Als Yellowcard sich trennten, waren sie sich sicher, dieser Abschied sei für immer. Der Abschied einer der beliebtesten Pop-Punk und Alternative-Rock-Bands der 2000er Jahre war kein Rückzug, sondern ein bewusster Schlusspunkt. Mit einer letzten Tour verabschiedete sich die Band, die einst eine ganze Generation geprägt hat – authentischer Pop-Punk, wie er im Buche steht. Doch das Gefühl, dass ihre Geschichte noch nicht zu Ende erzählt war, ließ Raum für eins der aufregendsten Comebacks des Jahres. „Better Days„, ihr erstes Studioalbum seit beinahe zehn Jahren, wurde von Blink-182s Travis Barker produziert, der zudem auf jedem Track das Schlagzeug einspielte. Die Prämisse entstand, dass es nur ein neues Album gäbe, wenn es das stärkste ihrer Karriere werden sollte. Dies ist definitiv eine Kampfansage der Extraklasse und verdient es in unserer Review genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Tatsächlich ist der Einstieg von „Better Days“ mit der gleichnamigen Single nett, keine Frage, aber der ganz große Wurf ist es in unseren Augen als Opener für so ein prestigeträchtiges Album leider nicht. Vom Gefühl her wagt es zu wenig und ist bis auf die letzten fünf Sekunden sehr poppig ohne offensichtliche Ecken und Kanten. Zum Glück sind die beiden folgenden Tracks an der Stelle ganz anders aufgestellt und gehen eindeutig mehr nach vorne. So kommt „Take What You Want“ mit einem mitreißenden und einprägsamen Chorus auf ein höheres Energielevel und wird dabei von wesentlich mehr getragen als von der Nostalgie der Skater-Zeiten der frühen 2000er Jahre. Song Nummer drei ,“Love Letters Lost„, fällt alleine schon durch seine clevere Alliteration sowie das Feature mit Matt Skiba positiv auf und würde sich eindeutig besser auf Pop-Punk-Playlists machen als „Better Days„. In dieser Manier geht „honestly i“ weiter voran und begeistert besonders mit den Drums. Travis Barker lässt einen gewaltigen Trommelsturm auf die Hörenden herab prasseln, der den Song unablässig weiter treibt und hier ganz klar den dominanten Ton angibt.
Diese vier ersten Songs machen nicht nur den Einstieg des Albums aus, sondern sind fast schon die komplette erste Hälfte. Mit nur zehn Tracks insgesamt auf dem Album, markiert der fünfte Track mit niemand Geringerem als Avril Lavigne die Hälfte des neuen Longplayers. Man sollte meinen, dass damit alle Nostalgie wahr wird, allerdings bleibt auch hier der richtig große Wow-Effekt aus. Irgendwie bleibt das Stück bei den ersten Hörvorgängen zu generisch und trifft nicht wirklich ins Schwarze. Es gibt, neben der schönen Stimmkombination, keinen starken Refrain und kein Gänsehautfeeling. Aber na gut, vielleicht ist die Zielgruppe, die Anfang der 2000er jung war und genau diese Musik so sehr in ihren Kindern- und Jugendzimmern gefühlt hat, auch einfach erwachsen geworden und hätte ein bisschen mehr Eindringlichkeit verdient. Zumindest wird der Song besser je häufiger man ihn hört. „City of Angels“ erinnert zunächst von der Bildsprache an Thirty Seconds To Mars, bevor es sich zu stark in eine elektronische Richtung entwickelt, die man von Yellowcard so nicht erwartet hätte.
Da sowohl „Bedroom Posters“ als auch „Skin Scraped“ wieder ganz anders daher kommen und die guten, alten Zeiten mit „Whoa“-Refrains aufleben lassen, kann man das etwas fehlplatzierte „City of Angels“ schnell wieder vergessen. Das darauffolgende „Barely Alive“ macht die geneigte Hörerschaft allerdings wiederum auf den nicht ganz runden Aufbau aufmerksam. Die Ballade zeigt dennoch eine ganz andere Facette von Yellowcard auf dem Album, welche es ansonsten zu vermissen gegolten hätte. Es wirkt etwas verloren zwischen dem deutlich komplexeren „Skin Scraped“ und dem letzten Track „Big Blues Eyes„, der sehr gemächlich und mit Akustikgitarre bewaffnet aus dem Album rausbringt. Dadurch wirkt der Aufbau nicht immer konsequent und hätte man gegebenenfalls anders gestalten können, wenngleich es insgesamt keine schlechten Songs sind.
Konnten Yellowcard ihrer Kampfansage das beste Album ihres Schaffens produziert zu haben also gerecht werden? Leider nein. Zwar verfügt das Album über zahlreiche gelungene Momente, dennoch bleiben einige Tracks eher zurückhaltend und hätten wesentlich mehr Potenzial zu bieten gehabt, wie beispielsweise das Duett mit Avril Lavigne oder ein heftiges Outro. Ist es deswegen ein schlechtes Album? Nein, absolut nicht! Die Produktion von Travis Barker passt ins Jahr 2025, ist sauber produziert und kann einige Glanzlichter setzen. Nur schafft es das Quartett aus Florida nicht die Qualität kontinuierlich aufrecht zu erhalten, wie es das Dreiergespann aus „Take What You Want„, „Love Letters Lost“ sowie „honestly i“ anfangs aufbaute. Diese kann man guten Gewissens und ohne Einschränkung weiterempfehlen und machen das Herzstück von „Better Days“ aus. Nichtsdestotrotz melden sich die Pop-Punker mit einem ordentlichen Album zurück und lassen die 2000er Nostalgie wieder aufflammen.
Fotocredit: Andrej Hresan