Noch ein letztes Mal unter freiem Himmel im großen Stil feiern war die Devise in der Bundeshauptstadt, wo das Lollapalooza Festival standesgemäß die Open-Air-Festival-Saison abschloss. Dazu holte das Wetter den Spätsommer zurück und zauberte am zweiten Septemberwochenende sommerliche Temperaturen von über 30 Grad. Das Festival, das seinen Ursprung in den USA hat und sich mittlerweile ebenfalls in Berlin als feste Größe in der Festivallandschaft etablierte, versprach neben musikalischen Highlights von Pop bis Elektronik ein buntes Rahmenprogramm. Zwei Wochen vor Herbstbeginn wurde der Sommer 2023 gebührend verabschiedet.
Unter besagter gleißender Mittagssonne machte für uns Domiziana auf der Perry Stage im Olympiastadion den Anfang. Die Sängerin war höchstmotiviert, weil sie endlich mehr als nur einen Song auf Festivals spielen durfte. Nichtsdestotrotz hielt sie den Anwesenden ihren Hit „Benzin„, um den es sich handelte, während ihrer halben Stunde Spielzeit ab halb Zwei nicht vor. Überschwänglich fragte sie das Publikum dazu mehrfach, ob sie Bock auf einen Rave hätten und dass Berlin dafür die perfekte Adresse sei. Ideal also um mit ihrem an die 90s angelegten Hype-Pop die Party in Gang zu setzten. Nach 15 Minuten Verschnaufpause und einem kurzen Intro übernahm Shootingstar Ski Aggu die Bühne. Aus Berlin-Wilmersdorf stammend war es für den 25-jährigen ein gewünschtes Heimspiel. Ebenso freudig empfing ihn das Publikum, allen voran die wenigen Glücklichen, die es noch in den ersten Wellenbrecher schaffen konnten. Mit Tracks wie „Friesenjung“ stellten sich alle Zeichen auf Party und es wurden die Fäuste im Beat gen strahlend blauen Himmel gereckt. Zudem gab er zu, dass er sich zu der Look von „Super Wavy“ rein gar nichts beim Schreiben gedacht hatte. Das Konzept irgendwo zwischen Hip-Hop und Electro schien voll aufzugehen und traf direkt ins Schwarze, sodass alle gemeinsam feierten.
Was am ersten Tag wirklich positiv auffiel war der hohe Anteil an Flinta-Artists. Mittags angefangen mit Singer-Songwriting Vibes von Jesse Jo Stark bis abends 19:45 Uhr zum Ende vom Hip-Hop Set von Wa22ermann hatte man durchgängig die Möglichkeit Flinta quer über alle Bühnen und Genres hinweg zuzuhören. Für den Abend stellte Headlinerin Aurora aus Norwegen neben David Guetta, Mumford & Sons sowie Alligatoah den weiblichen Part. Bis dahin vertrieben wir uns den sonnigen Tag zum Beispiel mit Ayliva auf der Mainstage North. Die Frage der Künstlerin, ob das Publikum gute Laune hatte, wurde natürlich lautstark bejaht. „Cool, dann ändere ich das jetzt, ich habe Liebessongs dabei“ war die Antwort der Sängerin. In den nächsten 55 Minuten visualisierte sie mit ihren Songs wie beispielsweise „Deine Schuld„, „Hässlich“ oder „Was mir gefällt„, wie der Liebeskummer der letzten Beziehung sie vor zwei Jahren zur Musik brachte, obwohl ihr Ex nicht wollte, dass sie von fremden Männern in der Öffentlichkeit angeschaut werde. Ihre Antwort darauf war mit ihrem Debüt „Weisses Herz“ mehr als eindeutig. Heute stand sie auf der Bühne des Lollas und verteilte Rosen an die ersten Rehen. Zur Hook von „Scheine zählen“ wurden alle diese Blumen in die Höhe gereckt und es regnete Papierherzen.
Im Folgenden lieferten Zara Larsson und Ava Max ihre Shows ab, die Superstars würdig sind. Perfekt einchoreographiert tanzten sie sich durch ihre Pop-Hymnen, die hauptsächlich aus dem Radio bekannt sind. Für Zara Larsson war es wie für viele Besuchenden ihr Summer Closing nach einem hervorragenden Sommer. Während sie die Leute mit Tracks wie „Ruin My Life“ oder „Symphony“ zum Tanzen brachte, tat Ava Max es ihr mit ihren Versionen wie „Kings & Queens“ oder „Not Your Barbie Girl“ gleich. Bei beiden Auftritten hätte man sich grundsätzlich über wunderbare Performances zweier außergewöhnlicher Stimmen mit ansprechenden Tanz freuen können, doch Zara Larsson machte ihre Sache im direkten Vergleich um einiges überzeugender. Zeitgleich mit den beiden Damen auf den Hauptbühnen, wartete die Electro-Bühne mit Vini Vici, dessen Bass die Hutkrempen vibrieren ließen, sowie W&W auf. Letztere hatten das Glück, dass der Boden des Stadions mehr und mehr in Schatten getaucht wurde, sodass die Fans sich körperlich unbeschwerter verausgaben konnten. Genutzt wurde diese frei werdende Energie vor allem für die kollektive Crowd Control und das Hüpfen in Kreisen. Ihr etwas schnelleres und „dolleres“ Set als auf manch anderen Festivals gab zudem den perfekten Anlass dazu.
Schweißtreibend versprach auch der nächste Act Kaffkiez zu werden. Die Band hatte für den heutigen Abend eigentlich geplant mit einem Kaltgetränk den Sommer im heimischen Rosenheim zu zelebrieren, doch das Lollapalooza machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Kurzfristig rief das Festival das Quintett auf den Plan und wenn Berlin anklopft, zögert man natürlich nicht lange die Alternative Stage noch ein letztes Mal diesen Sommer abzureißen. Mit diesem Anspruch wurden die Stunde Spielzeit angegangen und sollte nicht enttäuschen. Doch zunächst startete das Publikum mit Startschwierigkeiten indem der erste von der Band gewünschte Tanzkreis mit verwirrt blickenden Zuschauenden unverrichteter Dinge wieder zusammenging. Kaffkiez ließ aber nicht locker, wobei allen voran Keyboarder Johannes immer wieder zum Mitklatschen und Mitmachen animierte. Auch Sänger Johannes nahm sich noch einmal die Zeit lieb zu erklären, was bei einem Festivalbesuch die magischen Momente beschreibt, wenn alle gemeinsam springen und eine gute Zeit haben. Also schnell noch einmal die Grundregeln geklärt mit dem Appell die Neulinge an die Hand zu nehmen und siehe da, Berlin, auf einmal sprang der gesamte vordere Zuschauerraum – so geht das richtig! Nachdem die Leute das Prinzip verstanden, hörten sie gar nicht wieder auf und schafften es auch in tiefgründigeren Liedern, die eigentlich von Freundschaft und romantischer Rettung handelten, einen Moment zum Tanzen zu finden. Von dieser euphorisierenden Energie wurde alle angesteckt, hatten besagte gute Zeit miteinander und kreierten zusammen einen unvergesslichen Festival-Moment.
Doch das eigentliche Highlight stand mit der Nummer 2 der DJ Szene eigentlich noch bevor. Auf dem Weg zu David Guetta über das Feld konnte man noch perfekt den Blick auf Abschlussfeuerwerk von Mumford & Sons mitnehmen. Passend dazu verklangen die letzten Töne von „I Will Wait„. Alleine dieser Ausschnitt brannte sich als die Perfektion eines Festivals im Sommer in die Gehirne ein. Der Master himself ließ im Anschluss nichts Anbrennen und wurde von vielerlei Spezialeffekten begleitet, um eine atemberaubende Show abzuliefern. Das Set nahmen wir zumindest zu Beginn als etwas mainstreamlastiger war als zum Beispiel bei den letzten zwei World Club Dome Ausgaben der Fall war. Dennoch kamen die Radio- und Clubhits bestens beim Berliner Publikum an und es konnte sorglos in die Nacht getanzt werden. Der französische DJ schloss somit den ersten Tag des Lollas gebührend ab.
Der zweite Tag stand seinem Vorgänger in puncto Sonne und perfektem Sommerwetter in nichts nach. 30 Grad mit Sonne satt waren die fantastischen Aussichten, um unter anderem Künstler*innen wie Pretty Pink, Chase Atlantic, Bilderbuch oder Lovejoy auf dem Programm. Neben diesem abwechslungsreichen musikalischem Angebot, gab es auch in diesem Jahr wieder ein buntes und vielfältiges Rahmenprogramm. So entstand auf dem Gelände rund ums Olympiastadion herum eine weitläufige Landschaft, die neben dem obligatorischen Verpflegungsangebot mit weiteren Themenwelten lockten. Nahe der Weingarten Stage konnte man Kooperationspartner rund um das Thema Beauty und Schmuck entdecken, die als Fashionpalooza zusammengefasst wurden. Auf der anderen Seite der Arena wurde kritisch in Richtung Nachhaltigkeit gedacht. NGOs, Start-ups, Initiativen, Kampagnen und Vereine des Grünen Kiezes gaben Raum, um über Klimawandel, Gleichberechtigung, Menschenrechte zu sprechen. Zudem gab es wieder einige Walking Acts, die mit meterhohen Skulpturen oder flippigen Kostümen ins Staunen versetzen konnten. Weiterhin sei genannt, dass kaum ein anderes Festival in Deutschland so kinderfreundlich ist wie das Lolla, das den kleinsten Besuchenden mit „Kidzapalooza“ ihren ganz eigenen Bereich einräumte. Auch auf dem Hauptgelände konnte man sich über zahlreiche Familien freuen.
Diese perfekte familienfreundliche Atmosphäre kam nicht von irgendwo her. Die Polizei lobte am zweiten Veranstaltungstag das Lolla, dass sie selten so ein friedliches Festival erlebt hätten. Diesen Eindruck unterschrieben wir gerne voll und ganz. Über 60.000 Gäste feierten harmonisch miteinander und durch das grandiose Wetter waren es einfach zwei herrliche Sommerabende ohne Störenfriede. Da konnte man nicht anders als Jubeln, als endlich der US-amerikanische Superstar Jason Derulo seine Show eindrucksvoll aus dem Off der dunklen Bühne eröffnete. Protzig, wie in der Rap-Szene gerne üblich, gestaltete der Sänger seine Show. Dazu zählten mehrere knapp bekleideten Tänzerinnen und Tänzer sowie aufeinander abgestimmte Feuer- und Pyroeffekte, die den 33-jährigen effektiv in Szene setzten. Zwar war die Party nun nicht durchgängig bis in die allerletzten Reihen sichtbar, aber trotzdem wurde eine solide Show mit seinen bekanntesten Tracks geboten.
Auf einem etwas anderen Level wissen auch SDP, wie man eine gute Show veranstaltet. Gleich zum zweiten Song „Wenn ich groß bin“ wurden überdimensionierte Wasserbälle und Aufblastiere ins Publikum gegeben, mit dem kleinen Fail, dass der erste Ball bei seiner Hereingabe direkt eine nichtsahnende Besucherin weggebasht hatte. Die Party konnte aber glücklicherweise fortgesetzt werden. Dafür kamen Dag und Vincent ins Publikum und ließen alle zusammen auf die Knie geben und aufspringen. Für weitere besondere Freude sorgte der Besuch von gleich drei Feature-Gästen (Finch „Liebe ist..„, Kontra K „Ich will mein Problem zurück“ und Montez „Wie viele Lieder muss ich noch schreiben?„). Allesamt lieferten ordentlich ab und kamen für ein Gruppenbild am Ende noch einmal zusammen. Die Stimmung im sonnenuntergehenden Licht war so locker und losgelöst, wie man es sich nur wünschen kann. Beste Aussichten also für den letzten Acts des Tages Imagine Dragons, deren Fans vor dem ersten Wellenbrecher schon für vordere Plätze Schlange standen.
Bevor es soweit war, hatte ein anderer Herr noch ein Wörtchen mitzusprechen, denn Rapper Macklemore hatte nichts anderes vor als die südliche Hauptbühne abzureißen. Insgesamt 70 Minuten lang veranstaltete er die größte Party des gesamten Wochenendes. Von der ersten Minute an war an Stillstehen nicht mehr zu denken und die Energie einfach nur ungezügelt hoch. Es wurde berichtet, dass zu Songs wie „Can’t Hold Us“ selbst diejenigen, die vor der anderen Bühne auf der anderen Seite des Geländes warteten, nicht zu halten waren. Das traf ebenfalls auf den Sänger selbst zu, der sich unter Konfettiregen vorne ins Publikum stürzte. Die Stimmung war fantastisch und nur noch schwer zum tippen. Mit diesem unvergleichlichen Auftritt markierte Macklemore den fulminanten Schlussstein des Lollapaloozas 2023.
Mit Schützenhilfe des fantastischen Sommerwetters machte das Lollapalooza im Berliner Olympiastadion den Sommerabschluss perfekt. Das Finale hätte kaum schöner sein können und wurde mit zwei Tagen voller toller Künstlerinnen und Künstler markiert, für die es meistens selbst die letzte Open-Air-Show des Jahres war. Außerdem wurden ausführliche Programmpunkte angeboten und ein ausgeglicheneres Line-Up zelebriert. Acts wie Zara Larsson, Kaffkiez, David Guetta und Macklemore sorgten für Highlights, die lange im Gedächtnis nachhallen werden. In diesem Sinne können wir uns beim Lolla sowie allen anderen Festivals für eine spektakuläre Saison 2023 bedanken. Spannend wird es im nächsten Jahr, wenn am Wochenende des 07. und 08. Septembers das Superbloom in München, der World Club Dome in Frankfurt und das Lollapalooza in Berlin gleichzeitig stattfinden werden.
Fotocredit: Kevin Randy Emmers