Chester Bennington gehört ganz klar zu den Stimmen der 2000ern – mit seiner Band Linkin Park prägte er mindestens eine Generation und lieh vielen eine Stimme, die für ihren eigenen Schmerz keine Worte fanden. Vor Linkin Park gab es allerdings die Band Grey Daze, deren Rückkehr Chester noch 2017 ankündigte. Dazu kam es im angedachten Sinne dann bekanntermaßen nicht mehr. Aus vorhandenen Tonspuren, die neu arrangiert und abgemischt wurden, erschien 2020 das Album „Amends“, das die Band rückblickend als Zeichen ihrer Trauer sieht. Am 17.06.2022 erschien mit „The Phoenix“ die Ergänzung zu „Amends“.
Mit „Saturation (Strange Love)“ startet das Album mit dem Song, der ebenfalls vorab als Single veröffentlicht wurde. Der Song ist sehr roh und gewaltig und zeigt die musikalischen Ursprünge des „schreienden Gesangs“ Chesters. Eine weitere Singleauskupplung ist der Song „Starting To Fly“. Ein sehr hymnischer Song, in dem es darum geht, sein wahres Selbst zu finden. Geprägt wird der Song durch seine Eingängigkeit und der fast brutal anmutenden Ehrlichkeit. „Be Your Man“ im Anschluss kommt mir vor wie ein Lückenfüller und geht zwischen „Starting To Fly“ und „Holding You“ ein wenig unter.
Eines der größten Besonderheiten auf „The Phoenix“ ist „Hole“. Bei diesem Song wirken Lily und Lila Bennington – die Töchter von Chester mit. Auch wenn der Part der beiden verhältnismäßig kurz ist, ist das Mitwirken doch eine schöne Geste. Ebenfalls erwähnenswert sind die Features mit Dave Navarro („Holding You“) sowie mit Richard Patrick („Believe Me“). Beide sorgen für einen schönen Kontrast. Insbesondere die Dynamik des Songs „Holding You“ gefällt mir, da er sich langsam aufbaut, explodiert und das Gefühl eines Neuanfangs weckt.
Einer der schwermütigsten und dunkelsten Songs ist „Drag“. Er ist durch diese düstere Grundstimmung sehr intensiv und Zeilen wie „Please treat me like I am a fallen angel“ verstärken dies nur weiter. Die Botschaft des Songs ist, dass das Leben zu kurz ist, um es an Drogen zu verschwenden – dies wird im Text ebenfalls aufgegriffen „Life is much too short to be intoxicated“. Intention von Grey Daze ist es Personen mit Drogenvergangenheit etwas zu geben, um sich besser zu fühlen und aus dem „Loch“ herauszuholen.
Aber auch „Anything, Anything“ oder „Spin“ fügen sich gut in die Stimmung des Albums eins. Besonders „Spin“ zählt zu meinen Favoriten auf „The Phoenix“, da der Song eher durch seine Zurückhaltung und zwischendurch mit einem sehr guten Gitarrensolo überzeugt. Zum Ende wird mit „Wake Me“ vergleichsmäßig ruhig und ist dadurch der perfekte „Rausschmeißer“.
Die Band selbst versteht „The Phoenix“ als Hommage an Chester Bennington, seinem Talent und seiner Musik. Dieses Album zeigt eine noch ungeschliffene, rohe Version des Künstlers Chester Bennington – der dessen Talent aber bereits deutlich hervorstach. Es gibt nur wenige KünstlerInnen, deren Stimme zeitgleich Stärke, Energie und Verletzlichkeit ausstrahlen kann. Die Hommage ist Grey Daze mit „The Phoenix“ definitiv gelungen, da sie eine Art Liebeserklärung an das Schaffen von Chester Bennington ist und schaffen es, dass das Projekt keinen faden Beigeschmack bekommt. Grey Daze haben die Songs für „The Phoenix“ mit viel Liebe zum Detail arrangiert und ein zeitloses Album geschaffen, dass weder musikalisch noch inhaltlich so schnell an Relevanz verlieren wird.
Tracklist
1. Saturation (Strange Love)
2. Starting To Fly
3. Be Your Man
4. Holding You (Feat. Dave Navarro)
5. Hole (Feat. Lily Bennington, Lila Bennington)
6. Drag
7. Believe Me (Feat. Richard Patrick)
8. Anything, Anything
9. Spin
10. Wake Me
Fotocredit: courtesy of Grey Daze