„Leise! Tätowiert! Mittelalt! – Jetzt erst Recht!“ … unter diesem Motto haben Jupiter Jones am vergangenen Samstagabend auf ihrer Unplugged-Tour im Alten Güterbahnhof in Papenburg Halt gemacht.
Ursprünglich bereits für den Oktober 2024 geplant, dann aber leider kurzfristig aufgrund einer Erkrankung des Sängers Nicholas Müller verschoben, konnte das Konzert glücklicherweise nun aber nachgeholt werden und markierte damit gleichzeitig den Abschluss des nunmehr dritten Tourblocks der Unplugged-Reihe der Band. So konnten sich die rund 500 Anwesenden im Alten Güterbahnhof in gemütlicher, schon gar familiärer Atmosphäre, auf eine handverlesene Auswahl der mehr als 20 Jahre andauernden Bandgeschichte freuen. Eröffnet wurde der Abend von der Musikerin und Songwriterin Nina Müller, auch bekannt unter ihrem Künstlernamen WIM, die einige ihrer – wie sie selbst ein wenig selbstironisch angekündigt hatte – „traurigen Popsongs“ präsentierte. Etwas, das insbesondere die Musik von WIM ausmacht, ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Schwere und Leichtigkeit, indem sie ihre persönlichen wie tiefgründigen Texte in ein musikalisches Kleid hüllt und ihnen so eine gewisse Schwermut beim Hören nimmt, aber dennoch den wahren Kern der Songs in keinem einzigen Moment schwinden lässt. WIM spielte viele Songs aus ihrem 2022 erschienenen Debütalbum „Boxer„, darunter Titel wie „Kapitän Zukunft„, in dem sie zeigt, dass Wünsche und Vorstellungen einer idealen Zukunft zwar wichtig sind, es aber auch in Ordnung ist, wenn sie erst spät oder auch gar nicht zur Realität werden mögen. Insgesamt fügte sich die Musik von WIM sehr gut in den restlichen Abend und ließ ausschließlich glückliche Zuhörer zurück. Und wenn man schon wie in diesem Fall das Glück hat, eine talentierte Musikerin wie WIM mit auf Tour haben zu dürfen, liegt es verständlicherweise nahe, ihr auch die Bühne zu geben, die sie verdient.
Daher war sie auf diesem Tourblock ein fester Teil der Unplugged-Band neben Sänger Nicholas Müller und dem Gitarristen Sascha Eigner und unterstützte die beiden musikalisch wie gesanglich den gesamten Abend über. Ein Setting, das einem meistens sofort in den Kopf kommt, wenn man an Unplugged-Musik denkt, ist das vielfach zitierte Wohnzimmerkonzert. Wie die Historie zeigt, muss es dabei nicht zwingend immer auch ein tatsächliches Wohnzimmer sein – man denke hier nur einmal an Die Ärzte, die es sich zu ihrem MTV Unplugged Anfang der 2000er in der Aula eines Hamburger Gymnasiums gemütlich gemacht hatten. Doch im Falle von Jupiter Jones war der Name in der Tat Programm, weshalb die Bühne nur so gespickt war von rustikalen Stehlampen, verschiedenen Teppichen, einem leicht angestaubten Spiegel mit Goldverzierung oder auch einem kleinen, aber durchaus gemütlich wirkenden Holzstuhl – genau so wie es sich für eine gut bürgerliche Wohnstube gehört. All diese Elemente sorgten schon beim ersten Kontakt an der Bühne für wohlig heimische Gefühle. Die Location trug mit dem erst im vergangenen Jahr eröffneten Alten Güterbahnhof ebenso ihren Teil zur Atmosphäre bei, da hier die Mischung aus Backsteinwänden und Fachwerkelementen zusammen mit der Bühnendeko ein in sich stimmiges Bild ergaben. Denn welcher Ort lädt schon mehr zum gemeinsamen Musizieren ein, als das heimische Wohnzimmer? Ein Ort, an dem man mit der Familie und Freunden zusammenkommt und einfach eine schöne Zeit miteinander hat. Gestartet haben Jupiter Jones ihr Set mit „Und dann warten“ vom Album „Holiday in Catatonia“ (2009) und „Zuckerwasser“ („Das Gegenteil von allem“, 2013). Es folgten rund 20 Songs aus allen Schaffensphasen der Band.
So konnten sich die Fans neben den großen Singles wie „Rennen+Stolpern“ (2013) oder „Überall waren Schatten“ (2021) auch auf wahre Schätze wie „Wer winkt hier eigentlich wem“ freuen, welches abseits dieser Unplugged-Tour zuletzt 2012 live gespielt wurde. Die Momente zwischen den Songs untermalte Nicholas Müller wahlweise mit kleinen Gesprächen mit dem Publikum oder auch kleinen, unterhaltsamen Anekdoten aus allen Phasen der Bandgeschichte. So erzählte er beispielsweise als Einleitung zum Song „Nordpol/Südpol“ (2012) von einem der ersten großen Fernsehauftritte, die die Band zu der Zeit hatten. In diesem Fall waren sie bei der Sendung MTV Home als musikalische Gäste geladen und durften dort gemeinsam mit der Schauspielerin Jana Pallaske performen, welche im Song für das Album „Jupiter Jones“ (2012) einige Parts eingesungen hatte. Schwierig waren in diesem ganz besonderen Falle gewisse… nennen wir sie mal Umstände während den Proben zur Sendung, welche den damaligen Auftritt für die Band bis heute zu einem denkwürdigen Moment gemacht haben. Der folgende Song „Atmen“ vom 2022er Album „Die Sonne ist ein Zwergstern“ wurde der Tochter von Nicholas Müller gewidmet, die an diesem Abend selber mit vor Ort war und für die er „Atmen“ geschrieben hatte. Dadurch erhielt der Titel noch einmal besondere Schwere, aber auch Stärke, da man dem Sänger sichtlich anmerken konnte, wie viel ihm dieses Lied bedeutet. Dieses Konzert war aus vielerlei Gründen besonders. Einerseits war es natürlich der Tourabschluss und wie es sich für solch eine letzte Show gehört, hat die eigene Crew meist ein paar kleine Überraschungen parat, von denen die Künstler in aller Regel nicht wissen. Im Falle von Jupiter Jones war es dieses Mal ein Bingospiel, das sich viele aus der Tourfamilie erstellt und über den ganzen Abend hinweg verschiedene Ereignisse von der Bühne auf ihrer Bingokarte abgehakt haben.
Da gab es dann Felder zu verschiedenen Ausdrücken („So!“, Hach ja…!„, etc.) oder leicht vorhersehbare Ereignisse, z.B. dass der Song „Still“ vom Album „Jupiter Jones“ (2012) gespielt wird – so viel Spoiler sei an dieser Stelle erlaubt: Er wurde natürlich gespielt. Und so gab es auch bereits recht fix mehrere Gewinner, wenn man die lauten „Bingo!“-Rufe aus den Untiefen des Alten Güterbahnhofs so deuten wollte. Viele weitere schöne Momente gab es darüber hinaus auch dank der Tochter des Sängers Nicholas Müller, die gleich mehrere sehr wichtige Aufgaben hatte. So hatte sie beispielsweise die große Ehre, bei einigen Songs die Chimes, also eine Art Glockenspiel, als musikalische Untermalung zu spielen. Und gab es zwischendurch einmal weniger zu tun, saß sie direkt hinter ihrem Papa auf dem bereits angesprochenen Holzstuhl und lauschte der Musik – „alles genau wie Zuhause“, hieß es da zwischendurch einmal. Allein das hat für viele kleine, liebevolle Momente gesorgt, die dieses übergeordnete Setting zwischen wohnlicher und gemütlicher Atmosphäre sowie der puren Liebe zur Musik und zueinander perfekt abgerundet hat. Kurz vor dem Ende gab es dann noch einen ganz besonderen Moment zur Überraschung aller und ganz besonders einer speziellen Person. So ergab es sich, dass einer der anwesenden Fans die Gunst der Stunde genutzt hat und seiner Freundin, die mit ihm gemeinsam das Konzert besuchte, einen Heiratsantrag gemacht hat. Glücklicherweise hat sie die Frage schnell mit Ja beantwortet und machte ihren jetzigen Verlobten zu einem sehr glücklichen Menschen. Unter großem Jubel und kurzen Gratulationen durch die Band, die selber nichts von diesem Vorhaben wusste, verabschiedeten sich die beiden dann auch genau so schnell wieder von der Bühne, wie sie gekommen waren. Im Anschluss folgten mit „Kopf Hoch und Arsch in den Sattel“ sowie „Berlin“ die beiden letzten Songs vor der Zugabe, in der sich Jupiter Jones gemeinsam mit WIM und dem Titel „Auf das Leben“ vom mehr als begeisterten Papenburger Publikum verabschiedeten. Alles in allem war es ein wundervoller und musikalisch abwechslungsreicher Abend mit vielen großen und kleinen Überraschungen, der auf schöne Art und Weise gezeigt hat, dass Jupiter Jones neben den lauten Shows die leisen Töne genauso sehr beherrschten.
Review: Mirco Holz
Fotocredit: Janis Hinz
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