Ciao Ragazzi. Winterschlaf is over. Fast vier Jahre ist es her, dass das letzte Werk „Clash“ von Neonschwarz das Licht der Welt erblickte. Mit „Morgengrauen“ meldet sich die Hamburger Hip-Hop Formation bestehend Captain Gips, Johnny Mauser, Marie Curry und DJ Spion Y zurück und bietet ein großes, buntes Allerlei an gesellschaftskritischen, politischen und zwischenmenschlichen Themen.
Direkt der Opener „War was?“ ist ein Rundumschlag und Abrechnung in Einem. Mit Wortwitz und einem Hauch Zynismus verarbeiten die Nordlichter die Geschehnisse der letzten beiden Jahre. Darauf folgt „Salto Mortale“, dies war die erste Singleauskopplung des Albums. Nach dem kritischen Rundumschlag gibt’s ein wenig Spaß und Eskalation. Eine weitere Singleauskopplung ist der nächste Song – „Einzelfall“. Die Aussage, dass es sich ja um einen Einzeltäter/Einzelfall handeln würde, würde in den letzten Jahren und Jahrzehnten so oft aufgegriffen, dass es sich nur noch um eine abgenutzte Phrase handelt. Die musikalische Abhandlung von Neonschwarz dazu, trifft den Kern des Problems („Erst verschwinden Munition und ein paar Waffen, dann sterben Menschen hier und dann verschwinden ein paar Akten – kurz Betroffenheit, doch ich seh‘ keinen, der Alarm schlägt“).
„Gimma“ behandelt die Ambivalenz zwischen dem Wunsch Spaß zu haben und dem Bewusstsein was alles falsch läuft. Bei „Flugmodus“ geht’s darum mal einen Schritt zurückzutreten, mal Pause zu machen und einfach mal den Flugmodus anzumachen. Danach folgt die aktuelle Single „Features“ – eine kleine Abrechnung mit der Musikszene, untermalt von „klassischen“ Hip-Hip Beats. Ebenfalls feinster Hamburger Hip-Hop Flair gibt’s bei „Nix“ – „ihr wollt Welle machen, Hamburg hat ‘nen Deich“ und ist ein kleiner Diss in Richtung Rappszene, die hauptsächlich mit Hass und Gewaltsongs von sich reden macht.
Inhaltlich einer meiner Favoriten ist der auch als Single erschiene Song „Hitzefrei“. Der Song ist angesiedelt im Sommer 2069 und beschreibt ein Szenario, wo es die Niederlande und Jakarta nicht mehr gibt, dafür Palmen an der Nordsee und Flamingos an der Alster. Musikalisch untermalt wird diese Szenerie von einem sehr mitreißenden, Sommerhit-Beat. Aber Neonschwarz wandeln bei „Morgengrauen“ nicht nur auf altbekannten Pfaden. So ist „Alles groß“ schon fast ein Solotrack von Marie Curry. Der Song ist sehr soft und cosy und bietet einen Moment zum Verschnaufen. „Wolkenkratzer“ ist ein Brett. Der Sound klingt wie „Hamburger Hip-Hop“ der 90er. „Wenn das Papier verbrennt, haben wir noch Kupfergeld“ – ist eine der Lines, die mir sofort im Kopf hängen blieb. Es geht um diese die „schneller, höher, weiter“ und vor allem „mehr“ Gesellschaft. Letzter Song des Albums ist „Meteor“ und behandelt die Vermissung langer Party- und Clubnächte.
Neonschwarz meistern erneut bravourös den Spagat zwischen Spaß und Ernst. Kaum einer anderen Band gelingt dieser Drahtseilakt so viele wichtige Themen kluge, humorvolle Texte zu verarbeiten und das Ganze mit mitreißenden Beats zu unterlegen. Dazu gelingt es Neonschwarz ganz nebenbei zum nachdenken anzuregen ohne dabei zu belehren. Deshalb ist „Morgengrauen“ ein kluges Album, dass zeitgleich auch gesellschaftskritisch und politisch ist, aber nie den Spaß verliert.
Tracklist
War was
Salto Mortale
Einzelfall
Gimma
Flugmodus
Features
Nix
Hitzefrei
Alles groß
Wolkenkratzer
Meteor
Fotocredit: Julia Schwendner