Die Realität ist oftmals absurder als Fiktion jemals sein könnte. Die Geschichte, dass jemand vom Straßenkünstler zum Major Plattenvertrag kommt inklusive Auftritt bei „Rock am Ring“ um dann bei Wohnzimmerkonzerten seine Passion zu finden – klingt doch viel zu wahnwitzig, um wahr zu sein! Aber diese Geschichte ist eben kein Hollywoodfilm, sondern die Geschichte von Georg Auf Lieder.
Georg wurde 1988 in Hamburg geboren, mit 17 brach er die Schule ab, um Musik zu machen. 2011 zog er nach Berlin und schlug sich dort als Straßenmusiker auf dem Alexanderplatz durch. Dort wurde er entdeckt, veröffentlichte zwei Alben bei Universal und begleitete u.a. Rea Garvey, Madsen und die Imagine Dragons auf Tour. Aber das Leben ist eine Sinuskurve. 2016 wurde es finanziell eng und Georg entschloss sich Wohnzimmerkonzerte zu geben und bis heute hat er in über 350 Wohnzimmern gespielt. Musikalisch gehört er in eine Reihe mit Songpoeten wie Marcus Wiebusch oder Bernd Begemann – kluge Texte aus Alltagsbeobachtungen.
Am 16.04.2021 erscheint sein neues Album „Georg Auf Lieder“, das über Crowdfunding finanziert wurde. Wir konnten ihm vorab ein paar Fragen per Mail stellen.
Frontstage Magazine: Lieber Georg, starten wir mit ein paar allgemeinen Fragen. Du hast lange als Straßenmusiker gearbeitet. Was war das prägendste an dieser Zeit?
Georg: Hmm. Gute Frage. 😊 Das sehr direkte Feedback von den Menschen war schon etwas ganz besonderes und somit auch eine sehr gute Schule! Ich hab mich als „Künstler” finden können und habe total viel über Menschen gelernt. Ich hatte auch viel Kontakt zu Obdachlosen und habe mit einigen auch echte Freundschaften geschlossen! Man hat gegenseitig ein wenig aufeinander aufgepasst könnte man sagen! 🙂
Frontstage Magazine: Was war der schlechteste Ratschlag, den man dir einmal gegeben hat?
Georg: Uhhh… ein ehemaliger Bekannter hat mal zu mir gesagt: „Du darfst dich nie bei einer Frau entschuldigen!”. Gemeint war dies für amouröse Beziehungen. Was für ein harter Bullshit! Hahahaha.
Frontstage Magazine: Das vergangene Jahr war ja sehr „besonders“. Gab es dennoch etwas positives, dass du daraus ziehen konntest?
Georg: Ähm. Ja! Irgendwie hat man dann doch gemerkt, dass alle im selben Boot sitzen und die eigenen Sorgen, gar nicht so einzigartig sind, wie man manchmal denkt. Artverwandt kennt doch jeder, fast jedes Gefühl, was man selber kennt. 🙂
Frontstage Magazine: Was ist dein größter Traum (musikalisch und/oder privat)?
Georg: Gesundheit. Für meine Familie, meine Freunde, die ganze Welt und für mich. 😊
Frontstage Magazine: Kommen wir zum neuen Album „Georg auf Lieder“. Woher kam die Idee dein Kinderbild zum Cover zu machen?
Georg: Ich bin schon häufiger auf dieses Bild gestoßen und war jedes Mal begeistert davon, wie die ganze Kulisse ausschaut und wie bedröpelt ich da in die Kamera blicke. Da dieses Album sehr persönlich ist, alleine wegen der Tracks für meinen leiblichen Vater und meiner Mutter, fand ich das Bild auch sehr passend, weil es einen Einblick in mein Leben gibt. Mein erster Geburtstag und die Feier hat in Bolivien stattgefunden. Die beiden anderen Kinder auf dem Bild sind meine Cousins, die mich auch irgendwie zur Musik gebracht haben, indem sie mir mit 13 die “Californication” von den Peppers gezeigt haben. Danach war nichts mehr so, wie es einmal war. Alles drehte sich nur noch um die Musik. 🙂
Frontstage Magazine: Insbesondere durch die Sprachnachrichten („Wann kommst du uns mal in Herne besuchen?“ und „Alle Krankenschwestern waren verliebt in dich“) wirkt das Album noch persönlicher – woher kam die Idee die Nachrichten mit einem instrumental zu versehen, um sie aufs Album zu nehmen?
Georg: Anfangs sollte eine Tonspur von mir als Kind mit aufs Album, welche wir aber nicht mehr gefunden haben. Die Kassette war und ist verschollen. Um aber etwas gleichwertig persönliches mit einzubringen, hatte mein Produzent Philipp die glorreiche Idee, die wichtigsten Menschen in meinem Leben anzurufen und sie 1-2 Fragen zu stellen, ohne dass sie wussten, dass sie gerade aufgenommen werden. Im Nachhinein habe ich ihnen dann die Spuren vorgespielt und natürlich gefragt, ob das für sie klargeht und die waren sichtlich gerührt und einverstanden damit, dass ich diese persönlichen Telefonate veröffentlichen darf. In den letzten Jahren hatte ich so viel Zeit mit mir alleine, durch das ganze touren, dass ich viel nachgedacht habe und irgendwann darauf gekommen bin, dass die Menschen etwas Echtes hören sollten. Zumindest wenn es darum geht, was ich in die Welt schicken möchte. 🙂
Frontstage Magazine: In „Alexandra“ erzählst du die Geschichte einer Frau, die du einmal nach einem Konzert kennengelernt hast. In „Bernd“ die Geschichte deines Vaters. Ist es einfacher für dich „fremde“ Geschichten zu einem Song zu machen oder die ganz persönlichen?
Georg: Da kann ich gar nicht so generell drauf antworten. Situations- und Songbedingt immer unterschiedlich schwer oder leicht. 🙂
Frontstage Magazine: Gab es schon mal einen Song, den du geschrieben hast und der dann so persönlich gewesen ist, dass du ihn deshalb nie mit jemandem geteilt hast?
Georg: Ja. Viele. Sehr viele. Hahahahaha
Frontstage Magazine: Welcher Song bedeutet dir am meisten?
Georg: Aktuell irgendwie „Alexandra” 🙂
Frontstage Magazine: Du bist ein Livemusiker durch und durch. Wie schwer ist es jetzt ein Album zu veröffentlich, wenn man die neuen Songs nicht direkt mit einem Livepublikum teilen kann?
Georg: Das ist schon voll okay! Ich bin Krisen in meinem Leben gewohnt und meine Devise war immer, das Beste aus den jeweiligen Situationen zu machen. So betrachte ich auch die Aktuelle Lage und ich glaube, dass Musik aktuell wichtiger denn je ist und dementsprechend versuche ich so gut wie es geht meinen Job zu erledigen, der für mich bedeutet, die Menschen aus ihrem Alltag zu „entführen” und sie mit auf eine kurze Reise zu nehmen. 🙂
Fotocredit: Ben Wolf