Berliner Schnauze trifft auf Riot-Grrrl-Rebellion – und was dabei herauskommt, kann sich hören lassen. „Gift”, das neue Album von 24/7 Diva Heaven, klingt wie eine explosive Mischung aus Schnaps und Schmirgelpapier. Für diejenigen, die lieber gefällige Chartklänge konsumieren, eine Warnung: Das hier wird wehtun.
Bereits der Opener „Rat Race” lässt einen in den typischen Sound von 24/7 Diva Heaven eintauchen. Staubtrockener Punk-Grunge mit erhobenem Mittelfinger und vor allem laut, laut, laut. Gitarren auf Anschlag und das Schlagzeug auf Angriff. Das Ganze ist weit entfernt von technischer Perfektion, sei es im Spiel oder der Produktion. Dafür ist es entwaffnend ehrlicher Punk und weit entfernt von jeder Art der Kalkulation. Brachiale Sounds, die sich um Konventionen herzlich wenig scheren. Wer bei Powerchords, die eher nach Keller als nach Konzertsaal klingen, ein Grinsen im Gesicht bekommt, ist hier genau richtig.
Und wer ganz genau hinhört, der findet auch immer mal wieder einige schöne Melodielinien zwischen den getürmten Gitarrenbrettern („Face Down”, „Manic Street Ballet”) – jedoch schielt die Band zu keinem Zeitpunkt auf den nächsten Charthit – was in diesem Genre ohnehin ein vergeblicher Versuch sein dürfte – und dass sich diese Band einfach nie und nirgends anbiedert, macht sie gerade so sympathisch.
Ein Überraschungsmoment bietet „These Days“, wo Beatsteaks-Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß mitsingt. Hier zeigt die Band, dass sie trotz aller Kanten und Ecken auch mal eine lässigere, fast schon chillige Seite haben kann. Der Song eignet sich bestens für die lauen Sommerabende in der Stadt. Doch schnell holt einen Frontfrau Katharina Ott-Alavi mit ihrem Schrei-Gesang zurück in den gegenwärtigen Herbst mit ähnlich rauen Bässen und Gitarren wie dem Wetter („Gift”, „Suck it Up”).
Und wie es sich für eine Band gehört, die die 90er-Jahre-Attitüde des „Friss oder stirb“ lebt, endet das Album mit „Nothing Lasts“, einem leicht absurden, fast psychedelischen Abschluss, der wie eine Einladung ins Chaos wirkt. Hier wird nichts entschuldigt, nichts verschönert. Die Berliner Riot-Grrrls haben eben keine Lust auf weichgespülte Schlusspunkte.
Fotocredit: Maren Michaelis