Punk lebt. Und wie. Wer am Montagabend auf den Lokerse Feesten in Belgien unweit von Antwerpen war, hat das nicht nur gesehen, sondern gespürt – direkt unter der Haut, in den Ohren und in den leider vom Regen etwas nass gewordenen Schuhen. Der sogenannte „Punk Monday“ brachte mit The Undertones, The Damned, Iggy Pop und den Sex Pistols ft. Frank Carter ein Line-up auf die Bühne, das nicht nur nostalgisch klang, sondern in weiten Teilen auch heute noch zündet wie eine brennende Zigarette im Moshpit.
The Undertones machten den Anfang – mit einem angenehm unaufgeregten, aber temporeichen Set, das sofort die ersten Bewegungen ins Publikum brachte. Songs wie „Teenage Kicks“ oder „My Perfect Cousin“ erinnerten daran, dass Punk nicht immer nur Chaos und Wut sein muss, sondern auch Witz und Leichtigkeit haben kann. Die Band wirkte eingespielt, charmant und durchaus in Feierlaune – ein gelungener Einstieg, der die Bühne für das Kommende öffnete.
The Damned legten direkt danach deutlich lauter und düsterer nach. Der Mix aus Punk, Goth und Wahnsinn knallte ordentlich – Captain Sensible in gewohnt schrillem Outfit, Dave Vanian stoisch elegant am Mikrofon. Es war kein Auftritt, der alles plattwalzte, aber einer, der seine Klasse und sein Alter mit Würde trug. „We’re nearly 50 and we still kick ass“, brüllte der Gitarrist ins Mikro – das Publikum grinst und nickt. Und tatsächlich: Die Songs wirken noch immer gefährlich genug, um selbst heute noch Zähne zu zeigen. Kurz vor Ende dann: Regen. Fein, fast filmisch – als hätte der Himmel selbst gemerkt, dass gleich eine Naturgewalt auf diese Bühne kommt.
Dann Iggy. Der Mann, der nie aufhört. Er braucht keine große Ansage – ein knurrendes „I Wanna Be Your Dog“, ein ausgespuckter Gruß in die Kamera, der Mittelfinger – los geht’s. Und wie. Iggy Pop taumelt, schreit, stürzt, steht wieder auf, feiert sich selbst und das Publikum – mit einer Unmittelbarkeit, wie sie kaum einer sonst auf die Bühne bringt. „The Passenger“ wird zum hymnischen Moment, „Lust for Life“ zur kollektiven Entladung. Es ist chaotisch, wild, manchmal brüchig – aber immer ehrlich. Iggy bleibt ein Naturereignis. Man fragt sich unweigerlich, wie das überhaupt noch geht – aber vielleicht ist das der Trick: nicht fragen, einfach mitgehen. Und genau das tun tausende Menschen, während der „Godfather of Punk“ sich irgendwann einfach wortlos von der Bühne schleicht. Kein Abgang. Kein Dankeschön. Einfach Ende. Passt.
Die Sex Pistols, mittlerweile eher Mythos als Band, schließen den Abend ab – allerdings in neuer Formation mit Frank Carter am Mikro. Und was für ein Mikrofon: das Ding fliegt nach zwei Songs schon ins Publikum, Carter springt hinterher, landet im Circle Pit, taucht wieder auf, schreit sich die Lunge aus dem Leib. Es ist Wut und Show, es ist wild – und es macht Spaß. Die Band selbst bleibt eher statisch im Hintergrund, aber Carters Energie reißt vieles raus. „Pretty Vacant“ knallt, „God Save the Queen“ wird gefeiert – und „Anarchy in the UK“ endet als kollektives Mitgrölen. Irgendwann ist Schluss – 25 Minuten früher als geplant. Kein finales Chaos, kein großes Feuerwerk. Eher ein verwirrtes „War’s das jetzt?“. Ja, war’s.
Und trotzdem bleibt dieser Abend hängen. Weil er atmete. Weil er roch. Weil er laut war. Weil er bewiesen hat, dass Punk zwar älter geworden ist – aber keineswegs leiser.
Setlist Sex Pistols feat. Frank Carter live beim Lokerse Feesten 2025:
Holidays in the Sun
New York
Seventeen
Pretty Vacant
Bodies
Silly Thing
Submission
God Save the Queen
No Feelings
Satellite
No Fun
Problems
My Way
Anarchy in the U.K.
Setlist Iggy Pop live beim Lokerse Feesten 2025:
T.V. Eye
Raw Power
I Got a Right
Gimme Danger
The Passenger
Lust for Life
Death Trip
I Wanna Be Your Dog
Search and Destroy
Down on the Street
1970
Some Weird Sin
Frenzy
Nightclubbing
Modern Day Rip Off
Punkrocker
Fotocredit: Jimmy Fontaine