Ich halte „Sex, Death & The Infinite Void“ (2020) bis heute für Creepers größten Wurf – dieses düstere, überlebensgroße Konzeptalbum, auf dem sich Glam, Gothic und Pop zu einem apokalyptischen Theaterstück vereinten. Seitdem liefert die Band aus Southampton auf einem bemerkenswert konstanten Level ab. Mit jeder Platte schraubt sie ihre Vision weiter in die Höhe, ohne den Kern zu verlieren: Pathos, Dunkelheit und den unerschütterlichen Glauben an das große Gefühl.
Nun also „Sanguivore II: Mistress of Death“ – und schon die Ankündigung ließ erahnen, dass Creeper erneut keine halben Sachen machen. Die Veröffentlichung am 31. Oktober, pünktlich zu Halloween, ist natürlich kein Zufall. Der Nachfolger zum gefeierten Sanguivore (2023) ist kein bloßes Sequel, sondern ein neuer Mythos im gleichen Universum: eine Vampir-Oper über Blut, Begierde und den ewigen Tanz zwischen Leben und Tod.
Creeper machen keine Alben – sie schaffen Welten. Und diesmal ist es eine Welt, in der Neonlicht auf Friedhofsnebel trifft. Eine Vampirband tourt durch das Amerika der 80er Jahre, während eine mysteriöse Jägerin – die titelgebende Mistress of Death – durch die Nacht schreitet, um ihre Herzen zu pfählen. Klingt nach B-Movie mit Gitarren? Genau das ist der Punkt. Und genauso viel Spaß macht diese Platte dann auch.
Das eröffnende „A Shadow Stirs“ zieht uns mit sakralem Pathos in diese Welt hinein, bevor der Titeltrack „Mistress of Death“ mit duellierenden Gitarren, Synth-Chören und von Sänger William von Ghoulds baritonaler Stimme explodiert – eine Mischung aus Iron Maiden und The Sisters of Mercy, die klingt, als würde jemand den 80er-Goth neu erfinden. Zugegebenermaßen verdammt catchy.
Mit „Blood Magick (It’s A Ritual)” folgt Creepers wohl theatralischster Moment der Platte, dessen Einsatz sich so in mein Hirn gebrannt hat wie der Belinda Carlisle 80ies Evergreen „Heaven Is A Place On Earth”. Stimmlich verdammt stark getragen von Ghould und Hannah Greenwood, deren Stimme über dem Gitarrensound wie Hexenrauch schwebt. Der dazugehörige Clip, inspiriert von Rob Zombies House of 1000 Corpses und Natural Born Killers, zeigt Creeper in ihrer endgültigen Form: ein Rock’n’Roll-Albtraum in Cinemascope:
Macht man sich auf die Suche nach Referenzen im Sound, so ist man schnell bei Alice Cooper, Peter Murphy oder – was natürlich bei dem Bandkonzept von Creeper nahe liegt – Ghost. Und hier findet sich mit Produzent Tom Dalgety ein gemeinsames Element. Dalgety gelingt es auf diesem Album erneut, der Band einen maximalistischen Sound zu verpassen, der wie ein Streifzug durch die Rockgeschichte klingt, aber ohne zu einer billigen Kopie zu verkommen.
Und dann macht die Platte noch eine weitere Sache verdammt richtig, noch bevor man auch nur einen Gedanken daran verschwendet, vom ganzen Kitsch und Pathos genervt zu sein, platziert die Band äußerst klug die stärksten Tracks auf der zweiten Plattenhälfte. „Daydreaming in the Dark“ erinnert an She Wants Revenge, „Razor Wire“ überrascht mit jazzigen Saxophon-Passagen und Greenwoods souligen Vocals – die Mistress herself tritt aus dem Schatten. Und wenn im finalen „The Crimson Bride“ die Gitarren flirren und das Blut der Geschichte noch einmal pulsiert, ist klar: Creeper denken in Epen, nicht in Songs.
CREEPER TOUR:
19.11.2025 Milano (IT) Alcatraz
20.11.2025 Zürich (CH) Halle 622
21.11.2025 Paris (FR) Salle Pleyel
23.11.2025 Wien (AT) Gasometer
24.11.2025 München (DE) Zenith, die Kulturhalle
26.11.2025 Brüssel (BE) Ancienne Belgique (AB)
27.11.2025 Köln (DE) Palladium
28.11.2025 Prag (CZ) SaSaZu
30.11.2025 Leipzig (DE) Haus Auensee
01.12.2025 Warschau (PL) Stodoła
02.12.2025 Berlin (DE) Uber Eats Music Hall
04.12.2025 Köln (DE) Sporthalle
05.12.2025 Tilburg (NL) 013
06.12.2025 Frankfurt (DE) Jahrhunderthalle
08.12.2025 Manchester (UK) O₂ Victoria Warehouse
09.12.2025 Glasgow (UK) OVO Hydro
10.12.2025 Nottingham (UK) Motorpoint Arena
12.12.2025 London (UK) OVO Arena / OVO Arena Wembley
Fotocredit: Harry Steel