Mit „Ricochet“ legen Rise Against ihr erstes Studioalbum seit vier Jahren vor – und knüpfen damit an eine Tradition an, die die Band seit über zwei Jahrzehnten prägt: energiegeladener Punkrock mit Haltung. Doch wo frühere Werke wie „The Sufferer & the Witness“ oder „Appeal to Reason“ ihre Botschaften oft in unmittelbare, fast hymnische Hooks verpackten, zeigt sich die neue Platte deutlich komplexer in ihrer Wirkung. Das Songwriting ist wuchtig, die Produktion klar, aber auch detailverliebt – eine Mischung, die der Band eine neue Tiefe verleiht, ohne ihre bekannten Trademarks zu verwässern.
Die von Catherine Marks produzierte und von Alan Moulder abgemischte Platte ist nicht nur klanglich auf höchstem Niveau, sondern transportiert eine Dringlichkeit, die in der heutigen Musikwelt selten so kompromisslos zu hören ist. Die Texte wirken introspektiver als auf „Nowhere Generation„, gleichzeitig aber politischer als auf „Endgame„. Diese Mischung aus persönlicher Reflexion und globaler Perspektive ist eine der größten Stärken von „Ricochet“ – sie macht das Album zu einem Werk, das sowohl individuell berührt als auch gesellschaftlich herausfordert.
Wer Rise Against vor allem für ihre unbändige Eingängigkeit und stadiontauglichen Refrains schätzt, könnte hier zunächst eine Spur weniger Direktheit empfinden. Doch diese Zurückhaltung ist gewollt: Die Band lässt den Songs Raum, um zu wirken, statt sich in reinen Ohrwürmern zu verlieren. Das Ergebnis ist ein in sich geschlossenes, thematisch stringentes Album, das – ähnlich wie „The Black Market“ – mehr Schichten offenbart, je öfter man es hört.
Im direkten Vergleich zu Klassikern der Band fehlt „Ricochet“ vielleicht der sofortige Knalleffekt eines „Prayer of the Refugee“ oder „Savior„, doch gerade das macht es interessant. Es ist ein Album, das Zeit braucht, um seine volle Wirkung zu entfalten, und das zeigt, wie sehr Rise Against gewachsen sind. Statt auf Nummer sicher zu gehen, wagen sie hier eine Mischung aus roher Energie, melodischer Feinfühligkeit und inhaltlicher Schwere – und beweisen, dass sie auch 2025 noch relevant, laut und unbequem sind.
Fazit: „Ricochet“ ist kein einfaches Nebenbei-Album, sondern ein Werk, das Aufmerksamkeit einfordert. Es ist reifer, nachdenklicher und vielleicht weniger eingängig als frühere Veröffentlichungen – dafür aber umso nachhaltiger in seiner Wirkung. Wer sich die Zeit nimmt, wird feststellen: Rise Against haben hier eines ihrer stärksten Alben seit über einer Dekade geschaffen.
Fotocredit: Mynxii White