Eines von Europas mit Sicherheit schönsten Festivals hat wieder seine Pforten geöffnet: das Greenfield Festival auf dem Flugplatz in Interlaken. Ein Wort, welches sowohl Land, Line-Up als auch Leute hier beschreibt: heiß. Nein zwei Worte müssen es sein: extrem heiß! Thermometer sagt: 28 Grad. Himmel sagt: „Blau mit wenig Wolken find ich geil“ und die Crowd sagt: „Wir haben Bock!“.
Ganz traditionell haben wie immer natürlich die Alphornbläser dafür gesorgt den Greenfield Ofen richtig einzuheizen. Trotz recht „früher“ Spielzeit (14:00 Uhr) war es umso schöner zu sehen, dass sich schon jede menge Menschen vor die Bühne bewegt haben, um den Festival Auftakt nicht zu verpassen. Auch wenn man mit den Schweizer Traditionen vielleicht nicht ganz so vertraut ist, war es ganz wunderbar mit anzusehen, dass ein hiesiges Metal Festival auch Platz für andere Genres macht und allen von fern angereisten neben den Bergen auch ein musikalisches Stück Schweiz präsentiert.
Dann rapider Kulissenwechsel auf der Jungfrau Stage. Die Blasinstrumente wurden eingepackt und ein umgedrehter Polizeiwagen, diente als Blickfang. Betontod aus Düsseldorf, war die nächste Band, die mit stabilem Deutsch Punk dem Publikum gezeigt hat, wo es lang geht. Und das haben sich die Fans sehr gerne zeigen lassen. Trotz wirklich sehr träge machender Temperaturen, bei denen man gar nicht mehr wusste, ob es überhaupt noch einen Körperteil gibt, welcher nicht schwitzt, wurden Stimmbänder und auch Tanzbeine mehr als ausreichend genutzt.

Das nächste Highlight auf der Bühne in den Bergen: Spiritbox aus Kanada. Ein female fronted Mix aus Alternative Metal und Metalcore, der nicht nur musikalisch qualitativ hochwertig auf der Stage präsentiert wurde, sondern auch charismatisch.
Nach kanadischen Klängen dann ein Ausflug nach Long Island zu einer Punkband, die schon seit 24 Jahren gemeinsam Musik macht. Auch wenn die Crowd von den hitzigen Temperaturen und dem Mangel an Schatten gezwungernermaßen recht träge gemacht wurde, wer bei Stray From The Path im Publikum stand hat die Energie zurück bekommen, die einem durch das Wetter geklaut wurde. Wild, aufgeladen und ballernd so lässt sich die Show der Amerikaner ganz gut beschreiben. Definitiv ein Act, den man sich auch gerne mal bei einer Soloshow geben möchte.

19:05 Uhr, noch keinen Grad kühler aber zumindest vor der Bühne teilweise ein bisschen schattiger – Zeit für einen vom Publikum heiß ersehnten Act: Sex Pistols feat. Frank Carter. Definitiv ein Erlebnis! Wer Gelegenheit hat sich die Alt-Punker und den Frontmann von Frank Carter & The Rattlesnakes live anzuschauen, der sollte das unbedingt tun. Klassisch, rotzige Punksounds, wie wir sie von den Ursprungs Sex Pistols gewohnt sind gepaart mit der durchaus heftigen Attitude von Frank Carter, der eine Prise Peaky Blinders Vibes, eine positive Ladung Arroganz und ganz viel Charakter mitbringt. Musikalisch kann ich den Vergleich mit den damaligen Sex Pistols natürlich nicht ziehen aber ich glaube in der neuen Formation haben sich sehr würdige Musiker zusammengefunden, die uns schon eine ungefähre Vorstellung davon geben können, wie es in den 70ern geklungen haben muss aber auch zeitgleich einen Meilenstein in der modernen Punkwelt setzen. Mir war jedenfalls direkt nach diesem Konzert klar, dass ich für diesen ersten Greenfield Tag meinen Favorit-Act gefunden habe.
Da wir jetzt schon relativ viel vom Programm auf der Jungfrau Stage gehört haben, machen wir doch jetzt einfach mal einen Ausflug zur kleinen aber durchaus feinen Eiger Stage am anderen Ende vom Flugplatz Interlaken. Da ist nämlich ne glitzernde, bunte aber trotzdem nicht zu knapp punkige Fete mit Me First And The Gimme Gimmes gestiegen. Die Herren schaffen es wirklich aus jedem salonfähigen Pop- oder Countrysong einen Punkbanger auf die Beine zu stellen und genau das haben sie auch in der Schweiz zum Besten gegeben.
Ebenso eine Band, die uns von der Eiger Stage aus überzeugt hat: Thrice aus Irvine. Wenig Licht, wenig Show aber fulminante Klänge und eine wirklich krasse Stimme vom Frontmann Dustin Kensrue. Ein Auftritt, der nachhaltig Wirkung hinterlassen hat und wieder einmal gezeigt hat, wie melodiös und emotional Post-Hardcore doch sein kann.

Zurück zur Jungfrau Stage, denn da war zwischendurch „Episch“ wohl das Stichwort. Denn dieses Wort trifft wohl den Nagel auf den Kopf, wenn wir von der Powermetalband Powerwolf sprechen. Die Herren aus Saarbrücken haben sich auch in Interlaken nicht lumpen lassen und mit Feuershow, Schminke en pointe und Special Effects nicht gegeizt.
Apropos nicht geizen, dass trifft auch mehr als gut auf den Headliner des ersten Abends zu. Würde man Electric Callboy fragen „Wie viel Lichteffekte, Konfetti, Pyro und Kostümwechsel wollt ihr?“ – würden sie wohl mit „Ja!“ antworten. Ein bisschen ist mir immer, wenn ich sie live sehe, als hätte man das Zaubererduo „Ehrlich Brothers“ geklont und ihnen gesagt, ihr macht jetzt poppigen Metalcore. Egal ob einem das nun gefällt oder nicht, was man den Jungs aus Castrop-Rauxel lassen muss: sie liefern ab und „verzaubern“ bzw. reißen das Publikum auf ihre ganz eigene Art und Weise mit.
So kam es, dass der erste Tag am Greenfield Festival in Interlaken bunt, feucht-fröhlich, durchgeschwitzt aber durchaus mehr als zufriedenstellend zu Ende ging.
Fotocredit: Johanna Lippke