Zehn Jahre Stille – und dann das: HERRENMAGAZIN sind zurück. Mit „Du hast hier nichts verloren“ veröffentlicht die Hamburger Band ihr erstes Album seit einem Jahrzehnt – und liefert damit ein eindrucksvolles Comeback voller leiser Stärke, subtiler Tiefe und kluger Beobachtungen. Wo andere laut aufdrehen, bleibt das Quintett um Sänger Deniz Jaspersen seinem Understatement treu – und trifft damit einmal mehr genau ins Herz. Im Interview spricht Jaspersen über das befreiende Gefühl, ein Album ohne Druck zu schreiben, über die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt – und darüber, warum „Du hast hier nichts verloren“ zugleich Abschied, Versöhnung und Neubeginn sein kann. Ein Gespräch über Nähe, Verletzlichkeit und das große Glück, wieder gemeinsam unterwegs zu sein.
Frontstage Magazine: Zehn Jahre nach „Sippenhaft“ kommt ihr mit „Du hast hier nichts verloren“ zurück – fast aus dem Nichts, aber mit voller Wucht. Wie war dieser Moment, in dem ihr gemerkt habt: „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ein neues HERRENMAGAZIN-Album zu machen“?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: Vermutlich war es nach der Jubiläumstour zu Atzelgift im Jahre 2019 als uns klar war das wir noch eine Platte machen werden. Die Tour war für uns alle sehr erfreulich und so wussten wir das es eine Zukunft für diese Band geben kann. Im Januar 2024 haben wir dann ein Studiotermin gebucht ohne wirklich alle Lieder zusammen zu haben. Da war ich schon ein bisschen nervös, aber dadurch waren wir gezwungen ein bisschen mehr zu proben. Am Ende ist es dann alle gut gegangen.
Frontstage Magazine: Euer neues Album klingt wie ein Treffen mit alten Freunden – vertraut, tiefgehend, manchmal melancholisch, aber nie schwermütig. War es euch wichtig, dieses Gefühl von Nähe und Intimität nach so vielen Jahren bewusster denn je in den Mittelpunkt zu stellen?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: In erster Linie wollten wir ein Album für uns und für all diejenigen machen die uns schon seit langer Zeit begleiten. Wir hatten den Wunsch eine Platte zu veröffentlichen über die sich alle freuen können. Insofern stellt sie schon die Essenz von Herrenmagazin dar. Jemand der irgendwas an Herrenmagazin irgendwann mal mochte, wird dieses Album lieben.
Frontstage Magazine: FRIZZ schreibt über dich, er sei „fast ungebremst persönlich, nie peinlich, sehr schlau und immer unglaublich sympathisch“. Wie gelingt euch diese Gratwanderung zwischen emotionaler Tiefe und reflektierter Distanz, die sich durch alle eure Alben zieht?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: Häufiger habe ich mit diesen, teilweise sehr persönlichen Texten gehadert. Oft war mir das zu befindlichkeitsfixiert und jammerig. Jedoch musste ich feststellen das diese bildhafte Art zu Texten einfach das ist was mir am besten gefällt. Manchmal wünschte ich mir aber schon etwas zu schreiben das nicht von Schwermut durchzogen ist. Dann habe ich im Jahr 2020 angefangen Kindermusik zu schreiben und gemerkt das ich dazu in der Lage bin. Das habe ich als sehr befreiend empfunden und hat mich dann mit meinem traurigen Liedern versöhnt.
Frontstage Magazine: Die Texte auf „Du hast hier nichts verloren“ wirken wie Innenschauen mit feinem Seismographen für zwischenmenschliche Risse. Was hat euch inhaltlich umgetrieben? Was war anders als bei früheren Platten – oder vielleicht genau gleich?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: Rasmus und ich haben auf diesem Alben wieder viel mehr zusammengearbeitet. Das hat den Texten definitiv gut getan. Außerdem haben wir als Band im Proberaum viele Stücke gemeinsam geschrieben. Jeder hat Ideen einfließen lassen und so hat sich unsere Herangehensweise wieder sehr an die Prozesse der ersten beiden Alben angenähert. Inhaltlich geht es viel darum seinen Platz in dieser Welt zu finden. Ich denke so lässt es sich zusammenfassen.
Frontstage Magazine: „Wunderschöne Songs, um mittelmäßige Tage deutlich besser zu machen“, schreibt das VISIONS Magazin – was für ein schönes Kompliment! Was denkt ihr selbst: Wozu ist dieses Album da? Trost? Reflexion? Aufbruch? Oder einfach: Da-Sein?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: Offen gestanden kann dieses Album alles sein. Wie schon gesagt wollten wir für uns selbst und unsere Fans ein versöhnliches Album machen. Ich kann zu diesem Zeitpunkt nicht sagen ob es noch ein weiteres Herrenmagazin Album geben wird. Insofern wäre es ein Punkt oder ein Abschied. Allerdings ist die Resonanz so überwältigend positiv und die Stimmung in der Band so uneingeschränkt gut, dass dieses Album durchaus auch ein Neubeginn sein könnte.
Frontstage Magazine: Eure Melodien schleichen sich oft leise ins Ohr, ohne großen Pomp, aber mit langer Halbwertszeit. Ist das etwas, das ihr bewusst komponiert – diese Mischung aus Unspektakulärem und maximaler Emotionalität?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: Bewusst ist es nicht, dafür sind wir nicht berechnend genug. Aber wenn ich deine Frage lese denke ich: ja, solche Musik will ich machen. Ich denke wir sind allesamt Vertreter des understatement. Inszenierung und Prahlerei ist wirklich nichts mit dem wir etwas zu tun haben möchten. Ich mag keine Angeber oder Tipps der Sorte „Fake it till you make it“. Ich bin immer sehr offen mit meinen Schwächen und weiß sehr genau was ich nicht kann. Ich empfinde das aber nicht als Verfehlung, sondern bin mit mir sehr im reinen.
Frontstage Magazine: 20 Jahre HERRENMAGAZIN, fünf Alben, zahllose Konzerte – was würdet ihr sagen: Was ist geblieben? Und was habt ihr über Bord geworfen, um Platz für dieses neue Kapitel zu schaffen?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: Geblieben ist der Wertschätzende Umgang miteinander und die Freude am Musik machen. Und natürlich eine Menge Erinnerungen und Freundschaften die wir nicht mehr für selbstverständlich nehmen. Wir sind in einer sehr privilegierten Situation und das ist uns auch bewusst. Über Bord geworfen haben wir jedwede Verkrampfung zugunsten des kommerziellen Erfolgs. Interessanterweise sind wir jetzt erfolgreicher als wir es je waren.
Frontstage Magazine: Ihr geht mit „Du hast hier nichts verloren“ auf eine ausgedehnte Tour durch ganz Deutschland – inklusive doppeltem Berlin-Stopp. Was bedeutet es euch, diese Songs nun auf die Bühne zu bringen? Und was erwartet uns live: Rückschau, Neubeginn oder beides zugleich?
Deniz Jaspersen/Herrenmagazin: Konzerte zu spielen ist zweifelsfrei das schönste am Musik machen. Ich liebe es zu reisen, ich liebe es anzukommen. Ich liebe Hotels, Ich liebe die Spannung kurz vor dem Einlass. Ich liebe es alte Freunde wieder zu treffen und die Resonanz des Publikums. Euch erwartet eine Band, die sich nicht mehr so leicht von dem Musik machen ablenken lässt. Das Konzert und die Songs stehen im Mittelpunkt. Wir sind sicher keine Band die eine durchgestylte Rockshow bietet. Hier wird nichts einstudiert, oder Ansagen geplant. Aber wir spielen jeden Tag wieder um unser Leben. Das muss reichen.
Fotocredit: Lucja Romanowska