Garbage wollen das Licht. Oder wenigstens den Schimmer davon. Auf „Let All That We Imagine Be The Light”, ihrem achten Studioalbum, strecken sie sich nach Hoffnung – und bleiben doch allzu oft im Halbschatten stehen.
Shirley Manson selbst spricht von einem Aufbruch, einem optimistischen Impuls. Sie wolle nicht länger zerstören, sondern aufbauen. Eine noble Vision. Doch schon der Opener „There’s No Future In Optimism“ klingt, als habe man sich beim Versuch, einen flammenden Appell zu schreiben, im eigenen Pathos verfangen. Das Lied beginnt stark, mit cineastischem Drive, aber spätestens im Refrain zieht jemand die Handbremse. Und auch die erste Single wirkte bereits wie eine seltsam fragmentierte Komposition: schöne Passagen, die aber wie lose Einspieler wirken – musikalische Fremdkörper statt organischer Teil des Songs. Es klingt wie Garbage auf KI.
Und genau dieses Gefühl der Kalkulation setzt sich dann auch mit der zweiten Vorab-Single, „Get Out My Face AKA Bad Kitty“, Song Nummer acht des Albums fort. Man schimpft auf das Patriarchat und spielt mit aggressiver Attitüde – inhaltlich wichtig, musikalisch routiniert. Klingt es zu sehr nach einem Punkt auf der To-do-Liste: Feministische Kampfansage? Check. Katzen-Metapher? Check. Es fehlt das Überraschungsmoment.
Das ist ohnehin das große Problem dieser Platte: Sie klingt streckenweise wie Garbage auf Autopilot. Alle Ingredienzen sind da – verzerrte Gitarren, düstere Synths, Manson in Hochform – und doch springt der Funke selten über. Manchmal klingt es, als hätten Garbage vergessen, dass gute Songs nicht nur aus Haltung, sondern aus Form bestehen müssen.
Allen Unkenrufen zum Trotz finden sich jedoch auch noch ein paar Highlights auf dem Album, man muss nur etwas tiefer graben, indem man dem Album ein paar mehr Durchläufe zugesteht. „Have We Met (The Void)“, „Sisyphus“ und das große Finale „The Day That I Met God“ – und plötzlich ist alles anders. Diese drei Stücke erinnern daran, was Garbage können, wenn sie sich nicht auf Parolen, sondern auf Atmosphäre verlassen. Gerade „Have We Met“ trägt mit seinen Stranger-Things-artigen Synthflächen eine Wärme in sich, die vielen anderen Songs fehlt. „Sisyphus“ umarmt die ewige Wiederholung als melancholisches Mantra. Und das letzte Stück, eine Demo-Aufnahme aus Shirley Mansons Schlafzimmer, ist der ehrlichste Moment der Platte: roh, verletzlich, getragen von echtem Gefühl.
In diesen sphärischen Passagen blitzt „Let All That We Imagine Be The Light” auf. Hier ist der Titel kein bloßes Konzept, sondern emotionales Fundament.
Review von Marc Erbrügger
Fotocredit: Joseph Cultice