Temperaturen bis 39 Grad sind für den Festival-Samstag beim Mallorca Live, dem größten Festival der Balearen, gemeldet. Doch den beiden Hauptacts ist das Wetter in Bezug auf ihre Outfit-Wahl herzlich egal – was vermutlich die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen darstellt.
Zum einen ist da der 78-jährige „Godfather of Punk“ Iggy Pop, zum anderen die vor allem von jungen Fans gefeierte 28-jährige katalanische Trapqueen Bad Gyal. Iggy Pops Markenzeichen ist seit jeher sein Auftritt mit nacktem Oberkörper – und seiner Meinung nach gibt es kein vorgeschriebenes Alter, ab dem man diesen nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen dürfe. Diese Haltung zieht er kompromisslos durch, egal ob bei 3 oder 30 Grad. In Calvià startet er seine Show beim diesjährigen Mallorca Live Festival wie gewohnt mit einem Crowdwalk und persönlicher Fan-Begrüßung. Trotz offensichtlicher körperlicher Gebrechen legt er eine rohe, kraftvolle Show hin, unterstützt von Bläsern und der Keyboarderin Joan As Police Woman, die als gefeierte Solokünstlerin auch mit Legenden wie Lou Reed oder Beck auf der Bühne stand. Über die Hälfte des Sets besteht aus Stooges-Krachern. Iggy lebt.
Nach Iggy Pops Auftritt auf der Hauptbühne begeistern die New Yorker Spacepop-Pioniere Mercury Rev auf der anderen Bühne mit sphärischen Klängen, die das Publikum auf eine psychedelische Klangreise mitnehmen. Gegen Ende ihres Sets wird ein Zitat von Lao Tse eingeblendet: „Use the light that is in you.“
Zurück auf der Hauptbühne heizt die katalanische Trapqueen Bad Gyal dem Publikum mit knappem Outfit, energiegeladenem Set und jeder Menge Twerking ordentlich ein. Bekannt wurde sie unter anderem durch ihre katalanische Coverversion von Rihannas Hit „Work“ namens „Pai“. Ihre Autotune-Performance wird von den Fans ebenso frenetisch gefeiert wie die Punk-Ikone Iggy Pop zuvor. Same same but different also. Aus generationsübergreifender Sicht gibt es eine glatte 10 von 10 für das Festival-Booking.
Generell bleibt anzumerken, dass sowohl etablierte Künstler wie die Headliner des Festivalfreitags, die Trip-Hop-Pioniere Massive Attack – die ihren einzigen Gig in Spanien dieses Jahr mit einer spektakulären audiovisuellen Show spielen – sich auf insgesamt vier Bühnen mit vielversprechenden Newcomer-Talenten die Klinke in die Hand geben. Für jeden Geschmack ist etwas dabei an den drei Festivaltagen. Und da kann man auch verschmerzen, dass sich die verschiedenen Bühnen teilweise gegenseitig in Sachen Lautstärke zu übertreffen versuchen.
Der charismatische Suede-Frontmann Brett Anderson merkt das mit einem Augenzwinkern an – und nutzt die Situation eher, um das ohnehin schon begeisterte Publikum noch weiter anzuheizen:
„We have a direct competition between dance & rock music here – but there’s no competition, isn’t it?“
Die Britpop-Band vor dem Britpop, gegründet 1989, liefert Hit auf Hit und wird vor allem von den zahlreich angereisten Engländern frenetisch gefeiert.
Die spannendste Neuentdeckung auf dem Festival ist die spanische Punkrock-Band Biznaga, deren Auftritt nicht nur musikalisch, sondern auch optisch an The Clash erinnert – ein energiegeladener Auftritt mit authentischer Punk-Attitüde.
Auch abseits des Line-ups überzeugt das Festival: Die von dem auf der Insel lebenden und 2025 von Forbes ausgezeichneten Designer Pablo Erroz entworfene Mallorca-Bühne feiert die mallorquinische Kultur, Kreativität und Tradition. Im Anschluss an das Festival werden unter den Besuchern 100 Tote Bags verlost, gefertigt aus der recycelbaren Bühnenplane – ein Stück nachhaltiger Festivalgeschichte zum Mitnehmen.
¡Hasta el próximo año, Mallorca Live!
Fotocredit: Offizielle Grafik
Review: Katharina Försch