Mitten im Festivalsterben ein neues DIY-Event starten? Klingt mutig – und ist es auch. Doch genau das wagen die Macher*innen des Fairweather Fest. In Bremen entsteht mit dem Fairweather Fest ein nicht-kommerzielles, leidenschaftlich kuratiertes Festival, das sich über drei Clubs im Viertel erstreckt und sich klar von der üblichen Musikindustrie-Drehbühne abgrenzt. Zwischen Punk, Hardcore und Indie, internationalem Line-up und Szene-Support will das Festival nicht nur Konzerte bieten, sondern auch Gemeinschaft stiften. Wir haben mit den Mitbegründern Laurin Rutgers und Claas Reiners über Idealismus, Inspiration und die Herausforderungen des ersten Festivaljahres gesprochen.
Frontstage Magazine: Hi, danke für eure Zeit. Ihr habt mit dem Fair-Weather-Fest ein neues Festival ins Leben gerufen. Dabei hört man oft vom Festivalsterben. Wie mutig seid ihr?
Laurin Rutgers: Danke, dass ihr uns die Möglichkeit gebt, an dieser Stelle über unser Festival zu sprechen.
Claas Reiners: Wahrscheinlich sehr mutig, aber es fühlt sich nicht so an.
Laurin Rutgers: Man kann es Mut nennen, gepaart mit etwas Naivität und viel zu viel Idealismus, in diesen Zeiten ein komplett neues Festival auf die Beine zu stellen. Wir sind allerdings auch sehr realistisch und an die Sache herangegangen. Wir haben nur Bands eingeladen, die unsere Vision eines nicht-kommerziellen Festivals teilen, wir geben unser Herzblut in die Vorbereitung und Durchführung und wollen etwas zur Gemeinschaft und Szene beitragen.
Frontstage Magazine: Das Programm findet in 6 Venues in Bremen statt: Kulturzentrum Lagerhaus, Lila Eule & Calavera. Das hört sich schon fast nach einem Reeperbahn Festival für Punk an ohne den Musikindustrie-Teil. Wie kamt ihr auf die Idee?
Laurin Rutgers: Stimmt, nur bei uns wird es keine Konferenzen, Receptions mit schlimmen Business Small Talks oder Delegates geben, höchstens eine Krabbeldiewandhoch-Delegation im Eisen! Spaß beiseite, Yannic und ich sind vor allem durch unseren Besuch bei THE FEST in Gainesville, FL im Rahmen unserer US-Tour inspiriert worden ein Festival bei uns zuhause mit allen unseren Band-Friends in diversen Venues in Bremen zu veranstalten.
Claas Reiners: Im Gegensatz zu Yannic und Laurin war ich zwar noch nie bei THE FEST (obwohl ein Freund tatsächlich in Gainesville lebt), aber regelmäßiger Gast beim Booze Cruise Festival, was ja auf dem gleichen Prinzip aufbaut. So cool Hamburg auch ist, so groß und teuer ist es auch. Ich habe mir da schon immer vorgestellt, wie geil sowas in Bremen im Viertel wäre – kürzere Wege, günstigeres Essen, mehr tolle Orte zum zwischendurch, vorher oder nachher abhängen. Und nun gibt es das. Verrückt!
Frontstage Magazine: Habt ihr persönliche Geheim-Favoriten aus dem Line-Up?
Laurin Rutgers: Von unseren internationalen Gästen ist Emperor X immer ein absolutes Highlight, auf Flight Mode aus Oslo freue ich mich sehr, und die neue Hamburger Hardcore Hoffnung Glower sollte man nicht verpassen.
Claas Reiners: Ich wünsche mir vor allem, dass das Festival als Ganzes angenommen wird und ein gewisses Flair entsteht und das Publikum sich bestenfalls für den Opener genauso interessiert wie für die Headliner. Wir haben tolle Bands eingeladen und natürlich gibt es eine gewisse Reihenfolge, die die Bekanntheit der jeweiligen Gruppe widerspiegelt, das bedeutet aber nicht, dass nicht die zweite Band deine neue Lieblingsband sein könnte. Neben den Bands bietet das Steintorviertel viele Möglichkeiten sich aufzuhalten, Kaffee zu trinken, Falafel zu essen, einen Spaziergang an der Weser oder einfach ein Bier am Deich. Alles Fußläufig. Und natürlich haben wir wirklich schöne Clubs ausgesucht, die auch die gleichen Werte wie wir teilen und in denen Menschen arbeiten, die voll Bock auf das Fairweather Fest haben. Eine runde Sache also.
Frontstage Magazine: Laurin, du spielst ja auch mit deiner eigenen Band Phantom Bay. Was ist anders daran, auf dem eigenen Festival zu spielen?
Laurin Rutgers: Das wird dann aufgrund der ganzen Vorbereitung und dem Trubel kurz davor und am Festivalwochenende selbst fast etwas zur Nebensache! Nichtsdestotrotz: Phantom Bay spielt nicht wirklich häufig in Bremen, obwohl wir zur Hälfte hier wohnen, daher wird die Show sehr besonders sein. Wir haben sogar neue Songs dabei!
Frontstage Magazine: Welchen Akzent wollt ihr mit dem Festival setzen?
Claas Reiners: Neben guten Konzerten und einer Menge Spaß, wäre es total schön, wenn Menschen zusammenkommen, bestenfalls Freundschaften oder zumindest Bekanntschaften entstehen, die dann vielleicht über das Festival hinaus Bestand haben. Es wäre toll zu sehen, wenn eine Community entsteht, auch zwischen Besuchenden und Bands, die die gleichen Werte, Vorstellungen und Einstellungen teilen. Wenn das klappt, ist die Welt oder zumindest das Viertel für ein paar Menschen zumindest für ein Wochenende zu einem besseren Ort geworden. Damit wäre doch auch schon was erreicht.
Frontstage Magazine: Wie sehen die Hoffnungen, aber auch Sorgen einige Wochen vor dem Festival aus Sicht des Veranstalters aus?
Claas Reiners: Werden wir genügend Leute haben, damit meine ich helfende Hände und Besuchende. Wird das Catering klappen und allen schmecken, werden wir die Gelegenheit haben, auch ein paar Shows zu sehen oder wird die Orga an den Festival-Tagen so viel, dass gar keine Chance besteht? Klappt die Technik und vor allem: Werden nach zwei Tagen alle nach Hause gehen und denken, das war geil, hoffentlich nächstes Jahr wieder!?
Laurin Rutgers: Wir werden in Kürze neben den letzten Bands auch noch die Tages- und Venue Aufteilung veröffentlichen und Tagestickets in den Verkauf geben. Das erste Jahr als neues Festival ist immer schwierig, aber wir hoffen, in den letzten Wochen mit noch mehr Werbung und dem kompletten Lineup mehr Menschen zu erreichen und den Ticketverkauf weiter anzukurbeln. Auch wenn wir das alles ehrenamtlich machen, brauchen wir einiges an finanziellen Mitteln, um Venues, Bands, Personal, Werbung, usw. bezahlen zu können. Daher: Kauft euch jetzt ein Ticket hier! Wir werden in Kürze neben den letzten Bands auch noch die Tages- und Venue Aufteilung veröffentlichen und Tagestickets in den Verkauf geben.
Frontstage Magazine: Habt ihr Pläne, daraus eine regelmäßige Veranstaltung zu machen?
Laurin Rutgers: Wir wollen erstmal die erste Ausgabe unseres Festivals über die Bühne bringen. Gleichzeitig bekommen wir aber enorme Zuspruch seitens Besuchenden, Bands, Kulturschaffenden und generell Interessierten, und merken, dass es mehr Events dieser Art braucht. Daher werden wir 2026 in die zweite Runde Fairweather Fest gehen!
Tickets, weitere Infos und das komplette Line-Up findet ihr hier.
Fotocredit: Christian Turbobart