6.500 Zuschauer kamen an diesem lauen Frühsommerabend in die Waldbühne Northeim – damit knapp vorbei an „ausverkauft“, aber deutlich im Bereich von „stimmungsvoll“. Und dann: Billy Idol, die Ikone mit dem stahlblauen Blick und dem immer noch eindrucksvollen Platin-Schopf. Als Opener gleich die neue Leadsingle „I Still Dancing“ – ein Song, der nichts weniger ist als ein Statement. Billy tanzt noch.
Billy, nicht Billie. Das war die vielleicht charmanteste Verwechslung des Abends – als Oliver Perau, Sänger der kurzfristig als Support verpflichteten Terry Hoax, erzählte, seine Nichte sei begeistert gewesen, dass ihr Onkel im Vorprogramm von Billie Eilish spielen würde. Dass es sich stattdessen um Billy Idol handelte, ließ sie nur mit einem „Wer?“ antworten. Ein Lacher für das Publikum – und ein guter Moment, um zu zeigen, wie sich Popgeschichte fortschreibt: Von der Generation X zur Generation TikTok.
Aber bevor der Altmeister selbst die Bühne betrat, zeigten Terry Hoax, dass man auch als Ersatz auf den letzten Drücker absolut abliefern kann. Die Hannoveraner präsentierten sich spielfreudig, tight und publikumsnah. Klar, es gab Cover – charmant eingewobene Parts bekannter Klassiker – aber vor allem überzeugten die eigenen Songs: melodisch, energiegeladen, ehrlich. Die Menge, die sicher nicht wegen Terry Hoax gekommen war, wurde warm gespielt. Und wie. Nach 37 (!!!) Jahren Bandgeschichte hat diese Band nichts zu beweisen, aber alles zu geben.

Nach kurzer Umbaupause war dann alles bereit für den Headliner des Abends und seine auf Hochglanz polierte Show. Die Band spielt präzise, ist top eingespielt – und doch wirkt nichts steril. Gitarrist Steve Stevens ist wie immer der heimliche Star im Schatten des Meisters. Seine Soli sind virtuos, ausufernd, manchmal fast schon exzentrisch. Die Bühne gehört ihm – auch buchstäblich, wenn sich der Rest der Band für ein paar Minuten zurückzieht und Stevens ganz allein das Spotlight überlassen wird.

Fünf Songs vom aktuellen Album schaffen es in die Setlist – was für ein Rock-Set ungewöhnlich viel ist. Und man muss ehrlich sein: „People I Love“ und „Dream Into It“ bringen nicht ganz die Energie auf die Bühne, die man sich wünschen würde. Hier schleichen sich die bekannten Längen des Albums ein wenig ein. Aber es ist eben ein Liveabend – und die Hits machen das mehr als wett.
Denn natürlich: Wenn „Eyes Without a Face“, „Rebel Yell“ oder „White Wedding“ angestimmt werden, wird getanzt und migesungen. Der Backkatalog ist ein Geschenk an jede Setlist, und Billy weiß, wie man ihn ausspielt. Schade bleibt allerdings: Kein einziger Song aus der letzten EP „The Cage“, die musikalisch frisch und überraschend war. Auch aus den drei (!!!) Studioalben zuvor – Funkstille.

Dafür gibt’s Visuals, die auf den Punkt sind – keine Effekthascherei, sondern stilvolle Ergänzung zur Show. Und natürlich: Anekdoten. Billy erzählt, lacht, sinniert. Geschichten aus wilden Nächten, von Exzessen und Existenzen, die knapp daneben gegangen wären. „Ready, Steady, Go“ aus den frühen Generation X-Tagen zeigt: Der Mann ist sich seiner Wurzeln bewusst – und „Dancing with Myself“ ist am Ende das, was es immer war: ein Song, den man nicht hören kann, ohne automatisch mitzumachen.
Ein Abend mit einer Legende, die weiß, wie man eine Bühne bespielt. Vielleicht nicht mit einem perfekten, aber mit einem packenden Set. Billy Idol ist fast 70 – aber immer noch ein verdammt guter Grund, den Abend in einer Waldbühne zu verbringen.































