Musikalisch ist Sebastian „Sibbi“ Hafner, bekannt als Frontmann bei Itchy, Hans Dampf in allen Gassen: In diesem Jahr hat er nicht nur sein Solo-Projekt Sibbi Hier an den Start gebracht und feiert mit Itchy 20-jährige Bandgeschichte. Am vergangenen Freitag zelebrierte er außerdem das Erscheinen des Debütalbums seines neuen Projekts The Beat-Hells. Im Interview erzählt Sibbi von der Bandgründung, der skurrilen Bandformation und den einsamen Songaufnahmen in den Home-Studios dieser Welt.
Frontstage Magazine: Sibbi, jetzt mal im Ernst: Du tanzt auf so vielen Hochzeiten und bist ständig unterwegs. Itchy, Sibbi Hier und nun The Beat-Hells. Reicht dir das nicht langsam mal an Arbeit?
Sibbi: Ich bin ein Mensch, der nicht still sitzen kann und immer etwas zu tun haben muss. Sei es, den Rhythmus eines Songs zu klopfen – oder eben an neuen Projekten zu arbeiten. (strahlt)
Frontstage Magazine: … Und so kam es zu deinem neuen Cover-Projekt The Beat-Hells. Erzähl doch mal ein bisschen davon.
Sibbi: Kurz vor Corona habe ich eine Whatsapp von Neil bekommen – seinerzeit Sänger bei Phil Campbell and the Bastard Sons und Ex-Sänger von Attack Attack! und States And Empires. Attack Attack! und States And Empires waren beide mit Itchy als Vorgruppe auf Tour. Ihr Frontmann Neil und ich haben uns schon immer gut verstanden und so kam es, dass wir auch nach der Tour in Kontakt blieben. Anfang 2020 schrieb er mir: „Do you like The Beatles?“ Ein bisschen irritiert schrieb ich zurück: „Natürlich mag ich The Beatles – was ist das denn für eine Frage? Warum?“ Dann erzählte er mir, dass er schon immer mal vorhatte, ein Coverprojekt mit Beatles-Songs in einem Punk-/Rock-/Alternative-Gewand zu machen und ob ich nicht Lust hätte, dabei zu sein. Ich hatte total Bock und sagte direkt zu. Aber wie es immer so ist, möchte man Projekte unbedingt umsetzen, doch am Ende kommt es nicht dazu, weil man tausend Sachen auf dem Zettel hat und dann einfach die Zeit dafür fehlt. Außerdem wäre er 2020 auf Tour gewesen und ich mit Itchy auch. Ende vom Lied wäre, dass wir es im Hinterkopf gespeichert hätten und es irgendwann vielleicht nochmal angefangen hätten – doch dann kam Corona und wir hatten die Zeit, uns dem Projekt zu widmen. Und knapp ein Jahr später haben wir ein fertiges Album am Start. Ich finde das immer wieder total überwältigend, wie aus dem Nichts so geile Projekte entstehen können.
Frontstage Magazine: Und dann war direkt klar, dass eurer Projekt The Beat-Hells heißen wird?
Sibbi: Nicht ganz. Ursprünglich wollten wir uns We are not The Beatles nennen. Ganz nebenbei schlug einer von uns The Beat-Hells vor und allen war direkt klar: Das passt wie die Faust aufs Auge.
Frontstage Magazine: Neben dir und Neil gibt es bei The Beat-Hells aber noch Will als Dritten im Bunde.
Sibbi: Genau. Will Davis konnten wir für den Bass rekrutieren. Er kommt, wie Neil auch, aus Wales und spielte gemeinsam mit ihm bei Attack Attack! und States And Empires. Allerdings gestaltete sich die Schlagzeuger-Akquise ein bisschen schwieriger. Deshalb dachten wir uns: „Hey, wir fragen einfach mal alle Schlagzeuger, die wir kennen und mögen, ob sie nicht Bock hätten, jeweils einen Song auf unserer Platte zu spielen.“ Auch da haben wir uns im Anschluss wieder gefragt, was das für eine Schnapsidee war. Aber wegen Corona hatten alle total Lust und auch total viel Zeit – und wir waren froh, unsere Schnapsidee in die Tat umgesetzt zu haben. Denn jetzt haben wir zwölf verschiedene Schlagzeuger auf 14 Songs – von den Donots, Madsen, Sportfreunde Stiller, Zebrahead, Emil Bulls, Itchy, Blackout Problems, … – alle dabei und jeder von ihnen hat einen Song eingetrommelt. Also sind wir eigentlich gar nicht drei, sondern 15 Bandmitglieder. (rechnet mit den Fingern und lacht)
Frontstage Magazine: Bei so viel Drummer-Support dürfte „With A Little Help From My Friends“ doch eigentlich als Hommage auf eurer Platte nicht fehlen, oder?
Sibbi: Das Gute an den Beatles ist, dass der Fundus an Material schier unendlich ist, was uns ermöglicht, auch in Zukunft noch einiges an Songs aufzunehmen. Aber Wink verstanden, ist notiert! (lacht)
Frontstage Magazine: Was hättest du gemacht, wenn Neil dich gefragt hätte: „Beatles or Stones?“
Sibbi: Lustigerweise ging es Neil und mir schon immer so, dass wir krasse Beatles-Fans waren. Ich liebe die Musik schon echt lange und finde es einfach unfassbar fantastisch und bewundernswert, was die in ihrer kurzen Bandgeschichte alles geschaffen haben. So eine Band gibt es einfach kein zweites Mal und ich fand schon immer die Beatles viel, viel geiler als die Stones. Die Melodien haben mir einfach mehr zugesagt und von daher passt das so schon echt gut. Die erste Singleauskopplung „Please, Please Me“ war der Song, den ich schon früher total geil fand und exzessiv gehört habe. Deshalb musste der Song auch einfach unsere erste Single werden.
Frontstage Magazine: Von den Beatles kann sich so mancher Musiker echt eine Scheibe abschneiden; schließlichwerden sie weltweit als eine der einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts angesehen.
Sibbi: Ja, total! Was ich auch total krass finde ist, dass die Beatles ihr erstes Album an nur einem Tag aufgenommen haben. Da waren sie nicht mal 20 und haben solche Meilensteine gesetzt – das ist wirklich bemerkenswert! Manche Bands schaffen es nicht mal, ihren Schlagzeugsound an einem Tag aufzunehmen – und die Beatles nehmen einfach mal ein ganzes Album auf.
Frontstage Magazine: Eure Platte zählt 14 coole Songs. Wie fand die Songauswahl statt? Hat sich jeder von euch vier rausgepickt und bei den letzten beiden habt ihr gelost oder wie lief das bei euch?
Sibbi: Neil und ich sind die Zugpferde hinter dieser Band, weshalb wir einfach unsere Ideen und Favoriten in den Raum schmissen und daraus dann unsere Songauswahl bastelten. Wir haben also ohne Konzept gearbeitet, sondern uns einfach für die Songs entschieden, die uns gefielen und in unseren Augen am besten auf das Album passten. Über allem stand aber, dass unser Album eine bunte Mischung aus bekannten Beatles-Hits ist, wie „Ticket To Ride“ oder „Help“, und Songs beinhaltet, die vielleicht nicht jeder kennt. Unsere absoluten Geheimtipps sind zum Beispiel „Taxman“ und „Until There Was You“. Zum Glück haben wir noch einiges an Material, das wir dann auf den nächsten acht Alben rausbringen können. (schmunzelt)
Frontstage Magazine: Das klingt wirklich so, als wird es nicht bei einem Album von euch bleiben.
Sibbi: Ganz bestimmt nicht. Dieses Projekt macht einfach so viel Bock, weil die Beatles einfach so geile Song geschrieben haben – Und ganz ehrlich: Wann hat man als Band mal das Glück, nur Hits zu haben?
Frontstage Magazine: War es für euch eine Herausforderung, den Songs eine individuelle Note zu verleihen, wenn ihr die Originale schon in- und auswendig kennt?
Sibbi: Es ist schon eine Herausforderung, den Songs einen persönlichen Stil zu geben. Auf der einen Seite steht der Wunsch, die Songs nicht eins zu eins nachzuspielen und auf der anderen Seite, sie nicht so sehr verändern, dass es was ganz anderes ist. Nebenbei bemerkt darf man das auch gar nicht. Die Arbeit mit solchen Werken ist wie ein heiliges Erbe, das man nicht beschädigen möchte und das zu tun geht oft schneller als man gucken kann. Deshalb ist es schon ein gewisser Drahtseilakt, die Songs so zu lassen, wie sie sind; ihnen aber einen neuen Anstrich zu verpassen. Wir haben uns bei unserer Arbeit immer wieder die Frage gestellt, wie die Beatles wohl klingen würden, wenn sie eine Punk-Rock-Band in 2021 wären – das war wahrscheinlich unser Patentrezept. Manche Songs von damals sind dem Punk- und Alternative-Rock von heute gar nicht so unähnlich. Bis auf, dass die Songs natürlich vor 60 Jahren aufgenommen wurden und man jetzt andere technische Möglichkeiten und Instrumentierungen. Trotzdem klingen die Songs immer noch genauso gut – auch in einem anderen Gewand. Das ist einfach genial.
Frontstage Magazine: Wenn ihr gemeinsam mit euren Bands im Studio an Songs arbeitet, habt ihr die Möglichkeit, euch und eure Ideen untereinander auszutauschen. Euer Album entstand aber komplett remote und jeder von euch hat seine Parts für sich im Home-Studio eingespielt. Wie habt ihr eure Impulse diesmal miteinander geteilt?
Sibbi: Ja, jeder saß in seinem Home-Studio und hat an seinen Parts gearbeitet. Wenn etwas fertig war, haben wir es hochgeladen und unsere Ideen ausgetauscht. Das Gute an uns dreien ist, dass wir genau wissen, wie die anderen ticken und wie sie arbeiten. Für mich war zum Beispiel von vornherein klar, dass Neil die Songs irgendwann hochlädt und ich mir sicher sein kann, dass sie geil sind. Als unsere ersten Demos fertig waren, haben wir sie den Drummern geschickt und die haben ihre Spuren aufgenommen. Als die Aufnahmen fertig waren, gaben wir sie einem Tontechniker in die Hände und der fügte alle Teile zusammen. Aber klar: Zoom-Calls und Gespräche, bei denen wir uns überlegt haben, wie wir was machen, gab es natürlich auch.
Frontstage Magazine: Vor 60 Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen.
Sibbi: Ja, das finde ich schon super krass. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viel Distanz zwischen uns liegt: Neil, Will und der Mischer sitzen in Wales, ich hier in Eislingen und die Drummer auf der ganzen Welt verteilt. Dass am Ende trotz der zig Kilometer, die zwischen uns liegen, ein Album bei rauskommt, ist schon echt cool.
Frontstage Magazine: Nochmal zurück zu den eigentlich 15 Bandmitgliedern von The Beat-Hells. Wie kamt ihr zu den 12 Drummern? Hatten einfach alle Bock, bei eurem Projekt dabei zu sein oder habt ihr euch bei euer Casting-Strategie einfach ein bisschen verkalkuliert?
Sibbi: Fast. (lacht) Uns war schnell klar, wer bei uns Bass und Gitarre übernehmen wird. Bei den Schlagzeugern wurde es schon ein bisschen haariger. Da wir drei so viele tolle und talentierte Schlagzeuger kennen, haben wir uns dann einfach entschieden, kurzerhand alle zu nehmen, die wir gefragt haben. Im Nachhinein stellte sich auch heraus, dass es genau das Richtige war. Denn jeder einzelne Drummer hat seinen ganz persönlichen Stil, den man auch raushören kann und das finde ich total interessant. Außerdem ist es auch einfach schön, mit so vielen Leuten an einem Projekt zu arbeiten und zu sehen, dass alle Bock haben.Zumal es ja auch nicht selbstverständlich ist, dass alle Zeit und Lust haben. Ich bin einfach so dankbar, dass alle so cool drauf sind, Spaß bei ihrer Arbeit hatten und am Ende sogar noch dankbar waren, dass wir sie gefragt haben.
Frontstage Magazine: Wie habt ihr die Songs auf die Drummer aufgeteilt?
Sibbi: Das Album ist Stück für Stück entstanden und immer mal wieder wurde ein Song fertig. Jedes Mal, wenn wir Kontakt mit einem Drummer hatten, haben wir ihm die Songs gezeigt, bei denen noch Drum-Spuren fehlten. Und so hat sich jeder Schlagzeuger dem Song gewidmet, der ihm gerade am besten gefiel.
Frontstage Magazine: Neben all diesen tollen Künstlern fehlen Namen wie Chris Kotze oder Bela B. Material gibt es ja zum Glück genug. Jetzt aber mal im Ernst: Was sind eure Pläne für die nahe Zukunft?
Sibbi: Unser Ziel war es jetzt erstmal, das Album rauszubringen. Dann planen wir, ein paar Videos zu den Songs zu drehen und schauen, was uns noch so erwartet. Mit Itchy folgen bei mir auf jeden Fall die Open-Airs im Spätsommer und hoffentlich auch die Clubtour Ende November / Anfang Dezember – wenn Corona denn mitspielt.
Frontstage Magazine: Es scheint, dass dir also so schnell nicht langweilig wird.
Sibbi: Wer mich kennt, weiß, dass es bei mir immer etwas zu tun gibt und mir nie langweilig wird. Ich freue mich einfach nur riesig, dass ich wegen Corona in den vergangenen Monaten die Zeit hatte, Projekte wie Sibbi Hier und The Beat-Hells zu realisieren. Die Pandemie ist scheiße – für alle und überhaupt – keine Frage. Aber so sind Projekte entstanden, die ich sonst wahrscheinlich nie gemacht hätte und die ich auch in Zukunft immer weiter machen kann, wenn ich Zeit dafür finde und mit Itchy gerade mal weniger los ist. Diese Art der künstlerischen Freiheit ist wirklich genial.
Und last but not least…
3 Wunderfragen an The Beat-Hells
Frontstage Magazine: Wenn Ringo Starr euch anrufen würde und The Beat-Hells gerne an den Drums vertreten würde, dann…
Sibbi: … würde ich alle anderen Drummer rausschmeißen und jeder von denen würde aber komplett verstehen warum. Aber damit sie nicht leer ausgingen und von sich behaupten können, sie hätten mal mit Ringo Starr auf ‘nem Album gespielt, würde ich ihnen anbieten, im Hintergrund Tamburin zu spielen. (lacht)
Frontstage Magazine: Wenn wir das Jahr 1963 hätten, dann…
Sibbi: …würde ich mir jede Beatles-Show anschauen, die möglich wäre und eine Band gründen, die im Stil der Beatles wäre.
Frontstage Magazine: Wenn euch eine wohltätige Organisation um ein Benefizkonzert bitten würde, dann…
Sibbi: …würden wir uns die Organisation näher anschauen und wenn sie unterstützenswert ist, würden wir das Konzert spielen.
Frontstage Magazine: Sibbi, vielen lieben Dank für deine Zeit und unser schönes Gespräch.
Sibbi: Bitte und sehr gerne wieder!
Fotocredit: Offizielles Pressefoto zur Verfügung gestellt von der Band selbst ( Sibbi )