Als die müden Wackinger am Donnerstagmorgen erwachten konnten sie es kaum glauben – Sonnenschein hatte den unaufhörlichen Regen der Vortage vertrieben. Damit versprachen sich beste Aussichten für einen rockigen zweiten Festivaltag, der im Zeichen des Headliners 2025 stehen sollte. Doch bevor die ganz großen Namen spielten, ergab sich die Möglichkeit das Gelände zu erkunden und den kleineren Bühnen einen Besuch abzustatten.
Ausgangspunkt für die Reise zu den Bühnen jenseits des Haupteinganges waren die Hauptbühnen, von denen eine von BAP bespielt wurden. Riesige Wolkentürme zogen hinter den Stages vorbei und boten einen dramatischen Anblick, hoffte man doch, dass man im Sonnenschein verweilen konnte. Und tatsächlich wurde man am Donnerstag auf dem Infield von oben nicht mehr nass, was in diesem Jahr einer Sensation glich. Sonnige Gemüter waren also bereit für die Zeitreise, zu der die Kölsch Mundart-Band passend zu ihrer gleichnamigen Tour einlud. Mit einem Augenzwinkern kündigten sie an, nur Songs zu spielen, die mindestens 40 Jahre alt sind. Und genau das lieferten sie, inklusive ihrer allerersten Radiosingle „Wahnsinn“ aus dem Jahre 1980. Passend zu dem Chip Taylor Cover zückte die Anne, normalerweise verantwortlich für die Streichinstrumente, die Okarina und sorgte für Gänsehautstimmung. Mit rockiger Grundhaltung verging die Stunde Spielzeit wie im Flug.
Danach sollte es zur kleineren Welcome to the Jungle Bühne gehen, die jedoch am anderen Ende des Geländes zu finden war. Der Weg dahin glich eher einer Wattwanderung. Nichtsdestotrotz lud die Sonne ein sich die Stände drumherum anzuschauen, die zeigten wie irrwitzig groß Wacken geworden ist. Vom eigenen Drogeriemarkt Müller über den Farmer’s Market auf dem man W:O:A Käse kaufen konnte bis hin zu den Nonfood-Ständen, die etwa mit Kochkursen oder Tattoos lockten. Selbst wenn es zum Zeit zum Totschlagen gegeben hätte, wäre das Angebot allen Menschen gerecht geworden. Ebenso ging es beim Festival nicht nur um Musik, sondern es gab auch Gäste aus der Spoken Word Welt. Mit Thrillerautor Sebastian Fitzek stand ein Star der anderen Art jetzt auf dem Programm. Direkt als er die Bühne betrat wurde „Ausziehen!“ aus dem Publikum gerufen, was Fitzek trocken konterte: „Es wird eine Thrillerlesung, keine Horrorshow.“ Mit seinem typischen Humor berichtete er von seinem geplatzten Traum als Musiker (verhindert von der Double Bass) und erzählte, dass Bücher Menschen ebenso verbinden wie Musik. Humoristisch beantworte er ihm häufig gestellte Fragen, bevor er aus seinem Buch Das Kalendermädchen las. Ein besonderes Anliegen ist ihm zu differenzieren, ob es eine gute oder eine wahre Geschichte ist. Dies untermauerte er mit mehreren Beispielen, wie etwa dem Pizza-Notruf, und wie daraus urbane Legenden entstehen können. Die Literatur bot dementsprechend ein Kontrastprogramm zur Musik und trug doch ganz die Handschrift Wacken.
Weiter das Kerngeschäft verfolgten Lake Malice, mit denen es auf der Wasteland Stage richtig laut wurde. Alternative Metal Deluxe wurde von dem Duo unterstützt von einer Schlagzeugerin gepowert. Dabei trafen die cleanen Parts genauso ins Schwarze wie die Growls von Frontsägerin Alice Guala. Ihr Kollege Blake Cornwal gab ebenfalls alles für eine energetische Live-Performance. Mit unzähligen Sprüngen und viel Bewegung wurde jede Sekunde auf der Bühne gelebt. Diese Energie wurde an das Publikum weitergegeben, sodass, trotz Matsch, immer wieder Impulse ins Publikum gebracht wurde. Das ganze wurde eingerahmt von der dystopischen Kulisse des Wastelandes, nur dass sie nicht wie sonst in der Endzeit vermutlich im Sand versinkt. Vom Look her war dies eindeutig die aufregendste und coolste Bühne des Festivals, wenngleich Lake Malice im Begriff waren diese direkt mit ihrer Energie abzureißen. Damit lieferten sie einen Auftritt ab, der definitiv im Gedächtnis bleiben wird. Ganz ähnlich und doch komplett anders rockten Static-X die Louder. Highlight an dieser Stelle war ein an eine Discokugel erinnernder verkleideter Mensch, der in einem Schlauchboot crowdsurfte. All dies ist in Wacken ganz normal.
Endlich war es soweit und der Headliner, auf den alle gewartet haben, enterte die Bühne: Guns ‚N Roses gaben sich zum allerersten Mal in Wacken die Ehre und das gleich sage und schreibe dreieinhalb Stunden lang. Das klingt nicht nur wahnsinnig, das war es auch und brachte den Rekord für die längste Spielzeit. Immer wenn solche mega Sets angekündigt sind, weiß man eigentlich schon, dass es schwierig wird über die gesamte Zeit zu performen, vor allem wenn das Debütalbum vor 38 Jahren erschien. Doch die Hardrockband überraschte und zog die gesamte Zeit durch, dass muss man ihnen lassen, wenngleich sich das Alter natürlich nicht so recht verschweigen ließ. Was am Ende blieb, war ein gemischter Eindruck. Der Sound überzeugte an vielen Enden nicht, sei es, dass für die Leute hinten zu leise war, dass es manchmal dissonant klang oder dass Axl Roses beste Zeiten vorüber sind. Ganz klare Gewinner des Abends waren Slash, der zuvor Michael Schenker auf der Bühne einen Besuch abstattete, sowie Bassist Duff McKagan. Die beiden haben das Set getragen und dafür gesorgt, dass Fans von früher Spaß hatten und genau diese nostalgische Begeisterung geschürt für eine Band, mit der viele aufgewachsen sind. Vielleicht war es aber auch nur das letzte Aufbäumen einer Rocklegende, denn all jene, die nicht den Nostalgiebonus genießen konnten, konnte man mit diesem Auftritt eher nicht gewinnen. Trotzdem träumte Wacken an diesem Abend von Waffen und Rosen.

Fotocredits: Kevin Randy Emmers (Titelbild) und Guns ‚N Roses by Guns ‚N Roses // WOA Press Official