So schwer die aktuellen Zeiten für die meisten Menschen in der Musikbranche auch sein mögen, gibt es trotzdem bestimmte Bands, die während der Pandemiezeit einen regelrechten Hype erfahren haben. Dazu gehört glücklicherweise auch die süddeutsche Band Provinz, welcher Corona zunächst einen Strich durch die Rechnung machte. Das erste Album „Wir bauten uns Amerika“ konnte nicht wunschgemäß vorgestellt werden, sodass man jetzt mit dem zweiten Longplayer „Zorn & Liebe“ noch einmal ordentlich Anlauf nehmen und in die Vollen gehen will. Gelingt es Provinz an den Erfolg ihres ersten Albums anzuschließen?
Nachdem wir uns die 15 Songs zwischen Zorn und Liebe mehrmals angehört und durch den Kopf haben gehen lassen, würden wir definitiv zu dem Ergebnis kommen: Ja, und wie! Die geneigte Hörerschaft erwartet ein Album, welches ganz eindeutig den typischen Provinz-Sound widerspiegelt. Jedoch ist anzumerken, dass der Sound etwas ausgeklügelter wirkt. Die Jungs sind in Nuancen elektronischer und synthielastiger unterwegs, aber keinesfalls zu doll, dass man das Gefühl hätte, dass sich großartig was im Sound verändert hätte. Viel mehr ergibt es irgendwie Sinn und wirkt wie eine logische Fortsetzung der Geschichte. In die Arme genommen wird man vom Intro, das einen willkommen zurück heißt. „Diese Nacht“ proklamiert dann als zweiter Song stark, wofür Provinz steht. Wir erleben deutsche Musik, mit der sich wohl so gut wie jeder junge Mensch früher oder später identifizieren kann. Bei den drauffolgenden, bereits bekannten Singles wusste man ja bereits radiotauglich, dass die Songs funktionieren und ihre Zielgruppe passgenau ansprechen. Besonders „17 für immer“ beschreibt erschreckend genau, welche Erfahrungen wir selbst mit 17 Jahren gemacht haben.
Neben diesen sich immer wiederholenden Motiven wartet das Album des Weiteren mit starken, nationalen Feature-Gästen auf, die eine deutsche Pop-Band genau jetzt braucht. So werden nicht nur die Stärken von Danger Dan, Casper und Nina Chuba hilfreich für die eigene Sache ausgespielt, sondern eben auch clever an ihre Popularität angebunden. Dass sie großartige Songs aber auch wunderbar alleine produzieren können zeigen die vier Jungs mit Tracks wie „Zwei Menschen„, welcher durch hervorragendes Storytelling heraussticht. Daran anschließend ist die Abfolge der darauf folgenden Songs mit „Zorn & Liebe“ und „Weit weg“ brillant gelöst, vor allem weil letzterer Song noch einmal den Ausruf „Aylin, Aylin“ aufgreift. Etwas verwirrend war dann jedoch, dass der nächste Song um eine Dame namens „Sara“ handelte, was vielleicht einen kleinen Kritikpunkt im vorher perfekt durchstrukturierten Storytelling ausmacht, Richtig emotional geht es dann noch einmal im vorletzten Song „Robin Skit“ zur Sache mit dem Vorwurf „du warst nie da“. Selbst mit dem Schicksal der Scheidungskinder bekannt ist das ein Lied zum Zähne zusammenbeißen. Somit trifft er genau dahin, wo er soll, und zwar mitten ins Herz, sodass eine vorherige Triggerwarnung fast wünschenswert erschien.
Summa summarum, sind Provinz mit ihrer zweiten Platte genau das, was sie mit ihrem ersten Werk vorgestellt haben und führen dieses folgerichtig weiter fort. Die Zuhörer*innen werden mit Themen und Texten betraut, die wie dafür gemacht sind sich mit ihnen in ihrer Jugendlichkeit zu identifizieren. Klug gewählte Features und ein überragendes Storytelling tun ihr Übriges, sodass „Zorn & Liebe“ ein absolut gelungenes zweites Werk abbildet.
Fotocredit: Sabrina Derda