Langweilige Acts, schlechter Sound und miserables Essen: All das konnte sich die siebte Edition des Parookaville-Festivals in Weeze nicht auf seine Fahne schreiben. Stattdessen glänzte Deutschlands größtes Electronic Music Festival mit erstklassigen Künstler*innen, interessanten Attraktionen und einem gelungenen Konzept.
Zahllose Konzerte und Festivals habe ich nun schon hinter mir gelassen. Mit jedem verbinde ich wunderschöne Momente und lustige Erinnerungen. Doch keines hat mich jemals so sehr begeistert wie das Parookaville-Festival vom 21. bis 23. Juli 2023. Lasst mich euch erklären, welche Ereignisse dazu geführt haben und weshalb ich euch eine Pilgerfahrt ins urige Weeze auf jeden Fall ans Herz lege.
Als ich erfuhr, dass es für mich nach Weeze geht, explodierte ich vor Glück. Ich liebe elektronische Musik, die wummernden Bässe und die glückselige Atmosphäre der Festivals. Tage vorher packte ich schon aufgeregt meine Sachen und konnte es kaum abwarten, bis es endlich losging. Denn mehr als 300 Künstler*innen auf zwölf Stages ist schon eine Ansage an sich. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das Parookaville in diesem Jahr erst seinen siebten Geburtstag feierte – und das siebte Mal in Folge restlos ausverkauft war.
Voller Vorfreude und mit einem Gefühl der inneren Ruhe, begab ich mich am Freitagmittag schließlich auf den lang ersehnten Weg zum ehemaligen Militärflughafen der Royal Air Force in Weeze, in und um dessen Bunker das Spektakel stattfinden sollte. Ich war sehr gespannt auf die Anreise, weil die Veranstalter nach dem stark kritisierten Verkehrschaos in den vergangenen Jahren Besserung gelobten. Zwar staute sich der Verkehr vor dem Gelände, lange Wartezeiten blieben allerdings aus. Auto abgestellt, stürzte ich mich in die rund 150.000 qm² große City of Parookaville, die mittlerweile 225.000 Citizens zählt.
Ich brauchte ein bisschen, um all die Eindrücke auf mich wirken zu lassen und mich zu orientieren. Zu beeindruckt war ich von der futuristischen Kulisse der Stadt und den bezaubernd wie schillernd aussehenden Einwohner*innen. Im Vergleich zu anderen Festivals erstaunte mich von Beginn an die besondere Detailverliebtheit, die es hier zu bestaunen gab. Handbemalte Wegweiser ebneten den Weg zu den Destinationen, bizarre Gestalten im Steampunk-Design ließen alle Augen auf sie richten und die vielen Orte und Attraktionen der Stadt waren zu schön, um wahr zu sein. Ich konnte nicht glauben, dass ein so perfektioniertes Festival solcher Größe sich erst in der siebten Edition befindet.
Als Steve Aoki am Freitagabend auf der Mainstage die Menge zum Beben brachte, kam ich mit dem 29-jährigen Felix aus Aachen ins Gespräch. Er erzählte mir die Story hinter dem Festival: „Einst lebte der Architekt und Zeitreisende Bill Parooka. Er hatte ein Faible für futuristische Ideen und ausgefallene Bauten. Leider wurde er zu keiner Zeit in den Geschichtsbüchern erwähnt und seine Visionen überliefert. Doch lang nach seinem Tod fanden seine Anhänger*innen, die Billders, seine Manuskripte, die seine Vision beschrieben: Celebrate the joy of life. Weil immer mehr seine Visionen teilten, ließen die Anhänger*innen schließlich eine wunderschöne Stadt zum Leben erwecken, die seinen Vorstellungen entspricht. Eine Stadt, in der die Billders gemeinsam mit den anderen Einwohner*innen leben und für einen kurzen Augenblick in eine Welt abseits des täglichen Wahnsinns abtauchen. Voller Liebe, Harmonie und Glückseeligkeit. So kann die Legende des Gründervaters Bill Parooka fernab jener Geschichtsbücher weiterleben.“
Diese Story ist selbstverständlich nur fiktiv, dennoch basiert auf ihr das Konzept des Festivals und dessen Akteur*innen. Damit eine Stadt funktionieren kann, bedarf es selbstverständlich einigen Institutionen. So beispielsweise dem Rathaus namens Townhall. Es ist aus historischen Plänen errichtet und ein beliebter Treffpunkt im Herzen der Stadt. Hier erhalten die Citizens ihren offiziellen Pass, können im Fundbüro Lost & Found nach verlorenen Sachen Ausschau halten oder im Post Office Briefe an ihre Liebsten versenden. In der Parooka Church, der Kirche dieses entzückenden Städtchens, gaben sich in diesem Jahr 2.000 Paare, frei von Sitten und Religionen, das Ja-Wort. Doch bei all den wunderbaren Elementen der Stadt stand eines besonders im Fokus: das Monument des Gründervaters Bill Parooka. Die gigantische Statur überblickt mit sieben Metern sein gesamtes Vermächtnis und freut sich über Selfies mit seinen Bürger*innen. Auch das Gefängnis des 225.000-Seelen-Dorfes war ein absoluter Hingucker. Denn dort bekamen Citizens tatsächlich lebenslänglich. Allerdings Kunst auf die Haut. Die besten Tattoo- und Piercing-Künstler*innen Nordrhein-Westfalens kamen an dem vergangenen Wochenende im Jail von Parookaville zusammen, um den Bürger*innen Kunst auf die Haut zu zaubern.
Wie es sich für eine blühende Stadt gehört, berichtete außerdem eine Tageszeitung täglich über die aktuellen Geschehnisse, während das Bermuda-Viereck als offizielles Freibad von Parookaville für erfrischende Abkühlung sorgte. Doch nur wenige sprangen in das kühle Nass, weil der Wettergott ab Samstagabend voller Elan seine Sprühflasche zückte. Nur während der offiziellen Parookaville Ceremony hielt er für einen kurzen Moment inne und betrachtete das kunterbunte Spektakel. Ab Sonntagnachmittag legte er dann zum Bedauern aller Citizens so richtig los und ließ Wasserkübel über die Stadt ergießen. Glücklicherweise war die Sonne den gesamten Freitag über in der Stadt zu Gast und verwöhnte die Citizens mit ihren warmen Strahlen. Jene, die im warmen Sand der Desert Valley badeten, sich entspannten und einen kühlen Drink genossen, hatten wahrscheinlich das Gefühl, in den Urlaub abgebogen zu sein. Nur ohne Meer, aber dafür mit Palmen, Hängematten, Schaukeln und aufregenden Fahrgeschäften. Dieses kurze Auszeit-Abenteuer wurde von einem verlockenden Klangteppich aus elektronischer Musik begleitet.
Bei einem gemütlichen Spaziergang durch den City Forest, südwestlich der Desert Valley, blieben viele Einwohner*innen überrascht an den Upcycling-Kunstwerken der Weezer Künstlerin Nadine Lou Nebel stehen und bewunderten ihre Werke. Denn sie fertigte aus alten Fahrradteilen ziemlich famose Dinge. Auch der Sprayer der Stars war zu Besuch in Parookaville. René Turrek ist Urban Art-Künstler, hat sich mit Auto-Graffiti unter anderem in Abu Dhabi und Miami einen Namen gemacht und zauberte auf dem Festivalgelände ziemlich grandiose 3D-Bilder, die nicht nur mich staunen ließen.
Abseits der vielen großartigen Attraktionen und musikalischen Wohlklängen empfand ich den Food Court als ein absolutes Paradies für Foodies. Die Veranstalter versprachen im Vorfeld „besonders gutes und leckeres Essen aus der Umgebung“. Sie scheinen alles richtig zu machen, denn bei Pizzaoki habe ich die wohl beste Pizza meines Lebens gegessen. Bezahlt habe ich natürlich mit der Währung der Stadt: den Token.
Das i-Tüpfelchen der gesamten Kulisse stellten mit Abstand die zehn imposanten Bühnen der Stadt dar, auf denen sich Beats, Flammen und Strobolichter von DJs wie Kygo, Dimitri Vegas & Like Mike, The Chainsmokers und Hardwell jagten. Viele Acts präsentierten ihre Beats dabei sneaky in einem der Hangars, was schon eine absolut mittreißende Atmosphäre schuf. Dropt dann noch der Bass und die Flammen schießen in die Höhe, kann es kaum schöner werden. Doch mein persönliches Highlight war die offizielle Parookaville-Zeremonie am Samstagabend auf der Hauptbühne. Die 170 Meter breite Mainstage ist ein retro-futuristisches Pumpwerk mitsamt fulminanter Schnapsbrennerei, erbaut nach den Plänen von Bill Parooka und mit 30 Metern Höhe die fetteste Festivalstage in ganz Europa. An sich war die Bühne schon gigantisch genug. Doch nach dem Auftritt von The Chainsmokers um 1:45 Uhr erlosch plötzlich das Licht und alles wurde still. Einige Minuten vergingen, bis die Bühnenlichter flackernd zum Leben erwachten und eine kraftvolle männliche Stimme aus den Boxen die Zeremonie der Stadt einleitete. Meterhohe Flammen schossen in die Luft und ein atemberaubendes Meisterwerk der Pyrotechnik erhellte den dunklen Nachthimmel. Noch nie zuvor war ich so fasziniert und sprachlos zugleich. Es war ein grandioses Spektakel, das wahrscheinlich nicht nur mir absolutes Gänsehautfeeling bescherte.
Noch nie habe ich so ausgelassen im Konfettiregen von Headhunterz & Wildstylez getanzt und mich bei Finch im Dauerregen auf eine warme Dusche gefreut, wie auf dem diesjährigen Parookaville-Festival. Bernd Dicks, Co-Gründer und -Veranstalter resümiert: „Was als Party von drei Weezer Jungs begonnen hat, ist zu einem der wichtigsten Festivals Europas geworden. Wir sind stolz und glücklich, mit unserem grandiosen Team Parookaville erneut erfolgreich und absolut friedlich zum Leben erweckt zu haben.“
Jetzt kann ich die Leute verstehen, die so von dieser Madness City geschwärmt haben. Natürlich ist der Spaß nicht ganz günstig, die Nächte lang und der Schlaf kurz – dennoch ist dieser Ort absolut eine Reise wert. Ihr wollt euch dieses Spektakel im kommenden Jahr nicht entgehen lassen? Dann sichert euch jetzt eure Tickets für die achte Edition von Parookaville vom 19. bis 21. Juli 2024.
Weitere Infos zu der City of Dreams erhaltet ihr unter www.parookaville.com.
Fotocredit: Jana Treptow