Lange haben wir gewartet, um endlich wieder Kultur in vollen Zügen genießen zu können. Mit von der Partie war eine Band aus Castrop-Rauxel, die in diesem Jahr als Headliner der Mountain Stage auf dem nach drei Jahren endlich wieder stattfindenen Hurricane Festival auftrat. Dort haben wir die beiden Frontmänner Nico und Kevin am Freitag vor ihrem Auftritt zum Interview getroffen. Bei den Jungs, die vielen wahrscheinlich noch unter Eskimo Callboy geläufig sind, läuft es aktuell wie geschmiert. Was gerade genau abgeht, erzählen sie uns im Interview mit unserer Redakteurin Jacky, in dem ebenfalls betont wird, welchen Weg sie hinter sich haben, aber auch, was in der Zukunft anliegt, was nicht weniger als die Veröffentlichung eines neuen Albums oder eine US-Tour mit Attack!Attack! ist. Zudem klären wir, wann man in Würde in den musikalischen Ruhestand gehen sollte, was Genregrenzen mit Selbstidentifikation zu tun haben und warum man Muskelkater haben kann.
Frontstage Magazine: Wir sind wieder da, wir sind wieder live, kurzum wir sind wieder auf Festivals! Wie fühlt ihr euch? Seid ihr happy wieder zurück zu sein?
Kevin: Jetzt gerade voll gestaubt, aber happy. Ist jetzt das vierte oder fünfte schon; letztes Wochenende noch zwei und davor zwei in UK. Fühlt sich geil an! Ich kann mich nicht beklagen.
Nico: Es ist schön. Man ist irgendwie immer so drei, vier Tage zu Hause, manchmal auch fünf und kann das Ganze so ein bisschen Revue passieren lassen, bevor es wieder los geht.
Kevin: Es ist wie Montage nur anders.
Nico: Andere Leute gehen in der Woche arbeiten und haben am Wochenende frei und bei uns ist es genau umgekehrt. Macht Bock.
Frontstage Magazine: Es ist toll, wenn die Atmosphäre dazu stimmt. Anfang Juni, hattest du es ja gerade angesprochen, wart ihr schon auf dem Slam Dunk Festival in UK und werdet bald in Australien auf dem Good Times Festival auftreten. Wie fühlt es sich an, auf einmal international so gefragt zu sein und nicht nur in Deutschland zu touren?
Kevin: Wir hatten bereits unsere internationale Erfahrung im Laufe der zehn Jahre, die wir das schon machen. Da gab es zum Beispiel in Japan, Russland oder die Ukraine. In Amerika waren wir auch schon oder in Südafrika. Aber man muss einfach sagen, dass es in den letzten zwei Jahren während Corona durch die Decke ging. Die Leute waren zu Hause, und was macht man da? Man guckt sich YouTube an und dann sind wir da auf einmal am Start, deswegen hat das alles ein bisschen zugenommen; wir haben da irgendwas richtig gemacht. Und das mit Australien ist natürlich jetzt so eine andere Bucket-List-Sache.
Nico: Ich war da auch persönlich noch nie. Ich glaube nicht, dass wir da viel sehen werden. Das sehe ich mit einem weinenden Auge. Aber einfach diese Tragweite mal anfassen zu können, wohin unsere Musik überall gewandert ist, ist schon geil.
Frontstage Magazine: Auf einmal ist es auf einem ganz anderen Level.
Kevin: Voll! Vor allem, wenn du dir überlegst, wie wir vor zehn Jahren in unserem Kämmerchen saßen und unsere Mucke gemacht haben, auch wenn das jetzt ein bisschen was anderes ist. Am Anfang erinnere ich mich aber noch, als wir aus unserem Kämmerchen rausgekommen sind, war eine der ersten Shows ein bisschen weiter weg Nienburg, irgendwo an der Weser. Da waren Leute, die unsere Shirts trugen und dann war das so „Krass, wir sind jetzt locker drei Stunden gefahren und auf einmal haben Leute unsere Shirts an, das ist ja der Wahnsinn!“. Und das jetzt einfach über den großen Ozean ist schon ein bisschen verrückt.
Frontstage Magazine: Ihr habt es auch gerade selbst gesagt, ihr habt irgendwas richtig gemacht. Hast du eine Idee, woher das kommt, dass es in den letzten Corona-Jahren wirklich so explodiert ist, Kevin?
Kevin: Das, was wir tun, haben wir ja schon immer gemacht und es war ja auch nie nicht erfolgreich. Wir können uns nicht beklagen, was wir in den letzten zehn Jahren so erlebt haben. Ich glaube aber einfach, dass diese negative Zeit, die hinter uns liegt, Gott sei Dank hoffentlich, dass das umso mehr in den Augen der Leute wichtiger gemacht hat, dass einfach auch gute Zeiten mal wieder fällig werden. Es ist doch schön, wenn wir den Leuten neben all den kack News was anderes zeigen können und ich denke diese Abwechslung haben sie dankend angenommen.
Frontstage Magazine: Glaube ich gerne. Habt ihr das Gefühl, dass das internationale Publikum irgendwie anders drauf ist als die Deutschen? Also kann man sagen typisch deutsch, typisch Ausland?
Nico: Also auf dem Slam Dunk haben wir nicht wirklich damit rechnen können, was da abgegangen ist. Aus meiner Perspektive hätte ich jetzt nicht sagen können, dass das Publikum da anders drauf war, ganz im Gegenteil. Die kannten unsere Songs, egal ob deutsche oder englische, das war völlig egal. Die Stimmung war ultra ausgelassen, es waren echt viele Leute vor der Bühne.
Kevin: Du merkst es live, höchstens. Über Ländergrenzen hinaus kannst du sagen, dass Menschen eventuell andere gesellschaftliche Normen mitbringen. Gehst du zum Beispiel nach Japan und spielst da einen Song, dann ist es in den Pausen einfach mucksmäuschenstill und du denkst, die haben gar keinen Bock. Das ist aber einfach nur, dass sie höflich sind und dir zuhören. Irgendwo anders auf der Welt rasten die trotzdem aus und hören dir gar nicht zu. Das war so eine Besonderheit. Aber im Netz merkst du einfach nur, dass du mehr Leute erreichst.
Frontstage Magazine: Mit Blick auf Deutschland: Ihr spielt in ein paar Wochen auf dem Parookaville, wo hauptsächlich Elektro-DJs am Start sind? Wie ist es dazu gekommen oder besser gefragt, wie passt ihr da rein?
Nico: Wir haben ehrlich gesagt gar keine Ahnung, wie wir da reinpassen. Wir haben die Anfragen mit total leuchtenden Augen gesehen, weil ich selber sehr gerne elektronische Musik höre zum einen. Zum anderen, weil es einfach generell eines der größten Festivals in Deutschland ist. Es ist schon echt eine Ehre da spielen zu dürfen. Dann kommt noch hinzu, dass Finch ein Slot vor uns ist, mit dem wir mittlerweile auch echt eine enge Bindung haben. Wir spielen dann und danach kommt auch noch Scooter. Die Bühne mit solchen Acts zu teilen ist schon krass.
Kevin: Meine Theorie ist ja immer noch, dass da jemand abgesprungen ist, und die kannten uns gar nicht und haben einfach nur nach „Electric…“ gegoogelt… (lacht)
Nico: (lacht ebenfalls) …und sich gedacht, die sehen total bescheuert aus, die nehmen wir!
Frontstage Magazine: Hoffentlich gibt es da kein böses Erwachen. Was war denn konkret euer erster Gedanke, als ihr das gelesen habt?
Nico: Ja, mein erster Gedanke war: „Echt jetzt, noch ein Festival?“ Und direkt danach kam: „JA!“.
Kevin: Ja, voll geil! Im Endeffekt war ich kurz enttäuscht, weil ich dachte mir so, man redet ja nicht über Gage, aber ein Kasten Bier hätte ich mir noch mehr gewünscht.
Nico: Ja, vielleicht auch zwei. ‚
Kevin: Da hätten die sich nicht so lumpen lassen müssen, aber ansonsten sind wir super froh dabei zu sein. Wir haben den Bühnenplan bekommen, der für unsere Produktionsleitung wichtig ist, um zu schauen, was sie da haben und wie sie es planen können, und da ist einfach eine DJ Kanzel.
Nico: Das ist so irre. Wir stehen quasi auf einer riesigen Bühne…
Kevin: …die aber quasi nicht nutzbar ist.
Nico: Aber auf dieser großen Bühne ist dann eine kleine Bühne, da wo immer die DJs stehen. Ich frage mich nur langsam, wie wir das deichseln, weil wir sechs stehen dann da quasi mit kompletter Kapelle inklusive Schlagzeug.
Frontstage Magazine: Ihr stapelt euch einfach. Ist denn ebenfalls ein kleiner Fanboy-Moment dabei, wenn man auf einmal neben Scooter spielt?
Nico: Wenn ich den Hans Peter sehe, dann werde ich sicherlich mit kleinen, zittrigen Kniechen vor dem stehen und sagen: „Dürfte ich bitte, Herr Baxxter, die Hände schütteln, vielleicht?“. Irgendein Festival haben wir schon mal mit denen gespielt, also nicht, dass wir sie kennengelernt hätten, aber wir haben sie beim Warmmachen gesehen und das war schon fast sektenartig. Es ist schon sehr geil, wie die zusammenhängen und sich einschwören auf die Show und die sind halt Wahnsinn. Ich sage immer, wenn du so puristisch sein kannst, dass du auf der Bühne gar nicht viel machen muss, dass die Leute einfach wissen, was abgeht, wenn du nur die Hände hebst und boom, die Aura reicht. Was ich auch einfach mag ist, wenn man Künstler*innen trifft, die auch einen ähnlichen Werdegang hinter sich haben; die vielleicht am Anfang nicht ganz ernst genommen wurden, die vielleicht nicht immer so ultra gehyped waren, sondern einfach dahin mussten. Scooter wurde jetzt auch nicht von allen Leuten immer gefeiert und mittlerweile hat der Typ einen Legenden-Status; und das auch völlig zurecht. Ich glaube der Kerl macht das noch bis der irgendwann tot umfällt. Da bin ich mir zu 100 % sicher, der sitzt da auch mit 90 noch, hat immer noch die Haare blond gefärbt und gibt immer noch Vollgas. Cooler Typ!
Frontstage Magazine: Ist das auch euer Plan, das mit 90 noch zu machen?
Nico: Ich persönlich sage, solange ich da Bock drauf habe, solange ich das kann, körperlich wie geistig, mache ich es gerne bis ins hohe Alter. Das merkt man irgendwann.
Kevin: Wenn man das jetzt unromantisch als Job sieht, dann muss man sagen, dass wenn du Schrauben verkaufst, das bis Ultimo machen kannst. Das juckt keinen, ob da jetzt ein 70-jähriger sitzt oder ein 20-jähriger, solange der Ahnung von Schrauben hat, dann kann er das. Aber unser Beruf beinhaltet ja ein bisschen mehr. Auf der einen Seite sind wir total glücklich, dass wir es so machen können uns es so richtig traumhaft bei uns abläuft gerade, aber man ist sich immer ein Stückchen mehr darüber bewusst, dass sowas auch sehr vergänglich sein kann. Nicht nur vom Können her, sondern auch popularitätstechnisch. Morgen machst du ein Album, was die Leute scheiße finden und boom, bist du wieder weg vom Fenster. Die Welt ist so schnell schnelllebig. Das kann immer passieren. Auf der anderen Seite, wenn du dann in den Genuss kommst, es so lange machen zu können, wie du willst, spielt es auch immer eine Rolle, ob du es kannst. Zum Beispiel Deep Purple, immer großer Fan gewesen, ich habe die vor ein paar Jahren bei Wacken live gesehen, das war nicht mehr würdig. Da ist der Punkt überschritten, wo man in Würde sagt, jetzt sollten wir es gut sein lassen.
Nico: Da kommt aber meinerseits ein riesen Aber: Selbst wenn du da jetzt Künstler*innen hast, die das vielleicht nicht mehr so rüberbringen wie vor 40 oder 20 Jahren, als Fan der ersten Stunde, der vielleicht sogar gleich alt ist und da steht und sich denkt, wie geil das ist noch ein letztes Mal Deep Purple live sein, dafür ist es irgendwie cool. Ich bin aber auch bei dir. Kevin: Es geht nicht darum, dass sie nicht alt werden sollen, sondern es geht darum, dass man irgendwann merken muss, dass es genug ist. Wenn ich als Fan dastehe und die tun mir leid….
Frontstage Magazine: Diesen Weg habt ihr ja ein Stückchen weit auch noch vor euch. Ihr habt zuletzt die Singles „Pump It Up“ und „Spaceman“ rausgebracht, die direkt in den Top 35 der deutschen Singlecharts eingestiegen sind. Wenn wir im Hinblick auf diese langfristige Perspektive schauen, was soll noch kommen? Was ist der nächste große Etappenschritt für euch?
Nico: Direkte Zielsetzung finde ich in der Hinsicht super schwierig, aber ich sage auch ganz ehrlich, ich möchte mehr Erfolg haben. Wobei ich da für uns sprechen kann, denn daran arbeiten wir gerade sehr akribisch. Es ist ja nicht so, dass wir jetzt sagen, wir droppen jetzt mal zwei Singles und gucken, was passiert. Es ist noch einiges in der Pipeline. Wir haben unser Album fertig und warten auf die Tour nächstes Jahr. Für mich persönlich gerne größer, schneller, weiter; kann gerne so weitergehen. Kevin: Wir sind hungrig auf jeden Fall.
Frontstage Magazine: Am Heavy Music Award, den ihr zuletzt gewonnen habt, sieht man, dass dieses Konzept aufgeht. Dort habt ihr euch gegen internationale Größen wie Bring Me The Horizon (BMTH) oder Code Orange durchgesetzt. Herzlichen Glückwunsch noch einmal an dieser Stelle. Habt ihr selber damit gerechnet?
Kevin: Wie Nico schon sagte, wir arbeiten akribisch und wir wissen was dahintersteckt. Leute stempeln das gerne als Klamauk ab, ja, aber es ist halt gut gemacht Klamauk. Wir machen nicht einfach nur so, sondern da ist wirklich harte Arbeit drin. Deswegen ist es aus unserer Warte verdient, weil wir halt wissen, was wir dafür gearbeitet haben, alle anderen natürlich auch. Wenn man das im internationalen Vergleich sieht, und dann gewinnst du so etwas in UK, wo BMTH zuhause sind, da haben wir nicht dran geglaubt. Wir haben angefangen dran zu glauben, als es dann irgendwann hieß „Jungs, kommt doch mal vorbei, eventuell…“.
Nico: Damit rechnen wäre zu krass gewesen, aber wir haben es verdient. Das war schon `ne Nummer.
Kevin: Du machst so etwas, du gewinnst so etwas und erzielst irgendwelche Chartplatzierungen, das ist immer geil, aber das erhöht natürlich auch ungemein den Druck, dass das nächste genau so geil werden muss. Das wird nicht immer so sein. Da wird dann das nächste Mal schlechter oder so. Aber wir befreien uns einfach davon, denn das ist nicht alles.
Frontstage Magazine: Habt ihr für euch das Gefühl irgendwas war schlechter?
Kevin: Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass „Spaceman“ gut wird. Ich war erst kein Fan von dem Song, dann aber reingehört, und mich immer mehr dran gewöhnt, und live macht der mega Bock. Mittlerweile bin ich ein sehr großer Fan von dem Song. Witzigerweise ist es der erste Song, der auf den Streaming-Plattformen besser performt als bei Youtube. Normalerweise war es bei uns immer so, dass wir die Youtube-Videos besser platziert haben als die Streams und dieses Mal war es genau anders rum.
Frontstage Magazine: „Spaceman“ ist außerdem ein Paradebeispiel für genreübergreifende Musik, vor allem mit Finch, der aktuell viel mit Features arbeitet und dadurch manche Türe öffnet. Wie erlebt ihr das, schließlich ist euch dieses Phänomen ja nicht fremd?
Kevin: Schau dir unsere Mucke an, dafür wurden wir geächtet teilweise. Wir waren zu schlaff für Metal und zu hart für Pop oder was.
Nico: Wie kann man so etwas mixen?
Kevin: Aber mittlerweile sind die Leute so offen geworden. Ja, Finch realisiert das über Features, aber das nächste Album von uns wird ein Potpourri sein.
Nico: Das wird sich auch nicht ändern. Wir behalten uns weiterhin die Türen für alle unsere Ideen und verschiedene Musik, die wir gerne hören, offen. Genau das lassen wir auch weiterhin einfließen. Ich habe mich immer gefragt, warum man ständig Scheuklappen aufsetzen muss: ich hör mein Genre und du hörst dein Genre.
Kevin: Da haben wir uns schon lange darüber unterhalten Man nutzt Musik ja auch immer so ein bisschen als Identifikationsmittel.
Nico: Wie die Emos früher…
Kevin: Früher ey, ich habe alles zusammengepackt: Ich habe meine Reggae-Schnürbänder in meinen Vans gehabt mit einem langen Ledermantel und Rasta-Locken; richtig bescheuert, alles zusammen, nur weil ich anders sein wollte. Wenn die Leute eine besondere Art von Musik hören, wollen sie nicht, dass da jemand kommt und es ihnen streitig macht, weil da muss ja eine Grenze sein, denn ich möchte ja eine Grenze haben. Aber wenn man älter wird und sich gefunden hat, dann bist du auf einmal offen, nicht nur in musikalischer Hinsicht, sondern auch so.
Nico: Ich finde man merkt, dass die Leute generell offener geworden sind und offener werden. Ob wir da jetzt einen Teil zu beigetragen haben, sei mal dahingestellt, aber es ist schon schön zu sehen, wenn wir ins Publikum schauen und jung, alt, bunt oder schwarz sehen. Wenn du einen Kuttenträger mit langen Haaren siehst, der nie und nimmer unsere Musik hören kann, und dann brüllt er an vorderster Front mit, das ist schon echt cool.
Frontstage Magazine: Gab es einen signifikanten Wendepunkt, an dem ihr das selber gemerkt habt, dass sich was veränderte?
Kevin: Wacken zum Beispiel als Festival, wo wir mal richtig Angst hatten, weil wir dachten, es sei das engstirnige Metal-Publikum. Aber wenn die zwei, drei Kannen intus haben, dann ist denen alles scheiß egal, Hauptsache macht Bock. Da haben wir die erste Erfahrung gehabt, die so richtig positiv war, von der wir aber vorher dachten, dass es nie funktionieren würde. Am Anfang war es so verschrien, es sei nur Mucke für die Kids oder für die Jungen. Dann haben wir aber bemerkt, nachdem die Eltern die Kinder gebracht haben, standen sie erst an der Theke und am Ende mittendrin. Das ist so ein fließender Prozess. Und Leute lassen sich total beeinflussen. Wenn etwas so, wie jetzt gerade einen Hype erfährt, dann ist es auf einmal nicht peinlich Electric Callboy zu hören, sondern wenn sie es links und rechts auch hören, dann kann ich das ja auch machen. Wie oft hatten wir Leute, die im Internet gemeckert haben ohne Ende, was dann aber die waren, die mit `nem Bier auf dem `nem Festival in der ersten Reihe bei uns standen. Da sind wir wieder so ein bisschen bei schmeißt mal euren Stolz über Bord, wenn’s um Mucke geht. Es hat sich wunderbar entwickelt.
Nico: Wir sind mittlerweile voll zufrieden.
Frontstage Magazine: Cool, das ist auch irgendwie eine schöne Antwort, dass es bei euch so realisiert wird und ihr mitbekommt, dass es einen positiven Wandel gab.
Nico: Generell ist es super integrativ. Es ist dann auch total geil zu sehen, dass sich Freundschaften quasi vor deiner Bühne entwickeln, dass Leute in Grüppchen zu dir kommen und zusammen auf Konzerte fahren. Auch Leute, die vielleicht, ganz blöd gesagt, keinen Anschluss in der Schule finden oder nicht viele Freunde haben, die kommen auf ein Konzert und finden da wirklich Leute, mit denen sie von A nach B fahren. Das ist schon echt mega schön zu sehen.
Kevin: Das mögen wir auch total, wenn Leute zusammenkommen.. Absolute Lovestory 2011: Wir hatten öfter mal in Deutschland stationierte Soldaten bei uns in der Show. Damals haben wir eine Mini-Show in Köln, wo wir sie auf die Gästelisten geschrieben haben und mit denen in Kontakt geblieben sind. Den einen haben wir Jahre später in Nürnberg wiedergesehen, er war immer noch stationiert, hat aber eine Frau kennengelernt. Wieder ein paar Jahre später waren sie zusammen und so weiter. Mittlerweile ist er aus der Army ausgetreten, ist Bierbrauer, kann fließend Deutsch, hat geheiratet und hat das zweite Kind mit der Frau.
Frontstage Magazine: Voll schön! Unsere nächste Frage schließt da nicht ganz an, aber ich würde gerne noch einmal auf euer neues Album „Tekkno“ zu sprechen kommen, was nach dem Sommer rauskommt. Was können wir von der Platte erwarten?
Nico: Ich glaube Kevin hat es vorhin ganz gut beschrieben: Es ist halt irgendwie ein Potpourri. Wir haben Partysongs drauf, die die Leute schon gehört haben, wir haben düstere Songs, poppige, baladigere Songs und sogar tatsächlich ein Song, der Richtung Schlager geht. Es ist eine super bunt gemischte Platte.
Frontstage Magazine: Schließt ja direkt an eure jetzige Tour an, die mit über 60.000 Tickets größtenteils ausverkauft war. Wie habt ihr diesen Restart nach Corona persönlich wieder erlebt?
Nico: Es war einfach wie so ein Raketenstart. Du wusstest die ganze Zeit „der Tag kommt; noch drei Monate, zwei Monate, ach krass wir fahren“. Es war emotional, es war aufregend. Keine Ahnung, es war irre zu sehen, wie viele Menschen in so eine Halle passen und egal, wo du hingefahren bist, es war voll.
Kevin: Wie du schon sagst, man hat die ganzen zwei Jahre gewartet und gedacht, dass es so krass wird und gefühlt stand man denn auf einmal wieder auf der Bühne. Aber es war auch erschreckend zu sehen, wie schnell man da wieder drin war.
Nico: Nach einer Woche hatten wir schon eine gute Routine drin, und nach zwei Woche war es als wären wir gar nicht weg gewesen.
Frontstage Magazine: Ging uns am Anfang auf Festivals auch oft so. Die letzte Frage stellen wir immer ein bisschen außerhalb der Musik, und zwar: Wann hattet ihr das letzte Mal Muskelkater und warum?
Nico: Ich hatte das letzte Mal nach dem Nova Rock tatsächlich Muskelkater in meinem rechten Oberschenkel, weil ich gefühlt die ganze Zeit auf irgendeinem Riser stehen hatte und Vollgas gebangt habe. Das habe ich am nächsten Tag gemerkt.
Kevin: (lacht) Mein Muskelkater ist noch nicht so lange her, den merke ich fast immer noch. Wir haben vier Tage Urlaub gemacht mit der Familie und dem Kleinen, den wir vor anderthalb Jahren bekommen haben, und da wollten wir eine kleine Radtour machen. Meine Schwiegereltern haben ihre E-Räder mitgenommen und meine Frau und ich wollten uns ein Fahrrad ausleihen und wir brauchten ja was für den Kleinen, aber die mit Kinderkörbchen hinten drauf gab es nur ohne E. Das heißt alle hatten ein E-Rad und ich ein Hollandrad ohne E. Wir sind insgesamt 42 Kilometer circa wie ein Geisteskranker gefahren. Als ein bisschen Macho willst du es dir nicht so anmerken lassen vor den Schwiegereltern. Ich kam nach Hause und wusste gar nicht, was mir mehr weh tat, mein Arsch oder die Beine.
Frontstage Magazine: Aber tapfer durchgehalten! Vielen lieben Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Viel Spaß euch noch auf dem Festival und noch einen schönen Tag!
Electric Callboy: Sehr gerne und euch auch!
Fotocredit: Titelbild Kevin Randy Emmers, Bild im Text Johanna Lippke