Am 3. November 2023 enthüllt die Wiener Rockband Leftovers ihr zweites Studioalbum, „Müde„. Ein Album, das alles andere als erschöpft klingt, sondern die Band in ihrer vollen Pracht zeigt. „Müde“ ist ein beeindruckender musikalischer Ausdruck von chronischer Überforderung, Panikattacken, toxischen Beziehungen und anderen Herausforderungen der Adoleszenz. In dieser Albumkritik tauchen wir tief in die Klanglandschaft von „Müde“ ein, ohne auf bereits veröffentlichte Singles einzugehen. Passend zum Album haben wir der Band ein paar fragen gestellt.
Frontstage Magazine: „Müde“ behandelt Themen wie chronische Überforderung, Panikattacken und toxische Beziehungen. Was war die treibende Kraft hinter der Entscheidung, solche intensiven Themen in eurem Album zu erforschen?
Leftovers: Die treibende Kraft hinter unseren Song-Themen sind prinzipiell immer persönliche Erfahrungen. Wenn wir etwas von Substanz erleben (oder erlebt haben), inspiriert uns das immer – manchmal auch nur unterbewusst. Die Texte entstehen dann im Endeffekt von selbst. Außerdem gibt es ja auch einige Menschen um uns herum, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und vielleicht gerade deswegen unsere Musik gut verstehen können.
Frontstage Magazine: Euer erstes Album „Krach“ war bekannt für seine ungezügelte Energie. Wie hat sich eure Herangehensweise an das Songwriting und die Musikproduktion auf „Müde“ verändert?
Leftovers: Bei unserem ersten Album haben wir noch nicht wirklich gewusst, wie Songs produziert werden oder welche Dinge wir bei der Produktion oder beim Songwriting beachten sollten. Mittlerweile haben wir mehr Erfahrung und können das bei diesem Album auch zeigen. Wir haben auch das erste Mal über einen längeren Zeitraum in einem Studio gearbeitet und die Songs dort gemeinsam mit unserem Produzenten Alexander Gschwendtner fertig gemacht
Frontstage Magazine: “Müde“ scheint eine vielfältige Palette von Stimmungen und Klanglandschaften zu bieten. Wie habt ihr die Dynamik und Vielfalt in eure Musik integriert?
Leftovers: Ich glaube, wir haben bei „Krach“ hauptsächlich Wut als Anhaltspunkt genommen, während bei „Müde“ zusätzlich noch eine Art melancholische Erschöpfung eingetreten ist. So richtig erklären kann man das aber auch nicht. Unsere Musik entsteht immer sehr organisch und spiegelt daher immer die Emotionen ab, die die Person, die den Song schreibt, auch gerade fühlt, dadurch entstehen dann diese Dynamiken.
Frontstage Magazine: Ihr seid eine Band, die aus Wien stammt, einer Stadt, die derzeit eine blühende Indie-Musikszene erlebt. Inwiefern spiegelt sich das Wiener Umfeld in eurer Musik auf „Müde“ wider?
Leftovers: Wir sind nicht nur eine Band aus Wien, sondern sehen uns auch als die erste Band die loud and proud „Wiener Schule“ macht haha. Das Genre gibt es vielleicht jetzt noch nicht so richtig, aber wir beschreiben uns damit ganz gern. Abgesehen davon werden wir natürlich massiv inspiriert von all unseren KollegInnen aus Wien. Diese Stadt blüht gerade richtig auf und wir freuen uns riesig, ein Teil davon zu sein.
Frontstage Magazine: Auf eurem Album scheint jeder in der Band zu singen und zu schreiben. Wie beeinflusst das eure kreative Dynamik, und wie habt ihr diese Vielfalt genutzt, um euer Album zu gestalten?
Leftovers: Wir haben uns noch nie als traditionelle Band mit einem „Anführer“ gesehen. Bei uns schreibt jede/r mit und jede/r ist gleichberechtigt, wenn es um Abstimmungen oder wichtige Fragen geht. Wir sind dahingehend mehr ein künstlerisches Kollektiv. Deswegen können wir auch leichter vielfältige Alben machen. Aber das Wichtigste ist eigentlich: Wir sind beste Freunde, die sich teilweise schon seit über 12 Jahren kennen. Deswegen schreiben wir auch alles zusammen.
Frontstage Magazine: Einige eurer Songs auf „Müde“ behandeln sehr persönliche Erfahrungen und Gefühle. Welchen Einfluss hat eure persönliche Entwicklung auf die Musik und die Texte in diesem Album?
Leftovers: In unserem letzten Interview haben wir mit einer Person gesprochen, die uns letztes Jahr zu unserem ersten Album schon mal getroffen hat. Da wurde auch irgendwann die Aussage gedroppt: „Nicht nur euer Sound, sondern auch ihr seid irgendwie reifer geworden„. Also ja, anscheinend hat unsere persönliche Entwicklung zu dem Sound beigetragen. Wir sind ja mittlerweile auch schon 22,23 und damit ausgereift haha.
Frontstage Magazine: Die Songs auf „Müde“ zeigen eine intensive emotionale Tiefe. Wie hofft ihr, dass eure Musik die Hörer berührt und beeinflusst?
Leftovers: Wir denken da nicht so genau darüber nach. Wir wollen nur, DASS es unsere HörerInnen berührt. Wie genau ist uns eigentlich egal. Es muss auch Raum für Interpretation bleiben. Wir finden das immer lame wenn Songs so klar definiert sind, dass man sich keine eigenen Gedanken dazu machen kann. Andererseits ist natürlich immer schön zu hören wenn Fans auf uns zukommen um mit uns über gewisse Songs sprechen die sie berührt haben und wir dann sofort sehen „Okay die checken den Song genauso wie ich, als ich ihn geschrieben habe“ Im Endeffekt ist aber jede Resonanz schön. Wichtig ist nur, dass sich niemand zu ernst nimmt. Wir sind nur ein paar junge friends aus Wien, die hauptsächlich Blödsinn machen und hin und wieder emotionale Songs releasen. Wiener Schule halt!
Fotocredit: Anna Francesca