Mit diesem Interview haben wir die Möglichkeit erhalten, mit der aufstrebenden Band TYNA zu sprechen. TYNA, die ihr Debütalbum „PNK“ diese Woche veröffentlichen werden, zeichnet sich durch eine kraftvolle Verbindung von Musik und Botschaften zu gesellschaftlichen und politischen Themen aus. Mit einer ehrlichen und authentischen Herangehensweise an ihre Kunst hat die Band eine breite Palette von Themen in ihren Texten verarbeitet, darunter politische Aktivismus, persönliche Herausforderungen und gesellschaftliche Normen. Im Folgenden erfahren wir von den Bandmitgliedern David und Tina mehr über die Entstehung ihres Albums, ihre musikalischen Einflüsse und ihre Erwartungen an die Reaktionen des Publikums während ihrer bevorstehenden Tour.
Frontstage Magazine: TYNA, euer Debütalbum „PNK“ setzt sich thematisch mit gesellschaftlichen und politischen Themen auseinander. Wie spiegelt sich eure Haltung zu aktuellen politischen Entwicklungen in der Musik und den Texten des Albums wider?
David: Wir wollen ganz klar Position beziehen mit unseren Songs, und unsere persönliche Haltung spiegelt sich daher immer wieder in der Musik und in den Texten. Deswegen diskutieren wir auch mal innerhalb der Band über die richtige Herangehensweise, weil es die Trennlinie zwischen Privatem und Musik nicht gibt. Und wir versuchen auch, die Zusammenhänge zwischen vermeintlich privateren Themen wie mentaler Gesundheit und politischem wie Turbokapitalismus und Klimawandel zu untersuchen. Ich denke immer, das Private ist auch irgendwie politisch. Es ist alles eng verknüpft, das sieht man ja auch bei den Rechten, die vor allem mit den ganz privaten Ängsten der Menschen Münze machen. Deswegen: Ohne Haltung geht’s bei uns nicht!
Frontstage Magazine: Insbesondere der Song „FCK FRNTX (paradies europa)“ kritisiert die Aktionen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Wie hofft ihr, dass eure Musik dazu beitragen kann, Bewusstsein für diese Thematik zu schaffen und vielleicht sogar Veränderungen anzustoßen?
David: „FCK FRNTX (paradies europa)“ ist zuallererst einmal aus einem Gefühl großer Wut und Trauer entstanden. Es macht uns unfassbar traurig, was da passiert im Mittelmeer, wie viele Leute auf grausamste Art und Weise komplett im Stich gelassen werden, die keine andere Agenda haben als auf ein Leben in Sicherheit zu hoffen. Und wenn es nicht die zivilen Seenotrettungs-Teams gäbe, die vor Ort ihre unschätzbare Arbeit leisten, dann würden wir von dem ganzen Elend ja nicht mal was mitbekommen. Es geht also darum, sich bewusst zu machen: Wir leben hier in unserem Wohlstand und unseren Privilegien und nicht weit von unseren beliebtesten Ferienorten ersaufen jedes Jahr zigtausende Menschen. Und dann zu sagen: Wir sehen die EU und ihre Mitgliedsstaaten da in der Pflicht, endlich ihren Kurs zu ändern. Zumal gerade diese Strukturen oftmals auch an den Fluchtursachen direkt beteiligt sind. Natürlich freuen wir uns, wenn „FCK FRNTX“ einen Teil dazu beiträgt, das öffentliche Bewusstsein für das Thema zu stärken und so auch Veränderung anzustoßen in Form von Spenden, Aktivismus und nicht zuletzt beim Gang an die Wahlurne.
Frontstage Magazine: „Heute Euphorie“ behandelt das Thema Depressionen und zeigt, wie ein Lächeln den wahren Seelenzustand eines Menschen verbergen kann. Inwiefern war es für euch als Band wichtig, auch persönliche und emotionale Themen auf dem Album anzusprechen?
Tina: Für mich war es schon immer wichtig, emotionale und authentische Songs zu schreiben. „PNK“ beinhaltet nur Themen, die uns in den letzten Jahren sehr beschäftigt haben. Wir finden, dass emotionale Musik und Texte so viel bewegen und verändern können. Sie schaffen die Verbindung zwischen allen Menschen, oft viel leichter als durch Worte. Und genau das möchten wir auch mit unseren Songs erreichen.
David: Ich glaube, das liegt im Kern des Projekts, dass die Songs sehr persönlich sind. Das ist auf „PNK“ nicht anders, ich denke sogar, wir haben vielleicht sogar nochmal eine Schippe draufgelegt. Und es sind gerade die persönlichsten Songs, für die wir das tollste Feedback bekommen. Das freut uns übertrieben, wenn die Leute sich in den Texten wiedererkennen und sich selbst oder einander dadurch näherkommen können. Zumal wir die Songs ja nicht zuletzt für uns selbst schreiben, wir haben ja auch nicht alle Antworten. Aber vielleicht können wir immerhin unsere Sinnsuche und unsere Herausforderungen in Songs verpacken und damit sagen, so geht’s uns, kennst du das?
Frontstage Magazine: Sängerin Tina hat sich auf Social Media über ihren eigenen gesundheitlichen Zustand geäußert und den Spagat zwischen der Bühne und der Suche nach Hilfe in einer Tagesklinik beschrieben. Wie beeinflusst persönliche Authentizität die Art und Weise, wie ihr als Band mit eurer Community kommuniziert?
Tina: Durch diesen kleinen Einblick in meine Gefühlswelt und meine Erfahrungen möchte ich allen Zuhörer:innen das Gefühl geben, dass sie nicht alleine mit ihren Themen sind. Egal wie erfolgreich du als Band bist, egal wie dein Leben verläuft, Depressionen können jede:n treffen. Seit ich „TYNA“ vor 10 Jahren gegründet habe, war es mir immer wichtig ehrlich und authentisch mit unserer Community zu sein. Das hat sich auch seit unserer Bandgründung nicht verändert. Es ist manchmal ein kleiner Spagat zwischen „ehrlich und authentisch sein“ und „trotzdem ein Privatleben haben“, darin üben wir uns aktuell alle noch.
David: Bei allen Problemen und Schwierigkeiten mit Social Media, das ist doch die große Stärke, dass Instagram und Co. uns ermöglichen, ganz direkt und authentisch mit der Community in den Austausch gehen zu können. Ich glaube, anders als ehrlich wollen wir das auch gar nicht machen, das passt nicht zu uns. Auch in der Musik geht’s ja immer wieder darum, Verbindungen zu schaffen, den Leuten zu sagen, ihr seid nicht alleine. Wir wollen auch nicht zu dieser Glanzbubble beitragen, wo alle nur ihre gephotoshopten Highlights teilen.
Frontstage Magazine: Euer Punksong „SCHEISSVEREIN“ thematisiert die Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Unabhängigkeit und dem Gefühl, überall dazuzugehören. Wie reflektiert dieser Song eure Haltung zu gesellschaftlichen Normen und Konventionen?
Tina: Es ist gar nicht so leicht, das eigene Ding durchzuziehen und dabei noch unabhängig zu bleiben. An bestimmte Normen und Konventionen hält man sich am Ende doch fest oder es ist letztendlich so, dass manchmal gar kein Weg an ihnen vorbeiführt. Genau diese Ambivalenz spiegelt der Song „SCHEISSVEREIN“ für mich wider. Wir finden viele Normen und Konventionen scheiße, aber leben sie trotzdem.
David: Für mich steckt hinter dem Song irgendwie auch die Frage, wie viel muss ich die Dinge wie „die Anderen“ sehen (oder hinnehmen), um mich zugehörig zu fühlen? Und wie viel habe ich mich bewusst dafür entschieden, irgendwo dazuzugehören? Natürlich geht es in „SCHEISSVEREIN“ nicht darum zu sagen, los, schaffen wir alle Gesetze ab, lösen alle Gemeinschaften gänzlich auf und leben alle nur noch alleine und losgelöst das Aussteigerleben. Wir zählen ja auch Gemeinschaften auf, von denen wir selbst (mehr oder weniger) willentlich Teil sind, unsere Familien, unsere Band, haha. Aber wenn wir hinterfragen, wie viel wir uns wirklich über die Zugehörigkeit zu Gruppen und Labels definieren wollen, dann kann uns das auch freier machen.
Frontstage Magazine: Das Album „PNK“ wird von einem breiten musikalischen Spektrum geprägt. Wie habt ihr es geschafft, diverse Genres zu integrieren, um eure Botschaften auf vielschichtige Weise zu vermitteln?
Tina: Ehrlich gesagt haben wir darüber gar nicht nachgedacht, sondern einfach gemacht. Wir alle kommen aus unterschiedlichen Genres und das hört man auch auf PNK. Kopf aus, Musik an.
David: Wir sind 5 Musiker*innen mit ganz verschiedenen Backgrounds und das fließt dann einfach ein in unsere Musik. Das geht ganz natürlich und resultiert auch durchaus in unerwarteten Kombinationen. An Vielfalt mangelt es dabei dann eher nicht, eher im Gegenteil – ihr solltet mal in unsere Demo-Ordner reinhören… Glücklicherweise haben wir in Flo Nowak einen super Produzenten für PNK gewonnen, der uns geholfen hat, dem Album seinen Sound zu geben, und nicht zuletzt klingt es am Ende immer nach TYNA, weil immer TYNA drin ist.
Frontstage Magazine: Mit der Tour begleitet ihr die Veröffentlichung eures Albums. Welche Erwartungen habt ihr an die Reaktionen und Interaktionen mit eurem Publikum während dieser Tour, insbesondere im Hinblick auf die politischen Botschaften eurer Musik?
David: In erster Linie wird es natürlich eine Riesen-Party – wir freuen uns einfach tierisch, die Songs auf die Bühne zu bringen und mit unserem tollen Publikum ordentlich abzudancen! Ansonsten sind wir ganz offen und natürlich sehr gespannt, wie die Leute die neuen Songs aufnehmen und mit ihnen in den Austausch zu gehen. Wir wissen ja schon aus der Vergangenheit, dass wir immer ein tolles Publikum haben, wir können also nur gewinnen.
Fotocredit: Carlos Andres