Das „Fenster zum Hof“-Open Air ist längst zu einer festen Größe im Mainzer Kultursommer geworden. Seit 2020 verwandelt die Konzertagentur Musikmaschine den Innenhof des Landesmuseums in eine außergewöhnliche Bühne für innovative, unabhängige Livemusik – von Indie über Pop bis Hip-Hop. Mit dem klaren Ziel, jungen und kreativen Künstler*innen eine Plattform zu bieten, setzt das Festival bewusst auf Eigenständigkeit und gesellschaftliches Bewusstsein. In diesem Jahr geht das FzH-Open Air bereits in die sechste Runde und wartet vom 25. Juli bis 24. August 2025 mit zwölf Terminen auf, die die kulturelle Vielfalt der Landeshauptstadt bereichern. Im Interview mit Moritz Eisenach von der Musikmaschine GbR – der Konzertagentur für Booking, Promo & Events hinter dem FzH – haben wir über das Konzept des Festivals, die Auswahl der Artists und die Bedeutung von Zusammenhalt in schwierigen Zeiten gesprochen.
Frontstage Magazine: Das „Fenster zum Hof“-Open Air versteht sich als Plattform für innovative, anspruchsvolle Livemusik. Wie wählt ihr die Artists aus, die zu diesem Konzept passen, und nach welchen Kriterien entscheidet ihr euch?
Moritz: Wir wollen Indie sein. Also nicht im engen Sinn eines musikalischen Genres, sondern eher im Sinn einer Lebenseinstellung oder Philosophie. Es geht uns um Unabhängigkeit, Humor, Kreativität – einfach eigenen Gedanken. Textlichen und musikalischen. Leider werden gerade in etwas kleineren Städten wie Mainz häufig Tribute oder Coverbands gebucht, die dem Publikum zwar ganz sicher viel Spaß bereiten können, aus unserer Sicht aber auf eine Art doch recht geistlose Reproduktionen von Musikgeschichte darstellen. Wir wollen lieber neuen und eigenen Gedanken der jungen Acts eine Plattform bieten.
Frontstage Magazine: Mit Acts wie Mine und Lena&Linus habt ihr spannende Namen im Line-up. Was hat euch an diesen Künstler*innen besonders überzeugt, sie einzuladen?
Moritz: Mine hat lange in Mainz gelebt und schon vor vielen Jahren als unbekannte Künstlerin auf unseren Events gespielt. Dann hat ihre Karriere richtig Fahrt aufgenommen – und aus irgendwelchen Gründen war sie seitdem nie wieder in Mainz. Das musste geändert werden. Lena&Linus erfüllen alle unsere Booking-Kriterien exemplarisch: Ein sehr junges, sehr innovatives und unabhängiges Projekt – getragen von diesen zwei Personen, die mit ihrer Energie einfach mitreißen! Das wollen wir unbedingt in Mainz präsentieren und hoffen auf möglichst viele junge Besucher:innen. Und da Selective Artists das Booking von diesen beiden Acts macht, haben wir sozusagen offene Türen eingerannt.
Frontstage Magazine: In eurem Konzept betont ihr, dass die Artists nicht die Augen vor den aktuellen Realitäten verschließen, sondern Hoffnung und Optimismus verbreiten sollen. Warum ist euch dieser Ansatz so wichtig?
Moritz: Man muss sich nur umschauen, was momentan in der Welt vor sich geht. Spätestens seit der COVID-Phase, in der das Fenster zum Hof-Format übrigens entstanden ist, scheinen überall der Konflikt, die vielzitierte Disruption und das Gegeneinander im Vordergrund zu stehen. Das ist doch ein großer Scheiß! Wir wollen das nicht und wollen etwas dagegen tun. Dabei geht es gar nicht um Verdrängung, sondern um bewusstes Wahrnehmen – und sich trotzdem nicht den Spaß verderben zu lassen. Ich meine, wir wollen integrieren, das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und alle willkommen heißen. Das ist für uns eine Definition von Glück. Und daran sollen alle teilhaben – und niemand soll ausgegrenzt werden.
Frontstage Magazine: Mainz hat viele kulturelle Veranstaltungen. Was macht eurer Meinung nach das „Fenster zum Hof“-Open Air einzigartig – und warum sollten Besucher*innen gerade hierherkommen?
Moritz: Klar ist es einfach eine Konzertreihe – wie es sicher viel auf der Welt gibt. Martin Bechler von Fortuna Ehrenfeld hat auf unserer Bühne gesagt, das FzH sei ein kleines Festival, aber ein smartes. Das fand ich ganz cool.
Frontstage Magazine: Ihr schreibt „Tanzen geht immer!“ – welche Rolle spielt die Atmosphäre auf dem Festivalgelände und wie sorgt ihr dafür, dass sich das Publikum wohl und sicher fühlt?
Moritz: Unser Publikum ist einfach extrem nett:-) Nein, im Ernst. Wir briefen unser Team, hängen Awareness-Infos aus, achten alle aufeinander und bieten Ansprechpersonen, wenn etwas passiert. Bisher war das aber noch nicht der Fall.
Frontstage Magazine: Wie hat sich das „Fenster zum Hof“-Open Air seit den Anfängen entwickelt und welche besonderen Herausforderungen oder Highlights gab es in der bisherigen Geschichte?
Moritz: Der Anfang war im ersten Lockdown im März 2020. Da wurde das FzH als Streaming-Format erfunden – und ab dem 1. Mai direkt mit 18 Terminen gestartet. In dieser Phase waren wir eines von maximal 3-5 Konzertangeboten in Deutschland mit Publikum. Uns wurde es nämlich genehmigt, je Konzert eine:n damals systemrelevanten Alltagsheld:in einzuladen. Der Titel kommt übrigens nicht von den Stieber Twins, sondern von dem gleichnamigen Hitchcock-Film: Ein Mann kann sein Zimmer nicht verlassen, schaut durch sein Fenster zum Hof und bildet sich ganz schlimme Dinge ein – oder sind sie wirklich geschehen? Auf eine Art haben wir das in der Pandemie doch alle erlebt. Ich bin immer noch sehr froh, dass wir das Ding nicht „Virus TV“ oder „Corona Concerts“ oder so genannt haben, dann wäre es nämlich jetzt nicht mehr da.
Frontstage Magazine: Welche Vision habt ihr für die Zukunft des Festivals? Gibt es Pläne für Erweiterungen, neue Konzepte oder Kooperationen?
Moritz: Die Vision ist erstmal, das Format auf stabile Füße zu stellen und die feste Rolle im deutschen Sommerprogramm zu etablieren. Ansonsten schrauben wir permanent an Details und wollen optimierte Abläufe, bessere Technik, größere Bühne und so weiter. Vielleicht gibt es mal die Gelegenheit, die Konzert-Reihe auf ein Wochenende zusammenzustauchen und ein „richtiges“ Festival daraus zu machen. Aber die Innenstadtlage ist dafür kaum geeignet – und gleichzeitig auch einfach sehr vorteilhaft. Du merkst: Wir sind schon ganz zufrieden.
Alle Termine und Tickest bekommt ihr hier.
Fotocredit: Thomas Schneider