Er lacht über seine erste Begegnung mit Michael Jackson, erzählt von Diana Ross mit leuchtenden Augen und berichtet von den Tränen, als „We Are the World“ für eine bessere Welt stand. Seine Anekdoten übersetzen Geschichte in greifbare Emotion – und geben uns das Gefühl, Augenzeugen wahrer Musikgeschichte zu sein.
Er wirkte, als ob jeder Ton, jedes Lächeln und jeder Blick persönlich gemeint war. Als ob der Saal seine Bühne ist – und wir alle Stars dieses Abends. Richie hat uns zurück zu uns gebracht. Und mit der ultimativen Zugabe „All Night Long“ warfen wir letzte Reserven in den Ring – nur um festzustellen: Wir wollten nie aufhören.
Fazit – was bleibt, ist … Gänsehaut
Wenn Lionel Richie zwischen Funk, Soul und Ballade wechselt, spürte man: Musik kann Schmerz lindern, Sehnsucht stillen, Gemeinschaft stiften. Die erste große Liebe scheint zurück im Raum zu tanzen. Du erinnerst dich an lange Sommernächte, einen ersten Kuss und endlose Telefongespräche. Dieser Abend in der Hamburger Barclays Arena war wie eine berührende Umarmung: vertraut, sanft und unglaublich intensiv. Man spürte, wie sich jede Falte im alten Ohrensessel der Gefühle öffnet und du einen Fremden neben dir genauso gernhaben möchtest wie das kleine Herz im Lied. Hamburg feiert ihn. So wächst aus guten alten Erinnerungen ein Abend, der mehr ist als nur Show.
Fotocredit & Review: Thomas Friedel Fuhrmann