Ob wir aktuell in der besten aller Zeiten leben, mag gerade zweifelhaft erscheinen. Dass es nichtsdestotrotz weitergeht und diese Zeit nun mal die unsere ist, beweisen uns die Jungs von Lester im Interview. Die Heavy-Pop Band hat gleich ihr zweites Album nach dem Motto benannt, und das ganz ohne Coronabezug. Außerdem erfahren wir, was es eigentlich mit dem Fickersticker auf sich hat und wieso Musik in ihrer Bedeutung auch ohne Live-Konzerte berühren kann.
Frontstage Magazine: Hallo Lester, wir hoffen Euch es geht Euch gut soweit und Ihr seid gesund?!
Jasper von Lester: Alles gut soweit bei uns, danke der Nachfrage. Wir hoffen, bei euch auch.
Frontstage Magazine: Am Freitag, den 30. Oktober, erschien Euer zweites Album „Die Beste Aller Zeiten“. Wie habt Ihr das Release der Platte gefeiert? War das in der aktuellen Situation überhaupt möglich?
Jasper von Lester: Leider nein. Wir haben uns am Release-Tag digital auf die Schulter geklopft und uns gefreut, dass die Platte nach der ganzen Arbeit, die man da reingesteckt hat, endlich das Licht der Welt erblickt hat. Sektgläser, Luftballons und Knallfrösche haben wir aber im Schrank lassen müssen. Wir werden das aber – sowie wir wieder dürfen – nachholen.
Andy von Lester: Wobei wir immerhin schon im Frühsommer den Abschluss des Aufnahmeprozesses mit einem LESTER-Wandertag gebührend gefeiert haben.
Frontstage Magazine: Eben diese momentane Lage steht im krassen Gegensatz zu der Besten aller Zeiten. Könnt Ihr erklären, was hinter diesem optimistischen Statement für Euch steht und wieso wir trotz allem in der besten Zeit leben?
Andy von Lester: Wir wollten mit dem Titel nicht irgendwelche Zeiten glorifizieren. Am meisten gefällt uns an dem Titel, dass er im ersten Moment so übertrieben, generisch nach Plastik-Pop klingt. Wenn man dann die Musik und die Texte dazu hört, erzeugt das erst mal eine gewisse Reibung und Diskrepanz und dann schwingt vielleicht so eine bittersüße Melancholie mit. Im Idealfall wandelt sich der Titel in eine Frage und man fängt an zu reflektieren. So war das zumindest bei mir – Cape diem und so – ich liebe Kalendersprüche.
Jasper von Lester: Man muss zu dem Titel auch sagen: Der Titel stand schon fest, bevor dieser ganze Mist im Frühjahr losging. Ziel war es also nicht, da einen bewussten Gegensatz in Pandemie-Zeiten zu formulieren.
Frontstage Magazine: Kurz vor dem Release der Platte habt Ihr noch die Single „Fickersticker“ veröffentlicht. Wir sind neugierig, wer oder was ist ein Fickersticker? Was sagt der Song aus?
Jasper von Lester: Der Song handelt von dem Abschied eines Bandmitglieds. Wir waren bis Sommer 2019 zu fünft: Paloma stand zwar nicht auf der Bühne, war aber für alles Graphische vom Merch bis zu den Plattencovern verantwortlich und auch ein bisschen die Seele der Band. Der Song schaut etwas wehmütig auf die gemeinsame, eben die beste aller Zeiten zurück. Sowohl der Titel als auch die Zeile “ein Herz und sechs Augen” beziehen sich auf zwei Sticker, die Paloma für uns designt hat. Der “Fickersticker” ist eine Eistüte mit LESTER-Schriftzug, der einem zwei Mittelfinger entgegenstreckt. Wir lieben das Ding, sieht einfach geil aus. Man sieht die Zeichnung zum Sticker auch in dem Video zum Song.
Frontstage Magazine: Eigentlich sollte es Anfang November für Euch auf Tour gehen. Am 28. November war eine Show im Hamburger Indra Club geplant, die wir sogar mit präsentieren durften. Eine der wenigen Shows dieses Jahr, welche nun im April 2021 nachgeholt werden soll. Wie sehen, außer dem Nachholen der Tour, Eure Pläne für die Zukunft aus?
Jasper von Lester: Fokus haben natürlich die Shows, weil es so unfassbar unter den Nägeln brennt, die Songs endlich live spielen zu dürfen. Sonst schleppen wir inzwischen auch wieder die ersten Ideen in den Bandraum und probieren da ein paar neue Dinge aus. Nächstes Jahr werden wir bestimmt noch mal eine Single aus dem Album veröffentlichen.
Andy von Lester: Um ehrlich zu sein, war und ist es schon krass frustrierend. Ich will hier nicht groß jammern, da es viel mehr Leute gibt, die wirkliche Existenznöte durch diese Kackzeit haben. Aber klar, wenn man so ein Album aufnimmt, freut man sich am meisten auf den Moment, wenn die Platte rauskommt, man Gigs spielt und an den Konzertabenden mit den Leuten einen tollen Abend hat. Man Menschen kennenlernt, die Gefallen an unserer Musik haben. Da wir nicht Metallica sind, ist der Austausch mit den Konzertbesuchern immer unheimlich intensiv – das ist mega schön. Ich hoffe sehr, dass wir das alles im Verlauf 2021 nachholen können, beispielsweise am 17. April im Indra in Hamburg!
Frontstage Magazine: Habt Ihr auch über Alternativen nachgedacht, sollte es nicht besser werden? Wie ist Eure Meinung zu Autokinokonzerten oder Livestreams?
Andy von Lester: Puh, mich überzeugen die Alternativen nicht. Keine Frage, das ist besser als nichts. Aber das worum es für mich auf Konzerten, egal ob vor oder auf der Bühne geht, ist das Miteinander, die Lautstärke, die Hitze, das Hier und Jetzt. Das bleibt leider völlig Außen vor. Ich schau mir schon auch Streaming-Sachen an, aber das ist alles so ein bisschen wie Fastfood. Nichts, was nachhaltig in Erinnerung bleibt.
Frontstage Magazine: Was ist das Erste, was Ihr machen wollt, wenn der Lockdown Light zu Ende ist?
Andy von Lester: Mit Ende vom Lockdown Light wird sich wahrscheinlich erst mal gar nicht so viel ändern. Das Anstoßen aufs Album holen wir auf jeden Fall nach. Wenn der ganze Mist dann mal komplett vorbei ist, heißt es: Konzerte spielen, Konzerte besuchen, in Clubs gehen, in Bars gehen, Feiern.
Frontstage Magazine: Könntet Ihr Euch vorstellen auch Lieder auf Englisch zu kreieren?
Andy von Lester: Das scheitert an meiner schlechten Aussprache. Und – nicht überraschend – es ist einfach viel einfacher, sich in seiner eigenen Sprache ausdrücken zu können. Der Inhalt würde wahrscheinlich etwas leiden, wenn wir anfangen würden, das Ganze auf Englisch zu machen. Ich für mich persönlich würde da so eine künstliche Distanz erzeugen, was für mich zu dem Ansatz der Band nicht passt.
Frontstage Magazine: Unsere letzte Frage, fällt immer etwas aus der Reihe. Welches war das schönste Kompliment, das Ihr jemals bekommen habt?
Jasper von Lester: In Hamburg kam ein Fan nach dem Konzert auf uns zu, um sich für den Song “Blickdicht” zu bedanken. Er hatte auch einen schweren Unfall und eine ziemliche Scheißzeit anschließend. Dieser Song habe ihm geholfen, durch die schwere Phase zu kommen. Sowas zu hören, dass man mit seiner Musik Menschen erreicht, ihnen teilweise sogar helfen kann, ist das Schönste, was man als Band hören kann.
Andy von Lester: Voll. Es gibt auch mittlerweile ein paar Leute, die sich unsere Logos und Artworks als Tattoo haben stechen lassen. Wenn Leute so viel Vertrauen und Interesse an deinen Krach haben – das ist unbeschreiblich. Das verspuhlt mich mega. Ich empfinde da auch schnell eine Art Verantwortungsgefühl. Nach dem Motto: Jetzt darfst du es aber echt nicht mehr verkacken und die guten Erinnerungen für den- oder diejenigen zerstören. Sowas zu sehen macht mich krass dankbar.
Frontstage Magazine: Danke Jesper & Andy für eure Zeit. Wir freuen uns auf die Partys in 2021 mit Euch.
Fotocredit: Oktober Promotion