Epitaph Records zählt zu den unabhängigen Punk-Labels der Welt, welches vorrangig Skatepunk- und Melodic-Hardcore veröffentlicht. Vor knapp 40 Jahren hat Bad-Religion-Gitarrist Brett Gurewitz das Label in Los Angeles gegründet und ist bis heute noch immer Inhaber. Bands wie The Ghost Inside, Architects, Green Day, NOFX, Escape The Fate oder auch die deutsche Punkrock-Band Beatsteaks haben schon unter Epitaph Records ihre Musik der breiten Masse zugänglich gemacht. Die Musikrichtung des Labels scheint demnach unumstößlich definiert zu sein. Aber ist sie dies wirklich?
Denn zuletzt gab es immer wieder Bestätigungen von neuen Künstlern, die auf den ersten Blick so gar nicht in die Reihe der oben genannten Interpreten passen. So veröffentlichte in der letzten Woche zum Beispiel der Emo-Rapper SMRTDEATH sein neues Album „Somethjngs Wrong“ über Epitaph. Doch, Moment Mal! Emo-Rapper? Das klingt so gar nicht nach Epitaph, dessen deutsche Übersetzung übrigens Todesnachruf oder Grabgedicht lautet. Viele Fans haben sich vermehrt gefragt, was nun schiefgelaufen ist und ob 2020 wirklich noch schlimmer werden kann.Emo-Rap ist definitiv ungleich Punk oder Hardcore.
Was also suchen Rapper bei einem der weltweit bekanntesten Labels für das Punk- und Hardcoregenre? Neu ist diese Thematik keinesfalls und spätestens seit Lil Peep weiß unsere verklemmte Gesellschaft, womit ein Emo-Rapper so sein Geld verdient. Zudem sollten Subgenre-Bands, die sich immer wieder neu erfinden und bei denen die musikalische Metamorphose zum Tagesgeschäft gehört, in dieser Dekade auch niemanden mehr schockieren. Oder seid ihr auch mit Enter Shikari unzufrieden, die seit Jahren erfolgreich ihren Post-Hardcore Sound mit Trance-Elementen paaren? Schon lange gehört das bewusste Aufbrechen von Genre- und Szenegrenzen zum guten Ton dazu und ist, meiner Meinung nach, sogar absolut notwendig. Und dass dieses Blicken über den musikalischen Tellerrand ganz nebenbei auch noch bei den Fans gut ankommt zeigen nicht nur die großen Namen wie Hollywood Undead (Nu-Metal Crossover mit Hip-Hop-Elementen).
Musik kann als Sprache verstanden werden, die sich erst durch den Austausch von verschiedenen Seiten überhaupt weiterentwickeln kann. Kommunikation über die Genres hinweg sichert das Fortbestehen sowie die Evolution des eigenen Sounds. Einzig und allein führen uns dies Acts wie Lil Peep, SMRTDEATH und so weiter immer wieder vor Augen. Entweder kriegt man es dann mit der Angst zu tun und legt sich ganz schnell mit Kopfhörern unter die Merch-Bettwäsche, schmeißt noch einmal eine gute, alte Vinyl ein und betet, dass alles nur ein böser Traum war. Oder man versucht halt an dem zuvor beschriebenen Dialog teilzunehmen und ihn sogar weiter voranzutreiben. Und genau das, liebe Gemeinde, weiß auch Epitaph.
Acts wie Indii G. oder SMRTDEATH erfreuen sich immer größerer Beliebtheit; und das eben auch bei dem Hardcore Publikum von heute. Vor allem weil Mike Skward, so der bürgerliche Name von letzterem,neben Einflüssen aus Hip-Hop und Emo mühelos Komponenten aus Trap, Pop und Alternative Rock in seiner Musik unterbringt. Und dafür kann er aktuell gefeiert werden. Selbstverständlich wird es immer zwei Lager geben, wenn es darum geht, wie sich Musik weiterentwickeln oder inwiefern man Genres vermischen kann oder überhaupt darf.
Doch dass Veränderung Fortschritt bedeuten kann, haben uns ebenso die Jungs von Bring Me the Horizon gezeigt, als sie angefangen mit „Sempiternal“ plötzlich ihren Stil änderten und ihn bis heute fortführten. Dazu war das klare Statement der Band, dass sie sich nicht mit einem Stil zufriedengeben wollen, da es einfach so viele gleichrangig überzeugende Richtungen gibt. Wenngleich die Band, die ebenfalls schon bei Epitaph veröffentlichte, dadurch vermutlich zahlreiche eingefleischte Fans verlor, haben sie unzählige neue dazu gewonnen. Mit ihrer Musik irgendwo zwischen Pop-Rock und Metalcore sind sie heute erfolgreicher denn je.
Das Label Epitaph Records geht unerforschtere Wege, die auch einmal fernab der bekannten Punk- und Hardcore-Welt liegen können, und erschließt sich damit teils noch unberührte Zielgruppen. Ob das wirklich die Zukunft der Labels ist, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit beantworten, aber um für den Markt attraktiv zu bleiben, sollte man sich nicht verschließen und auf eine festgefahrene Schiene setzen. Musik fordert eine Freiheit offen zu bleiben für das, was noch kommen mag.
Fotocredit: Dan Wood