Pünktlich zur Meldung, dass das Deutschlandticket teurer wird, veröffentlicht Jule ihre Debüt-EP mit dem passenden Titel „Im Regio weinen”. Ausschlaggebend für den Tränenfluss sind hier jedoch die persönlichen Erfahrungen und Emotionen die Jule in den sechs Songs der EP verarbeitet.
Bei Jule handelt es sich um eine 25-jährige Singer/Songwriterin, welche dem musikalischen Schmelztiegel St.Paulis entstammt. Ihr unfassbares musikalisches Talent ist auch dem Label Zeitstrafe nicht verborgen geblieben und so kommt es, dass die junge Musikerin genau dort ihre Debüt-EP veröffentlichen darf. Und das sogar als 12”-Vinyl. Qualität setzt sich eben durch.
Mit vielseitigen und tiefgründigen Songs beeindruckt Jule von der ersten Sekunde an. Mit anscheinend spielerischer Leichtigkeit gelingt es der jungen Sängerin verschiedenste Stile in ihre Songs einfließen zu lassen. Egal ob Punk, Rap oder Songwriter Mucke, Jule versteht es ihre musikalische Sozialisation zu einem ganz eigenen Stil zu formen. Und auch lyrisch überzeugt die EP, denn Jule nimmt kein Blatt vor den Mund und lässt uns an ihren inneren Kämpfen und Gedanken teilhaben. Sei es im meldodieverliebeten Opener „Alles wie immer” oder im melancholischen „Nähe und Distanz”. Das schnelle „Ganz leicht” thematisiert die dunklen Momente in unserem Leben, die wohl jeder kennt. Eine Nummer, die bei der Suche nach einem Ausweg Halt geben kann und als Trostspender funktioniert.
Und auch die B-Seite hält die Qualität hoch. „Ich bekomme keine Luft” ist so etwas wie der Quasi-Titeltrack von „Im Regio weinen”. Thematisch dreht sich die Nummer um Angst und wie dieser Zustand zu einer gewissen Lähmung im Leben führen kann. Das klingt bisweilen sehr düster und Jule gönnt sich und dem Zuhörer auch kein Happy End in diesem Track. Erst das anschließende „Egal” bietet einem ironisch die Flucht in die Apathie an. Doch das abschließende „Bis zur Erschöpfung” zieht einem dann wieder den Boden unter den Füßen weg. Düster, emotional, ungeschönt und mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit, die dafür sorgt, dass sich eine besondere Verbindung zum Zuhörer aufbaut. Stark.
Das die Songs der EP allesamt nicht schwach auf der Brust klingen, liegt an den zusätzlichen Gitarren und Gesangsspuren, für die sich Tilman Gottfried aka tigeryouth verantwortlich zeichnet.
Unterm Strich gelingt Jule mit ihrer Debüt-EP ein bemerkenswerter Einstieg in die Musikszene. Und ich müsste mich schon sehr irren, wenn da in den nächsten Monaten und Jahren nicht noch ganz viel großartige Musik folgen wird. Denn das unfassbare musikalische Talent Jules, springt einem direkt ins Ohr.
Und wer Jule dieses Jahr noch live erleben möchte, hat bei einer Hand voll Konzerte noch die Gelegenheit. Aber keine Sorge, weitere Gigs sind in Planung:
JULE – Live 2024
12.07.24 Hamburg, Cruise Records (EP Release Show) – Eintritt frei
10.08.24 Braunschweig, Applaus Garten (vor Kettcar)
02.10.24 Osnabrück, Kleine Freiheit (vor Captain Planet)
Review: Marc Erdbrügger
Fotocredit: Antek Pioch
