Mit ihrer neuen EP „Heiter Weiter“ meldet sich die Band Fluegge zurück – lauter, wütender und gleichzeitig nachdenklicher denn je. Was einst als Akustik-Duo begann, hat sich zu einer vollwertigen Punkband entwickelt, die ihre ganz eigene Mischung aus Emo, Indie und Punk gefunden hat. Doch bei aller musikalischen Energie bleibt der Blick auf die Welt stets scharf – ob es um persönliche Krisen, gesellschaftliche Spannungen oder das fragile Gleichgewicht dazwischen geht. Im Gespräch mit uns dem Frontstage Magazine sprechen Flügge über die Ironie hinter dem Titel der neuen EP, den kreativen Wandel durch neue Bandmitglieder und die Herausforderungen, Musik und Alltag unter einen Hut zu bringen – ehrlich, reflektiert und mit genau dem Galgenhumor, der sich durch das neue Werk zieht.
Frontstage Magazine: Eure neue EP trägt den Titel „Heiter Weiter“ – ein fast schon optimistischer Titel für eine Band, die sich zwischen Melancholie und Punk bewegt. Was bedeutet der Titel für euch persönlich und musikalisch?
Flügge: „Heiter Weiter“ ist ironisch gemeint – das merkt man schnell, wenn man sich die Songs und Texte anhört. Das ist eher ein Augenzwinkern in Richtung Realität. Persönlich steht der Titel für mich auch sinnbildlich für den Umgang mit all den politischen und gesellschaftlichen Krisen da draußen. Es fühlt sich oft absurd an, einfach weiterzumachen, aber genau das tun wir – irgendwie. Zwischen Resignation, Wut und Hoffnung entsteht dann sowas wie Galgenhumor. Und der steckt in diesem Titel.
Frontstage Magazine: Mit der neuen EP erscheint zum ersten Mal Musik von euch in voller Bandbesetzung. Wie hat sich das Songwriting und der Sound durch die neuen Mitglieder verändert?
Flügge: Es hat sich einiges verändert – allein dadurch, dass wir nicht mehr nur mit zwei Akustikgitarren unterwegs sind. Die Songs haben jetzt viel mehr Druck und Tiefe bekommen. David am Schlagzeug und Jan am Bass machen das Ganze erst richtig rund. Das Songwriting beginnt meistens bei mir – zu Hause, unterwegs, manchmal auch einfach im Kopf. Ich sammle Sätze, kleine Geschichten, Gesprächsfetzen… und wenn daraus eine Idee wird, bring ich sie mit in den Proberaum. Dort entsteht dann das eigentliche Lied. Uns ist wichtig, dass jeder sich einbringen kann. Es geht nicht darum, dass eine fixe Idee durchgezogen wird, sondern darum, gemeinsam etwas draus zu machen. Erst dadurch wird’s wirklich ein Fluegge-Song.
Frontstage Magazine: Ihr beschreibt euren Stil als Emo-Indie-Punk – eine spannende Mischung. Wie entstehen bei euch die Songs, und wie bringt ihr diese verschiedenen Einflüsse unter einen Hut?
Flügge: Unser Sound ist wahrscheinlich so durcheinander wie unsere Plattensammlungen. Emo, Indie, Punk und vieles mehr – das sind alles Schubladen, aber irgendwie passen sie halt alle. Die Songs entstehen meistens aus einem Gefühl heraus. Wenn dann eine Zeile oder ein Akkord da ist, entwickelt sich schnell eine Stimmung, die den Rest vorgibt.
Was musikalisch draus wird, hängt auch stark davon ab, was bei uns allen gerade im Kopf los ist. Mal braucht es Wucht und Tempo, mal eher eine fragile Stimmung. Wir versuchen nicht, die Einflüsse zu glätten – wir lassen sie nebeneinander existieren. Dadurch wird’s manchmal sperrig, aber ehrlich.
Und natürlich prägen auch die Leute den Sound: David kommt eigentlich eher aus den verschiedenen Metal/Rock Bereichen und bringt extrem wandlungsreiche Drum-Skills mit, Adolfo ist ein krasser Sologitarrist mit Hang zu abgefahrenen Effekten, und Jan ist nicht nur ein Bassist, sondern auch Musikproduzent. Er bringt viel Erfahrung aus verschiedenen Genres mit. All das fließt mit rein – und macht am Ende diesen Mix aus, den man schwer benennen, aber ziemlich gut fühlen kann.
Frontstage Magazine: Viele eurer Texte handeln von persönlichen Krisen, dem Alltag und auch gesellschaftlichen Themen. Gibt es auf „Heiter Weiter“ ein Stück, das euch emotional besonders viel bedeutet?
Flügge: „Woanders besser sein“ bedeutet mir persönlich besonders viel. Den Song hab ich schon vor ein paar Jahren geschrieben – er handelt von Menschen, die irgendwie im Alltagsgrau festhängen. Manche könnten etwas verändern, tun es aber nicht. Andere würden gerne, können aber nicht. Dieses Dazwischen, dieses Unentschiedene – das hat mich beim Schreiben sehr bewegt und tut’s auch heute noch. Es ist kein lauter Song, aber einer, der lange nachhallt.
Frontstage Magazine: Seit eurer ersten EP 2018 hat sich viel getan – vom Akustik-Duo zur kompletten Punkband. Was war für euch der größte Schritt oder die größte Herausforderung auf diesem Weg?
Flügge: Der größte Schritt war wahrscheinlich, den Mut zu haben, das Ganze größer zu denken – also nicht mehr nur als kleines Herzensprojekt zu zweit, sondern als richtige Band. Das heißt: loslassen, Kontrolle teilen, Verantwortung abgeben – und gleichzeitig mehr daraus machen.
Die größte Herausforderung war (und ist) dabei, all das mit dem Alltag zusammenzubringen. Wir haben Jobs, Verpflichtungen, Leben. Und trotzdem halten wir uns diese Band frei – als Raum, in dem wir sagen können, was sonst keinen Platz hat.
Manchmal dauert es länger, bis ein Song fertig wird. Manchmal ist die Energie im Proberaum so gut, dass alles von allein fließt. Aber egal wie: Wir wachsen dran. Und rückblickend war jeder Schritt wichtig – auch die schwierigen.
Fotocredit: Sophia Busch