Mit ihrem dritten Konzeptalbum „KARMA“, das am 11. April 2025 via Cargo Records erschienen ist, setzen TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN ihre musikalische und thematische Reise konsequent fort. Das Album knüpft an den Opener ihrer Debüt-EP „Licht“ an und reflektiert eine Welt, die von ökonomischer Rationalität, Konsum und Entfremdung geprägt ist. Im Zentrum steht das Prinzip von Ursache und Wirkung – persönlich, gesellschaftlich und global. Im Interview sprechen die Hardcore-Pioniere über die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, die Bedeutung von Haltung in turbulenten Zeiten und die Weiterentwicklung ihres kompromisslosen Sounds. Dabei laden sie ihre Hörer*innen ein, sich selbst zu hinterfragen und aktiv Verantwortung zu übernehmen – musikalisch wie politisch. Ein spannender Einblick in das Herzstück der Band, die seit über zehn Jahren mit sozialkritischen Texten und energiegeladenen Auftritten Maßstäbe setzt.
Frontstage Magazine: Euer neues Album „KARMA“ beginnt mit einem Verweis auf den Opener eurer Debüt-EP „Licht“. Welche Verbindung zieht ihr zwischen Vergangenheit und Gegenwart – musikalisch wie thematisch?
Matzo/TLUF: „KARMA“ beginnt mit dem Song Nerv, der bewusst auf Schatten verweist – den Opener unserer ersten EP Licht und damit auch auf den ersten Song von 1000 Löwen unter Feinden überhaupt. Schon damals haben wir uns mit der Frage beschäftigt, in was für einer Welt wir eigentlich leben – einer Gesellschaft, die stark vom Konsum und einer ökonomischen Rationalität geprägt ist. Zehn Jahre später greifen wir dieses Thema auf KARMA wieder auf und fragen mit Nerv: Was hat sich eigentlich verändert? Ist irgendetwas besser geworden, oder hat sich die Situation sogar verschärft? Haben wir uns vielleicht einlullen lassen – so sehr, dass wir gar nicht mehr merken, wie sehr wir von außen gesteuert und überreizt werden? Genau darum geht es in der zentralen Frage des Songs: Wie stark muss man eigentlich auf einen Nerv drücken, damit man den Schmerz überhaupt noch spürt?
Frontstage Magazine: Ihr sprecht auf „KARMA“ das Prinzip von Ursache und Wirkung an – persönlich wie gesellschaftlich. Was war für euch der Auslöser, dieses Konzept jetzt in den Mittelpunkt zu stellen?
Matzo/TLUF: Der rote Faden, der sich durch unsere Konzeptalben Machtwort, Zwischenwelt und KARMA zieht, war dabei ausschlaggebend. Auf Machtwort ging es um die verschiedenen Stationen und Lebensphasen eines Menschen. In Zwischenwelt haben wir die zunehmende Komplexität unserer Welt thematisiert – eine Welt voller Reize und Illusionen, in der es immer schwieriger wird, die eigene Wahrheit zu erkennen, die letztlich in einem selbst liegt und nicht im Außen. Mit KARMA wollten wir nun bewusst einen Schritt zurückgehen und sagen: Ja, die Welt ist komplex – aber es gibt auch einfache, grundlegende Prinzipien, die gelten. Das Ursache-Wirkung-Prinzip ist eines davon. Wer etwas Schlechtes tut, wird mit negativen Konsequenzen konfrontiert, wer Gutes tut, darf auch mit Positivem rechnen. Auf diesem Album ging es uns darum, die Dinge klar zu benennen und zu zeigen, dass es trotz aller Komplexität immer noch Werte gibt, an denen man sich orientieren kann.
Frontstage Magazine: In einer Welt voller Ablenkung und Konsum stellt ihr Fragen nach Identität, Haltung und Orientierung. Wie viel davon ist auch Selbstreflexion – wie viel ein Appell an eure Hörer*innen?
Matzo/TLUF: Unsere Texte basieren immer auf persönlicher Reflexion. Sie entstehen aus unserer eigenen Wahrnehmung der Welt und der Gesellschaft, in der wir leben. Natürlich steckt an manchen Stellen auch ein Appell darin – aber wir möchten nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auftreten. Stattdessen formulieren wir unsere Texte eher aus der eigenen Wirklichkeit heraus und laden damit die Hörer*innen ein, selbst einen Blick auf ihre Perspektive zu werfen. Die Frage ist: Was davon lässt sich auf das eigene Leben übertragen, was passt – und was vielleicht auch nicht? Bei KARMA gibt es allerdings auch Themen, bei denen wir bewusst klar Stellung beziehen wollten – gerade wenn es um politische Fragen geht. Da haben wir uns entschieden, nicht vage zu bleiben, sondern eine deutliche Sprache zu wählen.
Frontstage Magazine: Mit Zitaten wie „Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?“ stellt ihr direkte Fragen an das Publikum. Glaubt ihr, dass Musik heute wieder politischer werden muss, um relevant zu bleiben?
Matzo/TLUF: Das knüpft direkt an das an, was wir zuvor gesagt haben. Wenn man sich die aktuelle gesellschaftliche und globale Lage anschaut – wie komplex, unüberschaubar und oft auch unvorhersehbar sie geworden ist –, dann wird deutlich, dass es wichtig ist, Haltung zu zeigen. Wir erleben zunehmenden Rechtsdruck, Populismus und eine Verbreitung von Fake News. Gerade in Deutschland besteht die Gefahr, dass die Vergangenheit – insbesondere die Zeit des Dritten Reichs – in Vergessenheit gerät. Uns war es daher ein Anliegen, mit KARMA ein klares politisches Zeichen zu setzen. Wir wollen unsere öffentliche Plattform als Band nutzen, um auf diese Entwicklungen aufmerksam zu machen und deutlich Stellung zu beziehen.
Frontstage Magazine: Der Sound auf „KARMA“ wirkt kompromisslos und fokussiert. Wie habt ihr euch im Songwriting und in der Produktion diesmal bewusst weiterentwickelt?
Matzo/TLUF: Uns war es extrem wichtig, dass der Sound uns zu 100 % anspricht und wir vollständig dahinterstehen können. Wir haben bereits im Songwriting viel Arbeit investiert – uns Aufgaben gut aufgeteilt, verschiedene Songstrukturen entwickelt und diese dann gemeinsam weiter verfeinert. Ein zentraler Schritt war die vollständige Vorproduktion, die uns ermöglicht hat, die Songs frühzeitig zu hören, zu reflektieren und gezielt zu überarbeiten. Für die finale Produktion sind wir dann ins Kohlekeller Studio gegangen, weil uns der Sound dort komplett überzeugt hat. Insgesamt haben wir fast zwei Jahre an dem Album gearbeitet, und bei so viel Einsatz war es für uns essenziell, dass am Ende auch der Sound genau das transportiert, was wir mit der Musik und unserer Message ausdrücken wollen.
Frontstage Magazine: Seit über zehn Jahren steht ihr auf den Bühnen – von kleinen Clubs bis zu Wacken. Was hat sich in der Hardcore-Szene aus eurer Sicht in dieser Zeit verändert – und was ist gleich geblieben?
Matzo/TLUF: Wir kennen die Hardcore-Szene schon sehr lange, auch durch unsere Zeit vor 1000 Löwen unter Feinden. In dieser Zeit hat sich einiges verändert. Besonders auffällig ist, dass das Publikum heute deutlich diverser ist. Auf unseren Konzerten begegnen sich Menschen, die aus verschiedenen musikalischen Richtungen kommen: Metal, Punk, Hardcore. Diese Mischung ist einfach schön zu sehen. Gerade nach der Corona-Zeit gab es einen kleinen Bruch in der Szene, aber aktuell wirkt es so, als würde sich vieles wieder stabilisieren. Natürlich läuft es nicht in allen Clubs gleich gut, aber bei den Shows, die wir spielen, spürt man die Energie und die Freude im Publikum deutlich. Eine weitere positive Entwicklung ist die stärkere Präsenz von Frauen in der Szene – sowohl auf der Bühne als auch im Publikum. Mehr Female Fronted Bands, mehr Musikerinnen an Gitarre, Bass oder Gesang – da ist eine schöne Bewegung im Gange, auch wenn es noch Luft nach oben gibt. Was gleich geblieben ist: Hardcore ist und bleibt mehr als nur Musik. Es geht um Haltung, um Austausch, um ein gemeinsames Lebensgefühl. Der DIY-Gedanke ist für uns nach wie vor zentral. Wir arbeiten mit Freunden zusammen – beim Druck, beim Design, beim Merch. Das ist gelebte Community, die über die Musik hinausreicht. Dieses Gefühl von „Family & Friends“ trägt uns bis heute. Hardcore is more than music – das ist für mich immer noch genauso spürbar wie früher.
Frontstage Magazine: Mit Dennis als zweitem Sänger habt ihr das Line-up erweitert. Was hat das für die Dynamik in der Band und eure Bühnenpräsenz bedeutet?
Matzo/TLUF: Dennis und ich haben schon vorher bei Still Screaming viele Jahre zusammen Musik gemacht – ebenfalls als Duo am Mikro. Wir sind also ein eingespieltes Team und uns verbindet eine langjährige Freundschaft. Außerdem war Dennis von Anfang an bei 1000 Löwen unter Feinden mit dabei: Unsere erste Single ist auf seinem Label erschienen, und er hat bereits bei Licht und Machtwort bei einigen Songs mitgesungen. Für uns war es daher ein völlig logischer und konsequenter Schritt, dass er fest ins Line-up kommt. Es ist einfach schön wieder fest gemeinsam unterwegs zu sein und Musik zu machen. Auf musikalischer Ebene bringt das natürlich mehr Abwechslung – sowohl auf der Platte als auch live. Wir können uns gegenseitig die Bälle zuspielen und neue Dynamiken entwickeln. Und live bringt das spürbar mehr Energie: Zwei Sänger auf der Bühne, dazu sechs Leute insgesamt – das sorgt für ordentlich Bewegung und Präsenz, was sich auch in der Atmosphäre der Shows widerspiegelt.
Frontstage Magazine: Ihr geht mit „KARMA“ wieder auf Tour – was erwartet die Fans live, und gibt es für euch einen Song auf dem neuen Album, der live eine besondere Kraft entfaltet?
Matzo/TLUF: Natürlich werden wir auf der KARMA-Tour neue Songs von der Platte live spielen – das gehört zur Release-Tour einfach dazu. Wir haben die Setlist dafür entsprechend angepasst. Gleichzeitig bleiben aber auch die bewährten Live-Kracher aus unserem bisherigen Repertoire erhalten – es wird also eine gute Mischung. Besonders stark hat sich schon früh Karma, der Titelsong des Albums, als absoluter Live-Song herauskristallisiert. Schon als wir ihn zum ersten Mal im Proberaum gespielt haben, war klar: Der hat eine enorme Energie. Und das hat sich auf der ersten Release-Show auch direkt bestätigt – der Song geht live richtig nach vorne. Insgesamt enthält das Album 16 Tracks, von denen viele das Potenzial haben, live richtig zu zünden. Da kann sich das Publikum auf einiges freuen – und wer die Texte bis dahin kennt, kann gerne beim stagedive mitsingen.
Fotocredit: Dominik Dabrowski