Ein neuer Tag in der Republik des großen Ungemachs: Auf „Alter Zorn“, dem achten Studioalbum von Turbostaat, rumpelt, schnaubt und dröhnt es wie selten zuvor. Erneut produziert von Moses Schneider – der nicht nur am Mischpult, sondern auch auf dem Cover in seiner jungenhaften Punk-Essenz auftaucht – klingt die Platte so, wie sich Turbostaatjünger in die Nordlichter vor einem Viertel Jahrhundert verliebt haben.
Seit fünfundzwanzig Jahren steht der Name Turbostaat für sperrigen Punkrock, mit einer gewissen Bissigkeit und Wut. Garniert mit genialen Gitarrenriffs, und immer wieder hypnotisch anmutenden Melodie-Motiven. Gleichzeitig markiert die Platte so etwas wie einen Wendepunkt, was zwar stilistisch kaum zu greifen ist, thematisch aber durchaus. Ganz sicher ist dies Ausdruck einer schweren Zeit, welche die Band in den letzten Jahren durchleben musste. Nach Jahren der Krankheit, des Stillstands und der Trauer innerhalb der Bandfamilie haben sich Turbostaat wieder aufgerappelt. Sie haben die Aufbruchsstimmung des Jubiläumsjahres 2024 – inklusive einer Konzept-Tournee, auf der alle bisherigen Alben aufgeführt wurden – genutzt, um mit einem Werk zurückzukehren, das weder Nostalgie noch Resignation zulässt und mit „Alter Zorn“ einen durch und durch passenden Namen trägt.
Den Start ins Album markiert passenderweise „Affenstrasse”, welches diesen „Alten Zorn” in sich vereint und nach außen schreit und das, obwohl der Song mit den gewohnt kryptischen Lyrics arbeitet, die eine Deutung auf mehreren Ebenen zulässt. Ähnlich verhält es sich mit dem Titeltrack, der so etwas wie einen Status Quo der Band formuliert: „Alte Liebe / Altes Leben /Alter Zorn”.
Doch an manch einer Stelle werden Turbostaat auf diesem Album explizit politisch und lassen sich so sehr in die Karten schauen, wie nie zuvor. Das bereits vor drei Jahren veröffentlichte „Otto muss fallen” gehört in diese Kategorie und definitiv zu den Highlights des Albums. Eine Abrechnung mit Heldenverehrung und Nationalismus, die sich Otto von Bismarck und seine Statue im Alten Elbpark von Hamburg nahe den Landungsbrücken zum Ziel genommen hat (“töten, was vom Sockel holt”).
Ebenfalls als Vorab-VÖ konnte man bereits die Single „Jedermannsend” hören. Was wie ein trüber, melancholischer Abgesang beginnt, steigert sich zum Schluss in ein unkontrolliertes, explosiv lautes Finale. „Nur ein Schiss im Meer, doch er schwimmt dir hinterher“ – dieser zynische Humor ist der Galgen, an dem sich die Platte festhält. Trauer, Zorn, Wut, Aufbruch – alles liegt hier nah beieinander. Perfekt platziert als Closer des Albums.
Interessant ist auch die Backgroundstory zum Track „Der weiche Kern“, eine Neuinterpretation von Gravenhursts „The Velvet Cell“. Marten Ebsen hat den Text ins Deutsche übersetzt und in die typische Turbostaat-Ästhetik gekleidet. Der Song fügt sich nahtlos ins Album ein und zeigt, wie geschickt sich die Band fremde Stimmen zu eigen macht, ohne ihre eigene zu verlieren.
Weitere Fixpunkte des Albums finden sich mit „Subraum”, „33 Tage” und „Mutlu”, welche allesamt zu den zackigeren Nummern auf „Alter Zorn” zählen. Komplettausfälle sucht man vergebens, aber das ist bei Turbostaat auch keine Überraschung. So finden sich zwölf Nummern, die alle zusammen das Gegenteil eines Alterswerks darstellen. Nach einer schweren Zeit sind Turbostaat also immer noch da, wichtig, relevant und nicht wegzudenken.
Der Song für die Playlist/das Mixtape: „Jedermannsend”
„Alter Zorn“
26.02.2025 Münster, Sputnikhalle
27.02.2025 Wolfsburg, Hallenbad
28.02.2025 Marburg, KFZ
01.03.2025 Magdeburg, Factory
02.03.2025 Rostock, Peter Weiss Haus
12.03.2025 Köln, Kantine
13.03.2025 Hannover, Faust
14.03.2025 Leer, Zollhaus
15.03.2025 Wiesbaden, Schlachthof
16.03.2025 Bochum, Bahnhof Langendreer
02.04.2025 Dresden, Tante Ju
03.04.2025 AT-Wien, Das Werk
04.04.2025 Erlangen, E-Werk
05.04.2025 Leipzig, Conne Island
16.04.2025 Jena, Kassablanca
17.04.2025 CH-Winterthur, Salzhaus
18.04.2025 CH-Bern, ISC
19.04.2025 München, Feierwerk
20.04.2025 Karlsruhe, P8
15.05.2025 Berlin, SO36
22.05.2025 Hamburg, Markthalle
Fotocredit: Andreas Hornoff
Review: Marco Erdbrügger