Wie kann ein Album, welches mitten in der Pandemie entstanden ist, so positiv klingen? Welcher Song ist die stachelige Rose und welcher gleicht einer Sonnenblume? Wurde schon mal an ein Ende der Band gedacht? – das sind alles Fragen, denen sich Donots-Frontmann Ingo im Interview mit unserer Redakteurin Pia zum neuen Album „Heut ist ein guter Tag“ gestellt hat und sie mit Bravour beantwortet hat.
Frontstage Magazine: Hey Ingo, schön, dass wir hier zusammen gefunden haben! Vorab mal die Frage: Weißt du noch, wo du am 30. Mai 2010 warst?
Ingo: 2010… das ist das „Long Way Home“– Jahr. Da stand ich wahrscheinlich auf einer Bühne. Ähhhm ich wüsste jetzt nicht genau wo aber ganz sicher für die Long Way Home Tour.
Frontstage Magazine: Kleiner Tipp: das war in Hannover in der Tui Arena.
Ingo: Ach Support für die Hosen oder?!
Frontstage Magazine: Ne!
Ingo: Dann Green Day!
Frontstage Magazine: Genau, Green Day waren es! Das war nämlich mein allererstes Konzert von euch, deswegen wollte ich mal dein Gedächtnis testen. Ich kannte euch damals noch nicht aber ihr habt mich überzeugt, bis heute dabei geblieben!
Ingo: Also wenn das Konzert dazu geführt hat, dass wir heute hier eine Zoom-Konferenz haben, dann ist mein Leben ein Gutes!

Frontstage Magazine: Fangen wir mal ganz vorne an, nämlich mit der Optik vom Album. Wolltet ihr uns da versteckt was durch die Blume sagen oder wie ist diese Idee mit dem Blumenstrauß entstanden?
Ingo: Ob du’s glaubst oder nicht, das ist ein Zufallstreffer. Wir haben natürlich schon mit dem Gedanken gespielt, dass das Artwork eine ähnliche Leichtigkeit haben soll, wie das Album an sich. Wie die Musik die darauf transportiert wird. Wir wollten einfach kein Album machen, das so klingt als wär da Corona gewesen. So ein Betroffenheits-Album, was so tonnenschwer ist, wenn die Leute sowieso gerade drei Jahre durch die Scheiße gelaufen sind, weißt du? Dann muss man darüber nicht noch singen. Da hat glaube ich keiner Bock drauf und diese Leichtigkeit, dieses positive Grundgefühl, welches auch der Titel mit sich bringt, sollte sich natürlich auch irgendwie im Albumcover widerspiegeln.
Ich hab dann in Köln, in Ehrenfeld beim Spazieren gehen so Street-Art gefunden. So in dicken Lettern an die Wände geklatscht, da war jeden Zeile unterstrichen und das fand ich so markant, dass ich rausfinden wollte: wer ist das? Irgendwie hab ich dann rausbekommen, das ist ein Typ namens Pusher Tony und hab den mal gefragt, ob er das Aŕtwork für „Heut ist ein guter Tag“ machen will und er hat dann zugesagt. Dann sind wir wiederum mit Danny Kötter, The Zitterman, nennt der sich auch, das ist ein befreundeter Konzertfotograf, durch die Gegend gelaufen und haben Promofotos gemacht und ich hab halt am Abend vorher gesagt: „Lass uns mal nen Blumenstrauß besorgen, das sieht bestimmt ganz nett aus auf Fotos.“ Dann sind wir von einem Set zum nächsten gelaufen. Es war recht schönes Wetter an dem Tag und ich hab dann zu Danny irgendwann gesagt: „Pass mal auf: du hast jetzt nur ein Foto, ich halt diesen Blumenstrauß in die Luft und wetten, das wird das Albumcover?!“
Er hat ein Foto gemacht und das ist es dann geworden.
Frontstage Magazine: Dann sollte das so sein! Springen wir mal zur nächsten Frage: du meintest zwar, das Albumcover ist eher aus Zufall entstanden aber vielleicht kannst du ja trotzdem ne Antwort drauf geben. Der Coverblumenstrauß besteht ja aus ner bunten Mischung. Welcher Song vom Album ist denn vergleichbar mit der stacheligen Rose, welcher ist das blaue Veilchen und welcher ist vielleicht die strahlende Sonnenblume?
Ingo: Ah das ist aber eine schöne bildliche Frage – das mag ich!
Lass mich mal überlegen, also ich glaub die stachelige Rose ist auf jeden Fall „Auf sie mit Gebrüll„. „Hey Ralph“ wäre dann wohl unser Sonnenblumensong, den finde ich wirklich sehr sonnig!
Frontstage Magazine: Absolut!
Ingo: Da geht’s natürlich um diesen ewigen Verlierer namens Ralph als Grundmotiv aber diesen Funken Hoffnung, diesen Funken Sonne, der in dem Song rüberschwingt, den braucht du einfach. Sonst würdest du ja an der Welt verzweifeln! Und dazwischen reihen sich halt alle anderen Songs irgendwie ein und da sind dann auch so Songs, die man vielleicht erstmal so nicht von uns erwarten würde. „Es tut nur weh, wenn ich lache“ – eigentlich ein Song der ziemlich irre ist, der aber auch genau neben so einem Stadion-Romatik-Song wie „Hunde los“ stehen kann. Das find ich sehr schön, weil dieser Blumenstraß, wie du es richtig beschreibst, ist aus ganz vielen verschieden Blumen zusammengewürfelt aber trotzdem bei der Tanke gekauft.
Frontstage Magazine: Ich find auch, das ist ein sehr schöner Strauß, den ihr da zusammengestellt habt!
Ingo: Danke!
Frontstage Magazine: Sehr gerne! Wir waren ja jetzt eben schon beim Song „Hey Ralph„. Aus dem Track geht auf jeden Fall hervor, in jedem von uns steckt ein bisschen Ralph. Jeder hat mal ne schlechte Phase, jeder hat mal Pech im Leben aber dann geht’s auch irgendwie wieder bergauf. Mich würde jetzt interessieren: hattet ihr einen konkreten Ralph vor Augen, der für den Song herhalten musste?
Ingo: Also da muss ich erstmal ein bisschen vorgreifen und sagen, dass wir mit Kurt Ebelhäuser und Michel Wern, die so in Produzenten-Doppelspitze das Album gemacht haben, zwei Leute am Start haben, von denen wir gelernt haben, den Moment einzufangen. Das heißt, wir wussten morgens meistens noch nicht, was wir abends auf Band haben. Dann haben wir uns von den Demos, die hauptsächlich Guido mitgebracht hat, inspirieren lassen und von der Pike auf neu geschrieben. Um so diesen Moment einfach einzufangen und immer wenn ein Grundgerüst fertig war, dann haben wir ein Mikro auf das Mischpult gelegt und dann hat’s immer geheißen: Open-Mic Session. Wer auch immer ne Gesangsidee hat, go!
Guido hatte dann diese Melodie zu „Hey Ralph“ und hat dann aus Ermanglung eines Textes ein Telefongespräch, was er am Abend vorher hatte genutzt. Und das war mit seinem Kumpel Ralf und zu diesem hat Guido dann am Telefon wortwörtlich gesagt: „Hey Ralf, ich weiß dein Jahr war schlecht aber glaub mir mal in echt, das nächste das wird gut.“. Dann war das fertig und wir dachten, dass ist irgendwie total geil aber das können wir nicht machen, das ist ja schon fast Schlager…
Weißt du im Schlager heißen ja ganz viele Songs „Roswitha, Eva, Anita“… und so weiter. Jetzt haben wir auf einmal auch so einen Ralf dastehen. Aber dann haben wir gedacht, wenn wir das jetzt so richtig einbetten, mit dem klassischen Loser-Motiv, was ja einfach ein Punk-Motiv ist, dann geht das halt schon wieder! Das einzige was wir geändert haben ist, dass der Ralf den Guido kennt mit „f“ geschrieben wird und wir fanden dann mit „ph“ sieht schöner aus.
Frontstage Magazine: Nicht, dass euch der Ralf mit „f“ das übel nimmt!
Ingo: Das hoffe ich, mit doppel „ph“ nicht! (lacht)
Frontstage Magazine: Es sind ja auch mal wieder Feature Songs auf dem Album gelandet. Zwei um genau zu sein. Was verbindet ihr denn mit den Künstler*Innen, die da zu hören sind?
Ingo: Sarah De Castro, ich nehm die mal vorne weg, die auf „Es tut nur weh, wenn ich lache“ keift, beeindruckend, wirklich! Die hat auch öfter mit dem Kurt aufgenommen und die beeindruckt uns total. Die hat damals in der Punkband Bubonix gesungen bzw. da war sie die Shouterin und hat wirklich mehr geschrien als alle anderen in der Band. Ehrlich gesagt haben wir so viel Geschrei, Gekeife und Attitüde selten in all den Jahren mit den Donots in irgendeiner Band gesehen. Da haben wir bei unserem Song sofort gesagt, also wenn es ein Feature gibt, dann muss das Sarah sein. Die ist so arschcool!
Jörkk Mechenbier ist quasi sowas wie ein „brother from another Nachbar“ wenn man so will. Uns wird auch öfter attestiert, dass wir uns durchaus auch ähnlich sehen und ähnlich irre auf der Bühne sind. Er ist mir einer meiner liebsten Frontmänner in ganz Deutschland. Es gibt kaum jemanden, der lustiger, gewitzter und schrulliger ist auf der Bühne. Abgesehen davon ist Jörkk ein wahnsinnig umtriebiger und sau-sack-sympathischer netter Kerl! Außerdem hat er eine sehr, sehr markante Art zu singen, das war ganz klar, dass wir den da fragen werden.
Frontstage Magazine: Also ein Feature, was quasi längst schon überfällig war. Jetzt mal zurück zur Albumverpackung. CD, Vinyl – ist ja klar! Aber jetzt auch noch auf Kassette, wie ist die Idee entstanden, hattet ihr Bock auf Donots-Bandsalat oder wolltet ihr diesen Tonträger einfach wieder zurück ins Leben katapultieren?
Ingo: Ach wenn du deine eigene Plattenfirma bist, dann hast du natürlich auch so ein bisschen die Verantwortung, dir aber auch den Fans draußen gegenüber, schöne Sachen abzuliefern. Das Album besteht ja aus mehr als nur Musik, der ganze visuelle Auftrifft und womit du das so mit leben füllst, dass kannst du ja auf ganze viele verschiedene Art & Weisen durchspielen. Und natürlich wir kommen aus einer Zeit, unsere Band hat angefangen, fünf Jahre bevor es das Internet gab.Wir kommen noch aus ner Zeit, wo wir wirklich vorm Radio gehangen haben und mitgetapet haben, wenn unsere Lieblingsrocksongs da liefen, weil du aufm Dorf gar nicht alles bestellen konntest. Es war irre damals, wenn du überhaupt nur irgendwo einen Plattenladen gefunden hast. dementsprechend haben wir uns gedacht: „Ey, lass und doch auch mal wieder Tapes machen, wie geil wär das denn!?“ Und tatsächlich kriegen wir auch von ganz vielen Leuten Screenshots geschickt mit den Worten: „Endlich macht mein Autoradio mal wieder Sinn!“.
Frontstage Magazine: Jetzt habt ihr ja nicht nur eure Riesenfangemeinde. Du hast Frau und Kinder. Auch deine Bandkollegen sind alle Väter. Wie bekommt ihr das denn immer alles so unter einen Hut?
Ingo: Das ist wirklich die größte Herausforderung! Du kannst das Ganze ja auch von zwei Seiten sehen. Natürlich fühlst du dich bei deiner Familie am wohlsten. Du möchtest mit deinen Kindern Zeit verbringen, du möchtest mit deiner Partnerin Zeit verbringen und mit der ganzen Familie eben. Das ist wunder, wunderschön! Das Schöne ist aber auch, dass wir so diese beiden Welten haben. Wir dürfen uns kreativ verwirklichen und damit unseren Lebensunterhalt bestreiten. Am Ende des Tages ist das, was wir haben natürlich ein 24 Stunden Hobby aber unser Beruf und der wiederum bedingt ja auch, dass wir unser Geld verdienen, womit wir unseren Familien ein Leben ermöglichen können. Da stehen wir die ganze Zeit in dem breitbeinigsten Spagat zwischen diesen Welten und müssen irgendwie versuchen, diese beiden zusammen zu bringen. Ich bin mir sicher, es ist super schwierig mit Menschen wie mir oder wie uns zusammen zu sein, weil es ist ja so, wenn wir von der Bühne gehen haben wir ja keine Stempeluhr und sind dann ja immer noch die Typen aus der Band, 24 Stunden lang. Da gibts ja noch so viel drumherum und das ist für mich wirklich der schwierigste Teil, wo ich mir wirklich sage: lass den fucking Rechner zu, das ist jetzt Family-Time. Das ist gar nicht so leicht! Und wenn wir dann noch touren sind wir zwei bis vier Wochen am Stück weg, dann kommen wir wieder in einen laufenden Familienbetrieb und bringen quasi mit unserer Anwesenheit alles durcheinander.
Frontstage Magazine: Ja da sind die Kinder dann schon wieder ein Stück gewachsen.
Ingo: Absolut!
Frontstage Magazine: Dann nochmal ein kleiner persönlicher Bezug zum Albumtitel „Heut ist ein guter Tag„. Was ist für dich ein guter Tag?
Ingo: Klingt zwar super kitschig aber tendenziell ist jeder Tag für mich ein guter Tag! Wenn man ganz demütig mal auf alles schaut, was man hat und was einem auch geschenkt ist, in Zeiten wie diesen. Zu wohnen, wo einem nicht Bomben auf den Kopf fallen, wenn man aus der Haustür geht, ist ein Riesenprivileg. Die Kinder sind kerngesund. Das sind alles so Dinge , wenn man sich die mal so vor Augen führt, dann ist jedes Alltagswehwehchen scheißegal! Natürlich ist nicht jeder Tag geil und es gibt Dinge die einen nerven, aber letztendlich ist alles gut so wie es ist!
Klar, wenn ich mir den perfekten Tag zusammen bauen könnte, dann hätte ich viel Zeit mit meiner Familie, ich würd ein tolles Konzert mit den Donots spielen, es gäb ne super Feierei, ich hätte zwischendurch Zeit joggen zu gehen, meine Lieblingsmucke zu hören, bisschen Videospiele zu zocken, weil ich ein totaler Zockernerd bin, es wäre die ganze Zeit Musik da und alle würden sich gut verstehen! Und zu guter Letzt: es gäbe nen Zapfhahn mit Freibier!
Frontstage Magazine: Hört sich fein an, allerdings bräuchte der Tag da etwas mehr als 24 Stunden.
Ingo: Ja leider! Und starten müsste der Tag übrigens mit Kaffee, ganz klar!
Frontstage Magazine: Was mich ja total fasziniert, ist das Video zum Song „Längst noch nicht vorbei„. Also der Song natürlich auch aber, im Video werdet ihr von Handpuppen begleitet, die euch fünf darstellen und ich find’s unglaublich, wie gut die getroffen sind. Da musst du mir jetzt natürlich verraten, wessen Idee war das, wer hat die gemacht?
Ingo: Ja irre, oder? Es gibt einen Fan von uns, der heißt Florian Thiel, der ist aus Leidenschaft Puppenbauer, liebt die Muppets und Konsorten und der hat irgendwann mal eine Puppe von Guido gemacht.Die hat er uns dann die letzten Jahre präsentiert und wir waren völlig baff und konnten es überhaupt nicht fassen! Der benutzt auch diesen origanalen Filz wie eben auch bei den Muppets und dann meinten wir: „Wie geil, eigentlich müsste es das von uns allen geben!“. Dann hat er angefangen uns alle zu basteln, dann waren sie irgendwann fertig und uns war klar: das muss ein Musikvideo werden und jetzt ist es endlich soweit!
Frontstage Magazine: Bleiben wir doch mal beim Titel „Längst noch nicht vorbei„. der schreit ja eigentlich danach, dass ihr noch lange weitermacht. Aber wart ihr im Laufe eurer Karriere auch schon mal an einem Punkt, wo ihr dachtet, irgendwann muss auch mal Schluss sein?
Ingo: Eigentlich bis jetzt nicht wirklich, ne. Das ist auch einfach das Schöne daran, dass wir so wunderbar wenig planen. Uns macht das einfach von Jahr zu Jahr immer noch viel zu viel Spaß! Auch gerade seitdem wir mit unserem eigenen Label arbeiten, wir sind unser eigenes Management, haben unser eigenes Studio, eigene Plattenfirma und so weiter und so fort. So macht das einfach immer nochmal mehr Spaß! Wir haben einfach festgestellt, wir wollen nur das machen, wir können nur das machen und das bedeutet uns viel zu viel! Und solange wir nicht das Gefühl haben, wirklich auf die Bühne zu gehen und nur noch abzuliefern, weil wir müssen, hauen wir auch nicht in Sack!
Frontstage Magazine: Also „Längst noch nicht vorbei“ ist das Motto?
Ingo: Absolut!
Fotocredit: Danny Kötter