Die Bremer Hybrid-Pop-Band Raum27 hat sich in den letzten Jahren in der deutschen Musikszene einen Namen gemacht und begeistert ihre Fans mit eingängigen Songs und energiegeladenen Auftritten. Jetzt steht endlich das langersehnte Debütalbum „Anfangen Anzufangen“ in den Startlöchern und verspricht, die hohen Erwartungen zu erfüllen. Im Interview mit unserer Redakteurin Jana plaudern Tristan und Mathis ein bisschen aus dem Nähkästchen und verraten unter anderem, welcher Planet ein absolutes Highlight für eine Show wäre.
Frontstage Magazine: Ich kenne wenige Künstler*innen und Bands, die in Raketengeschwindigkeit durchstarten und dann wenige Tage später auch noch auf dem Mond landen. Für mich seid ihr aber eine solche Band. Für alle, die euch vielleicht noch nicht kennen und so abfeiern wie ich und viele andere es tun: Wer seid ihr und was macht euch als Band so besonders?
Tristan: Wir sind ein Duo …
Mathis: … und haben uns im Jahr 2019 gegründet, als wir noch zusammen die Schulbank drückten – genauer gesagt während unserer Abiturzeit. Wir lernten uns durch Schulbands kennen und begannen relativ schnell, als Duo eigene Musik zu machen. Da wir daran von Anfang an super viel Spaß hatten und ein paar Menschen in unserem Leben ziemlich großes Potenzial in unserem Tun sahen, erhielten wir von ihnen eine Art Mentorship, das uns zusätzlich antrieb. Sie sagten uns, dass das mit der Band was werden könnte, wenn wir ein bisschen Arbeit in unser Projekt reinstecken. Also haben wir immer ganz brav unsere Hausaufgaben gemacht und uns so step by step alles über die Jahre erarbeitet. Jetzt schreiben wir das Jahr 2023 und stehen vor einer der wahrscheinlich größten Festivalsaisons, die jemals in unserer Geschichte vorkam.
Tristan: Wenn wir live spielen, haben wir noch eine Live-Band mit am Start. Die Formation variiert immer ein bisschen. In der bevorstehenden Festivalsaison, die auch durch die Größe der Festivals, auf denen wir auftreten, gekennzeichnet ist, ist es uns wichtig, dass wir eine vernünftige, coole und vor allem authentische Show machen, die unseren Aufnahmen entspricht und wie wir uns die Musik auf der Bühne vorstellen.
Frontstage Magazine: Wie habt ihr es geschafft, euch 2019 zu gründen und trotz drei miesen Corona-Jahren so durchzustarten?
Mathis: Ich glaube, dass wir vieles schon wieder verdrängt haben. 2019 war ein ganz cooles Jahr für uns, weil wir mit der Schule fertig wurden, begannen Musik zu machen und mit den ersten Aufnahmen starteten. So kamen dann auch im selben Jahr unsere ersten Veröffentlichungen „Traurig aber ist so“ und „Oft gesagt“. Das alles fühlte sich sehr gut an und nahm immer mehr Fahrt auf. Gerade „Oft gesagt“ war eine Single, die ganz gut ankam. Leider kam dann 2020 mit Corona die große Bremse. Damals hatten wir schon das Gefühl, dass das mit Raum27 was werden könnte, wenn wir den Sommer über ordentlich Gas geben. Also hatten wir ein paar Dinge geplant und wollten nach Amerika fliegen, um dort kreativ zu werden und Videos zu drehen. Doch aufgrund der Pandemie ist das leider samt Festivalsaison ins Wasser gefallen.
Tristan: Ich glaube, uns hat die Corona-Zeit aber auch ganz gutgetan, weil wir 2019 schon merkten, wie viel Spaß wir an dem Projekt haben und dass das echt was werden könnte. Ich glaube, deshalb war es für uns auch gut, nochmal rechts und links zu schauen, was man dafür noch alles braucht – von Equipment über den ganzen rechtlichen Kram, wie einer GbR-Gründung bspw. Eben all das, an das man nicht denkt, wenn man den Musikkosmos so vor sich hat. Deswegen waren wir wahrscheinlich auch direkt ready, als alles wieder mehr an Fahrt gewann.
Mathis: Aus unserer Perspektive wirkt es noch nicht so, dass wir krass am Durchstarten sind. Aber vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass wir jetzt drei Jahre Zeit hatten, alles vorzubereiten und unsere Strukturen besser zu settlen. Wir haben diverse Dinge gemacht und kennengelernt. Jetzt können wir gerade mit all dem, was wir vorbereitet haben, rausstarten. Das wäre wahrscheinlich gar nicht so passiert, wenn es Corona nie gegeben hätte.
Tristan: Wir wissen ja immer nicht, wie sich die anderen Sachen anfühlen. Wie sich das vielleicht anfühlt, wenn alles ein bisschen langsamer gelaufen wäre oder noch besser und noch größer. Aber wir nehmen auf jeden Fall wahr, dass es uns gut geht und vieles Hand in Hand und nach und nach passiert. Das ist ganz cool. Wir haben natürlich auch schon an dreckigen Orten geschlafen und sind nicht direkt in irgendwelche krassen Hotels durchgestartet. Aber wir wissen, wo wir herkommen, bauen dankbar darauf auf und wissen all das, um uns rum, sehr zu schätzen.
Frontstage Magazine: Habt ihr einen Geheimtipp, wie ihr euch settlet?
Mathis: Wenn man zurückblickt, sagt sich das so leicht. Deshalb lässt sich daraus keine Mega-Formel ableiten. Man muss einfach Dinge nehmen, wie sie kommen und Chancen beim Schopf ergreifen, die richtigen Menschen kennenlernen und in ganz vielen Momenten auch einfach Glück haben.
Tristan: Ich glaube auch, dass 30 Prozent die Arbeit ist, die man tut – gut spielen, gut singen, gute Songs schreiben – und 70 Prozent ist halt Glück. Aber diese 30 Prozent müssen dann auch sitzen. Wenn Glück am Start ist, dich jemand auf ein großes Festival bucht und du scheiße bist, bringt es dir auch nichts. Aber viel von dem Mindset-Gequatsche wird auch überbewertet. Es gehört einfach viel Glück und Nerv der Zeit dazu. Es ist ja nicht, wie in vielen anderen Branchen, dass du einfach gut sein musst. Dem kommt ja auch noch hinzu, dass dich die Menschen gut finden müssen. Es gibt viele Bands, die noch viel, viel besser sind als wir – aber uns finden die Menschen halt gerade gut. Wir holen uns immer wieder ins Gedächtnis, dass wir dieses Privileg haben.
Frontstage Magazine: Könnt ihr euch noch an den Moment erinnern, an dem all das mit euch so richtig an Fahrt gewann?
Tristan: Ja, tatsächlich. Aber als der Overload startete, haben wir nur noch nach vorn geblickt.
Mathis: Darüber und über die Dinge, die gerade passieren, haben wir neulich noch in unserem Podcast „Track by Track“ gesprochen. Tristan und ich waren uns direkt einig, dass gerade, wenn man in so einen Strudel reinkommt und ganz viele Dinge passieren, man immer nur aufs nächste Wochenende und das nächste Event guckt.
Tristan: Und das nicht, weil wir undankbar sind. Man hat aber einfach keine andere Wahl. Wenn eine Show abgeschlossen ist, muss man schon schauen, welchen Transporter man für die nächste Show bekommt, wen man braucht und wie viele Leute mit dabei sind. Es ist also auch viel Organisatorisches, was dahintersteckt.
Mathis: Und gerade die Organisation von Konzerten und Festivals machen wir immer noch selbst.
Tristan: Das liegt mitunter aber auch daran, dass wir so klar steuern können, was uns wichtig ist. Deshalb sind die Momente ganz schön, in denen wir kurz Luft haben, um zurückzublicken. Oft merken wir dabei sehr schnell, dass unser Status vor ein oder zwei Jahren noch ein ganz anderer war, als er es jetzt ist. Das in den Momenten zu realisieren ist wirklich schön.
Mathis: Ein weiterer Moment, an dem wir realisieren werden, dass wir es geschafft haben, wird sicherlich der Tag sein, an dem unser Album rauskommt. All die Arbeit, die wir im Vorfeld in die Band gesteckt haben, bekommt damit einen offiziellen Stempel und trägt dann hoffentlich Früchte.
Frontstage Magazine: Eure Musik hat absoluten Wiedererkennungswert. Wie schreibt und produziert ihr eure Songs?
Tristan: Unser Songwriting gestaltet sich meist so, dass ich die Texte schreibe und damit zu Mathis gehe. Er übernimmt in der Regel den musikalischen Part und gemeinsam überlegen wir dann, wie die Songs Gestalt annehmen könnten. Manchmal ist es so, dass ich auf dem Klavier herumklimper und dabei eine Melodie entsteht. Mit dieser Melodie im Kopf gehe ich zu Mathis und wir denken darüber nach, wie wir darauf aufbauen können. Haben wir das Gefühl, dass alles Hand und Fuß annimmt, treffen wir uns mit Freund*innen, wie Elias von den Rogers zum Beispiel, und machen ein paar Demos fertig. Mit dem Material gehen wir dann ins Studio und finalisieren die Songs. Manchmal kommt es aber auch vor, dass wir zusammen mit Freund*innen an einer einzigen Idee tüfteln, um daraus neues Material zu kreieren.
Mathis: Das coole daran, wenn man zu zweit Musik macht, ist, dass man relativ schnell Entscheidungen treffen kann. Ist man eingespielt, weiß man, was dem anderen gefällt oder was beide cool finden. Tristan und ich kriegen das ganz gut hin, ohne groß drüber reden zu müssen. Bei Bands mit mehr Mitgliedern kann dieser Prozess nochmal deutlich schwieriger sein, weil einfach mehr Köpfe aufeinander treffen, die bestimmte Ideen haben. Dabei muss man viel öfter Kompromisse eingehen, als wir das manchmal müssen.
Tristan: Dieser Kompromiss führt vielleicht auch dazu, dass sich Platten oft sehr durchgängig anhören, während es sich bei uns eher wie eine Sammlung an Songs oder Emotionen anfühlt, die uns über die Zeit hinweg begleitet haben. Es gibt Alben mit einem richtigen Anfang und Ende – bei uns ist das auch so, aber nicht ganz so krass.
Mathis: Bei uns erkennst du schon einen roten Faden. Und wenn wir die Songs hören, erkennen wir den auch. Aber es ist nicht so, dass wir unsere Songs gebündelt bei großen Recording-Sessions aufnehmen. Wir sind über zwei Jahre hinweg immer mal wieder zum Produzenten gefahren und haben mit ihm immer mal wieder Songwriting-Sessions gemacht. Das ist das, was wir mit „Sammlung“ meinen. Wir haben einfach angefangen, anzufangen. (schmunzelt)
Tristan: Anfangen, anzufangen! (lacht)
Frontstage Magazine: „Das Klima wieder hin“ ist ein Song mit richtig coolem Wortspiel und gleichzeitig ganz viel Tiefgang. Was braucht es, um solche Texte zu schreiben?
Tristan: Grundsätzlich braucht es dazu eine Existenz und ein Leben, das mehr oder weniger davon betroffen ist. Ich sitze ja nicht einfach da und gucke mir das als Externer an, sondern laufe durch die Welt und bin Teil dieses Kosmos. Und was mich dabei bewegt schreibe ich in meinem Stil auf. Ich glaube, „Das Klima wieder hin“ ist gar kein Song, der die Klimakatastrophe an sich beschreibt, sondern vielmehr diesen Struggle, den man selber an den Tag legt. Eben möglichst perfekt und klimaneutral zu sein.
Mathis: Dieser Song spiegelt die Reflexion wider, die wir gemeinsam durchgemacht haben, als wir ihn geschrieben haben. Wir haben uns damals die Frage gestellt, wie es eigentlich bei uns ist. Wie es oft der Fall ist, wenn man an Orten ist, an denen einen niemand kennt, schnipst man unbedacht die Zigarette weg, wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Seit wir den Song geschrieben haben, habe ich nie wieder eine Kippe weggeschmissen, weil ich die Zeile seitdem immer in meinem Kopf habe. Die Idee dahinter war, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und zu erkennen, dass niemand den Anforderungen gerecht werden kann, die von Gesellschaft und Politik gestellt werden. Trotzdem sollte man aber nicht behaupten, dass man deshalb nichts ändern muss. Man muss einfach irgendwo anfangen und sein Bestes geben. Wenn jeder und jede das tun würde, wäre das schon ziemlich cool.
Tristan: Anfangen, anzufangen! (lacht)
Frontstage Magazine: Seht ihr euch als Band in der Verantwortung, eine Vorbildfunktion zu übernehmen?
Tristan: Das Thema ist etwas, bei dem ich nicht allzu sehr ins Detail gehen möchte, weil ich derzeit auch darüber nachdenke, ob wir uns zu plakativ für etwas aussprechen möchten. Es war uns schon immer wichtig, dass unsere Musik und unsere Texte dazu anregen, dass Menschen sich selbst hinterfragen und daraus ihre eigene Meinung bilden. Ich merke auch, dass es wichtig ist, bei steigender Popularität darauf zu achten, sich selbst treu zu bleiben. Ich finde es schwierig, eine Position einzunehmen und sie zu einhundert Prozent umzusetzen – gerade weil wir alle nicht perfekt sind. Wir wollen uns auch gar nicht hinstellen wie der Messias. Täglich sind wir genauso mit Gedanken und Problemen konfrontiert wie jeder andere auch und bringen diese einfach in unseren Songs zum Ausdruck. Ähnlich wie andere Menschen dies in ihrem Beruf tun. Wir drücken uns dabei in Form von Musik aus, doch wir sehen uns nicht als Botschafter für irgendetwas – das ist uns wichtig.
Mathis: Bei unserem Song „Hymne vom Schlauchboot“ könnte man auch denken, dass wir eine politische Band sind oder sein wollen. Aber eigentlich sind das nur Themen, die uns privat betreffen oder beschäftigen.
Tristan: Der Song ist entstanden, weil ich mich dabei ertappt habe, dass mich in den Medien nichts mehr geschockt hat. Ich habe mir ein Brot geschmiert und im Hintergrund lief in den Nachrichten, dass bei einem Angriff zig Menschen gestorben sind und irgendwo mal wieder jemand mit einem Messer auf andere losgegangen ist. Da habe ich gemerkt, dass das echt nicht so cool ist – deshalb haben wir darüber geschrieben.
Frontstage Magazine: Gibt es auf eurem Debütalbum Songs, die euch besonders am Herzen liegen oder auf die ihr besonders stolz seid? Wenn ja, welche und warum?
Tristan: Alle! Für mich hat jeder Song seine Daseinsberechtigung – sonst wären sie nicht auf dem Album gelandet. Die Thematik jedes einzelnen Liedes besitzt für mich einen besonderen Wert. Die Botschaft, die hinter jedem unserer Songs steht, war mir zum Zeitpunkt des Schreibens sehr wichtig und hat mich dazu inspiriert, sie in Text zu fassen. Auf unserem Debütalbum sind zwei, drei Liebessongs, wie „Sommerregen“, „Frida“ oder „Vermiss dich“ zum Beispiel, die mich persönlich sehr berühren und mir viel bedeuten. Ich denke, dass die Art und Weise, wie wir die Musik aufgezogen haben, auch eine Wirkung auf mich hatte – sowohl im Hinblick auf die Verantwortung, die wir übernommen haben, als auch darauf, wie schnell man sich selber sehen und reflektieren muss. Auch in seinem Auftreten. Deshalb ist der persönlichste Song auf der Platte der Titeltrack „Anfangen anzufangen“. Mit dem Song schließe ich mit ´ner Zeit und ´nem Gedanken ab, die mich lange begleitet haben. Aus all diesen Fragen und Gedanken in meinem Kopf ist dieser Song entstanden. Deshalb mag ich ihn sehr.
Mathis: Ich für mich sehe es mehr aus einer musikalischen Perspektive, weil Tristan ja die Texte schreibt und es oft seine Perspektiven auf die Dinge sind. Dadurch, dass Musik seit ich denken kann zu meinem Alltag gehört und ich schon immer Musik gemacht habe, gehört es für mich auch dazu, sie zu analysieren und musikalisch zu hinterfragen. Deshalb ist für mich „Sommerregen“ einer dieser Songs, bei denen ich auch musikalisch viele Details so umsetzen konnte, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mit diesem Song haben wir uns auch bewusst an neuen kreativen Ideen versucht und experimentiert, um zu sehen, wie sie bei unserem Publikum ankommen. Momentan ist er auf Spotify vom Platzierungsranking noch der erfolgreichste Song. Das wird sich vielleicht noch ändern. Ich persönlich fand es einfach total beeindruckend zu sehen, dass bestimmte Dinge auf diese Art und Weise funktionieren können. Es scheint also, als würden wir gerade den Nerv der Zeit treffen und es ist großartig zu sehen, dass auch andere Menschen es schätzen, wenn es auf diese Weise klingt. Wie Tristan schon sagte, bietet jeder Song die Möglichkeit, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken und somit eine Verbindung zum Publikum herzustellen.
Frontstage Magazine: Wie denkt ihr über die aktuelle Musikszene und welche Trends und Entwicklungen findet ihr besonders spannend?
Tristan: Ich finde es frustrierend, dass Streaming-Dienste und Content-Plattformen den Markt so dominieren, dass man ständig neuen Content produzieren muss, um relevant zu bleiben. Deshalb sehe ich mich auch nicht mehr als Musiker, sondern vielmehr als Content-Creator. Natürlich sind sie eine großartige Möglichkeit für Menschen, die noch nicht so sichtbar sind, aber ich habe einfach das Gefühl, dass es viele einfach total stresst. Es scheint, dass man kaum zur Ruhe kommt, selbst wenn man eine großartige Show abgeliefert hat. Im Moment geht es oft darum, schnell das Reel von der Show zu bekommen, um es wiederum schnell zu posten, damit die Leute direkt wieder rehooket werden. Denn die Leute sollen die Show als positive Emotion speichern und den Song nochmal streamen. Letztens habe ich gesehen, dass Spotify darüber nachdenkt, eine Story-Funktion zu etablieren. Da hat direkt kurz mein Burnout angeklopft – und ich habe das Gefühl, dass es vielen Künstler*innen so geht. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele, die das mögen und es gut können, aber ich finde schade, dass Social Media aktuell so relevant ist und die eigentliche Musik, Live-Show und Performance dabei mehr und mehr in den Hintergrund rückt.
Mathis: Das war jetzt ein sehr großer negativer Punkt (lacht). Ein positiver Aspekt ist, dass wir innerhalb unserer Musikszene bemerken, wie gut deutsche Musik und Texte gerade ankommen. Das spielt uns sehr in die Karten, weil wir deutsche Texte schreiben. Ich glaube, wir wären nicht hier, wo wir sind, wenn es dafür überhaupt keinen Markt geben würde. Aber in den Playlisten und Radios, in denen wir stattfinden ist unsere Musik momentan ganz klar der Trend und das freut uns sehr.
Tristan: Ich denke auch, dass die Art, wie wir Mucke machen, salonfähiger gemacht wurde. Wir sind einfach zur richtigen Zeit um die Ecke gekommen. Wären wir vor Annenmaykantereit um die Ecke gekommen, hätte das vielleicht nochmal ganz anders ausgesehen.
Frontstage Magazine: Bei vielen deutschen Songs spielt ja auch der Text eine wahnsinnig große Rolle. Gerade Annenmaykantereit sind ein gutes Beispiel dafür. Wenn ihr die Gelegenheit hättet, eine Botschaft an alle Menschen auf der Welt zu senden, welche würde das sein?
Tristan: Sucht euch mehrere Quellen und führt eine kritische Quellenrecherche durch! Das ist jetzt mit KI natürlich eine ganz andere Geschichte, aber meine Generation hatte noch das Privileg, ein Gespür für Fake in Print- und digitalen Medien zu entwickeln. Menschen, die mit Printmedien aufgewachsen sind, haben gelernt, dass Medien entweder glaubwürdig sind oder ihre Reputation verlieren, wenn sie Falschmeldungen verbreiten. In der digitalen Welt ist viel einfach Meinung, Meinungsmache und Polarisierung von einem Ereignis. Und das verzerrt oftmals die Wirklichkeit. Deshalb: Seid kritisch und hinterfragt die Dinge, die euch umgeben! Und: Geht Inliner fahren am Deich. (lacht)
Mathis: Eine weitere wichtige Botschaft: Enten sind cool! (lacht)
Frontstage Magazine: Lasst uns gegen Ende nochmal so richtig auf die Kacke hauen: Wenn ihr ein Konzert auf einem anderen Planeten spielen dürftet, auf welchem wäre das und wie würde es sich anfühlen?
Tristan: Saturn! (wie aus der Pistole geschossen und mit ernster Miene)
Mathis (lacht sich kaputt): Auf deinem eigenen Planeten, Tristan! (Wieder ernster:) Saturn? Echt?
Tristan: Ja! Ich habe nicht so wirklich Ahnung von Planeten, aber der Saturn hat diesen geilen Gürtel.
Mathis: Der Jupiter wäre wahrscheinlich ´ne krasse Nebelmaschine, da sieht sich keiner mehr. Das wäre dann so der Techno-Club.
Tristan: Neptun wäre so das Tube in Düsseldorf.
Mathis: Passt keiner rauf. (lacht) Mir würde der Mond schon reichen.
Tristan: Der würde dir reichen?! (lacht hämisch)
Mathis: Wäre doch cool, wenn alle schweben und fliegen könnten? Wäre doch auch interessant, was das mit der Musik machen würde, wenn nicht nur alle hoch und runter springen können.
Frontstage Magazine: Eine spannende Frage habe ich noch: Wenn ihr eine unendliche Menge an beliebigen Ressourcen hättet, was würdet ihr als Band damit anfangen?
Tristan: Wasser würde ich haben wollen. Mit Wasser kann man auf der Welt sehr, sehr viel tun und Wasser sollte allgemein für jeden da sein – Hashtag Viva con Aqua –. Wasser ist life. Ich glaube, Wasser ist gut, Wasser ist wichtig. Geld aber auch. Mit Geld kann man leider auch sehr viel machen. Mit Geld kann man dann auch wieder Wasser kaufen.
Frontstage Magazine: Verratet uns doch zum Schluss nochmal, was eure Ziele, Pläne und Wünsche sind, die ihr demnächst noch so ausheckt?
Tristan: Unser Albumrelease und eine riesengroße Festivalsaison.
Mathis: Kurz: Den Sommer überleben. (lacht) Ab November gehen wir dann noch auf eigene Tour. Die vielen Festivals waren uns nicht genug. (lacht) Wir gucken, was kommt, nehmen es gerne an und bauen darauf auf.
Tristan: Ganz ehrlich: Alle Bands träumen von dem, was bei uns in diesem Jahr in den Startlöchern steht: Album, Festivals, eigene Tour…
Mathis: …Deswegen sind wir sehr dankbar für all das, was wir gerade erleben und erleben dürfen und schätzen es sehr.
Frontstage Magazine: Merci beaucoup für eure Zeit und das schöne Interview. Ich drücke euch für euer Albumrelease und die bevorstehenden Shows ganz doll die Daumen. Macht es gut und passt auf euch auf!
Tristan: Avec plaisir et merci aussi.
Fotocredit: Jana Treptow