Vom Hörensagen – das sind Andi, Karsten, Tomek & Matze aus Konstanz am schönen Bodensee. Unverkennbarer Rock-Sound mit Texten, die mal tiefgründig, mal sarkastisch und stets originell daherkommen und dazu eine energetisch geladene, lebendige Live-Performance, so kann man die Band ganz kurz und knapp beschreiben. Am 13. September haben die vier Musiker ihre neue Single namens „Im Zimmer“ veröffentlicht. Unsere Redakteurin Pia hat 3/4 der Band vorab in ihrem Proberaum, oder sollten wir in diesem Fall, „Probezimmer“ sagen, getroffen. Das andere Viertel, in Form von Gitarrist Andi, hat sich aus dem Schweden Urlaub per Videocall dazugeschaltet. Dementsprechend wurde über Elche philosophiert, geklärt, was die Jungs selber nur „Vom Hörensagen“ kennen, geklärt, wer der „Arsch mit Ohren“ ist aber natürlich auch lange und ausführlich über die frisch gebackene Single geschnackt.
Frontstage Magazine: Einmal der Klassiker für den Einstieg: Beschreibt euch doch mal selber. Vom Stil her und als Band. Für alle Leute, die euch noch nicht kennen.
Andi: Wir sind ne Rockband, die mit deutschen Texten Geschichten aus dem Alltag erzählt. Auch teilweise mit unseren politischen Schwierigkeiten, mit denen wir uns so herumschlagen. Vergleichbar vielleicht mit Jupiter Jones von der poppigen Seite und vielleicht Herrenmagazin und Muff Potter. Wir würden uns nicht so als komplette Punkrock Band bezeichnen, dazu sind wir einfach zu wenig in dieser Nische drin. Also eine Mischung aus Rock, Punk und ein bisschen Pop.
Frontstage Magazine: Dann kommen wir doch direkt mal zu eurem Bandnamen: Vom Hörensagen – wie ist der entstanden?
Tomek: Wir saßen in Konstanz in Tamaras Weinstube und haben Namen überlegt und uns ist irgendwie nichts eingefallen. Es gibt ja quasi schon alles und was heutzutage ja auch total wichtig ist, ob die Domain für den Namen schon benutzt ist, weil sonst heißt man am Ende so, was schon irgendwo anders so heißt. Was wir dann gemacht haben war, auf dem Handy den Duden-Zufallsgenerator anzuschmeißen, der hat dann immer 5 Begriffe rausgehauen und bei Wein, Käse und Wurstsalat hat es dann irgendwann nach so 4-5 Stunden Klick gemacht bei Vom Hörensagen.
Andi: Im Nachhinein passt es auch wirklich ganz gut mit den Themen zusammen, die wir in unseren Songs verarbeiten. Weil man kann sich eigentlich mit allen irgendwie connecten, weil jeder so gut wie von allen Themen zumindest schon mal vom Hörensagen gehört hat und wir präsentieren das eben auf unsere Art und Weise, wie wir es schon mal erlebt haben.
Matze: Andi ist unser Medienbeauftragter. (Alle lachen)
Frontstage Magazine: Okay aber wenn er der Medienbeauftragte ist, was habt ihr anderen, neben euren Instrumenten so für Aufgaben?
Matze: Erstmal große Props an Tomek, der ist nämlich unser Mixing Engineer. Also die Songs, die wir rausbringen, nehmen wir tatsächlich selber auch auf und mixen die selbst. Da hat er sich wirklich sehr reingefuchst. Karsten ist immer am Netzwerken des Todes und zuständig für die ganze Technik.
Tomek: Also eigentlich ist er der Mann für alles!
Matze: Andi ist wie gesagt für Social Media zuständig aber auch für Artwork hat er ein richtig gutes Händchen! Und ich versuche Songs zu schreiben, zu texten…
Tomek: Untertreibung liegt ihm auch!
Karsten: Er kommt gefühlt jede Woche mit einem neuen Song, echt irre, wie viel der produziert!
Frontstage Magazine: Andersrum wäre es aber schlimmer! Dann springen wir nochmal kurz zurück zu eurem Bandnamen. Was kennt ihr denn nur „Vom Hörensagen“?
Matze: Konzerte auf Festivals spielen…
Karsten: Geld verdienen…(alle lachen)
Andi: Durch die Gegend zu laufen und sich nicht zu denken: „Was ist das für eine Scheiße die da in der Welt teilweise so abgeht…“
Tomek: Eigentlich gibt es da echt viel, wenn man jetzt mal drüber nachdenkt. Also ich möchte zum Beispiel unbedingt mal nach Japan, da hab ich schon ganz viel von gehört. Vor allem die Kulinarik reißt mich richtig vom Hocker.
Frontstage Magazine: Konzerte spielen kennt ihr ja nicht nur vom Hörensagen, sondern macht das auch öfter mal. was sind denn da so eure letzten Worte oder Taten bevor es auf die Bühne geht?
Matze: Wir haben einen Talismann. „Den Arsch mit Ohren“, der kommt dann immer in den Kreis und den müssen wir dann alle anfassen.
Frontstage Magazine: Wo habt ihr den her?
Karsten: Der ist tatsächlich handgemacht. Der ist von nem Kumpel von meinem Bruder, der mal für Columbus Globus gearbeitet hat. Also aus diesem Stück Plastik hätte auch ein Globus entstehen können aber er hat sich für den Arsch mit Ohren entschieden.
Frontstage Magazine: Ich finde, dass hat er gut gemacht!
Frontstage Magazine: So und jetzt der Fokus auf die richtig wichtigen Dinge: eure neue Single „Im Zimmer“. Wenn ich gut recherchiert habe, korrigiert mich bitte, wenn das nicht so ist! Der Song ist glaube ich schon 2022 enstanden, warum wurde er denn jetzt erst releast?
Matze: Geschrieben habe ich den Song glaube ich schon 2019. Den Text hatte ich irgendwie immer so in der Tasche. Die Lyrics fand ich auf jeden Fall immer sehr gut, weil die so eine Parabel sind und am Ende alles zusammen läuft. Dann war irgendwann mal das Riff dazu da und dann haben wir den zusammen ausgearbeitet. Er hat auch wirklich eine sehr ungewöhnliche Struktur und bis wir so alle Parts gut zusammen gekriegt haben und ihn aufgenommen haben hat es dann auch noch mal eine Weile gedauert.
Frontstage Magazine: Mir ist auch beim ersten Hören sofort aufgefallen, dass der Aufbau sehr besonders ist. Es war zu Beginn nicht unbedingt ein Song, den ich euch sofort zugeordnet hätte. Wolltet ihr diesen Aufbau so oder war das eher ein Prozess?
Andi: Es war auf jeden Fall ein Prozess. Also, dass der ruhig anfängt war von Anfang an klar. Die Idee, dass es dann zwischendurch knallen soll, ist dann später irgendwann entstanden. Der Schluss war auch schon immer fix, weil es ja auch eine Hommage an „My Sundown“ von Jimmy Eat World ist. Darum dreht es sich im Song ja auch so ein bisschen. Dann dachten wir, wir wollen den Song noch ein bisschen aufpeppen und dann kam diese dreiteilige Struktur zu tragen.
Tomek: Für uns sind auch im Songwriting gerade diese Überraschungsmomente immer wichtig, dass es beim Anhören auch spannend bleibt! Und die musikalische Tragik passt bei „Im Zimmer“ eben auch so gut zum Inhalt.
Frontstage Magazine: Hat sich auf jeden Fall gelohnt, dass sich die Songentwicklung ein bisschen gezogen hat. Die Überraschung ist euch echt richtig gut gelungen! Die erste Assoziation, also zumindest meine, wenn man den Song hört: das eigene Kinder- bzw. Jugendzimmer. Was ist denn euer erster Gedanke, wenn ihr an euer Zimmer aus der Zeit zurück denkt? Was war da drin? Welche Farben hatten die Wände?
Tomek: Mein Zimmer war so klassisch 90s. Viel zu krasse Farben, rot-blau-grüner Teppich, helle Ahornholzmöbel und auch noch ein zerlegtes Skateboard. Außerdem hingen bei mir so drei Arten von Postern. Zum Einen so die klassischen Bravo Dinger, dann auch so Metal Poster, also Iron Maiden hing da zum Beispiel, das hab ich von meinem Vater aus der Schallplatte gekriegt. Dann gabs da aber auch noch Hip Hop mit Dr. Dre.
Matze: Das ist ja mein Text, also ich hab da schon noch ein sehr präsentes Bild im Kopf. Da war so ein großes Fenster mit Blick auf die Straße, nicht besonders schön, weil in NRW. (lacht)
Karsten: Ich hatte ne umgebaute Garage. Da konnte ich ein- und ausgehen wie ich wollte. Das war gut! Ich hab da drin auch nie geraucht (Achtung Ironie).
Andi: Meine Wände waren auch weiß und ich hatte auch einiges an Postern dort hängen, weil ich gerade in meiner Adoleszenzphase auch mit der Musik zusammengekommen bin. Und dann hatte ich immer einen Blick auf heruntergelassene Rollläden, weil das Haus gegenüber, seit ich geboren bin und auch bis heute nie bewohnt war. Also vielleicht ein Thema für den nächsten Song: Wohnungsnotstand. (lacht) Ich kann aber den Song „Im Zimmer“ aus meiner Adoleszenzphase heraus so richtig nachfühlen, weil natürlich alles zu der Zeit ein bisschen schwierig war. Wer ist man eigentlich? Wo will man eigentlich hin? Das waren da natürlich wichtige Fragen, mit denen man sich so herumgeschlagen hat. Alles so geballt auf einmal und ich denke, dass kommt im Song gut rüber und es ist auch wirklich einer meiner Lieblingssongs unserer Band und deswegen freue ich mich umso mehr übers Release.
Frontstage Magazine: Im Song werden ja die typischen Gefühle, die man in der Adoleszenzphase so gefühlt hat aufgegriffen. Selbstzweifel, Wut oder auch Traurigkeit. Welche von den Emotionen von damals fühlt ihr denn heute noch und in welchen Situationen?
Andi: Ständig. Aber man geht damit heutzutage einfach ganz anders um. Es gibt Tage, da denk ich, ich krieg so ziemlich alles hin und es gibt Tage, da hab ich das Gefühl, der kleinste Scheiß bringt mich komplett zur Verzweiflung und ich hab dann einfach Bock alles hinzuschmeißen. Aber es ist nicht mehr so komplett dieses Wütende, wie es früher war. Da ist schon manchmal noch so ein Anflug davon da aber man kompensiert das ganz anders, indem man zum Beispiel ne Runde spazieren geht. Man weiß einfach besser, wie man sich selbst regulieren kann und das war einfach frühe nicht möglich, das war ein langer Lernprozess. Aber die Wut auf politische Sachen, die ist auf jeden Fall noch da und bei mir ist sie auch noch sehr ungebremst. Manchmal vielleicht auch noch zu unreflektiert aber das ist dann halt so..
Tomek: Man hat ja mittlerweile auch eine emotionale Reife erreicht. Weil man ja auch viel durchlebt hat. Bei den Sachen, die man noch nicht erlebt hat, ist man dann vielleicht quasi immer noch jugendlich. Aber Andi hat es gerade gut auf den Punkt gebracht: es gibt schon immer mal wieder Dinge, die einen zur Weißglut treiben und wo man nicht so genau weiß, wie man damit umgehen soll.
Matze: Ja und das war eben auch die Grundidee für den Song, zu sagen, es gibt immer noch diese Punkte, obwohl man jetzt „alt“ bzw. älter ist und sich eigentlich denkt: „eigentlich sollte ich doch echt mal reifer sein und trotzdem treibt es mich in den Wahnsinn…“. Aber eigentlich war dann auch der weitere Dreh zu sagen, die Lösung liegt ja eigentlich immer in einem selbst.
Frontstage Magazine: Wenn ich mich jetzt nicht arg verrechnet habe, dann habt ihr nächstes Jahr 5 jähriges Band-Jubiläum. Was sind denn eure Ziele und Pläne für das nächste Jahr?
Tomek: Deutschlandtour!
Matze: Mehr Konzerte, definitiv! Noch mehr Songs releasen, fänd ich auch gut.
Karsten: Noch ne Platte vielleicht!
Matze: Ja ich hätte wirklich gerne irgendwas Physisches, wie ne Platte. Das wär schon was. Das kann man sich dann hinhängen und irgendwann wie so ein alter, peinlicher Boomer seinen Kindern zeigen und sagen: „Hey, guck mal was der Papa gemacht hat.“
Andi: Eine EP stand auf jeden Fall mal im Raum.
Tomek: Ich will mehr größere Gigs spielen!
Frontstage Magazine: Also Zusammenfassung: Mehr Musik, mehr Gigs! Wen würdet ihr denn, wenn ihr die absolut freie Wahl hättet, gerne mal als eure Vorband spielen lassen?
Matze: Also, wenn unabhängig von der Band Leute kommen, hätte ich gerne Radioactive Honey dabei. Die haben mal mit uns einen Bandcontest gespielt und Alter Verwalter war das cool! Die waren gefühlt alle erst 13, haben im Anzug gespielt und so Led Zeppelin Mucke gemacht.
Tomek: Ich würde gerne mit VIZEDIKTATOR spielen, die hör ich gerade voll gerne.
Karsten: Ich fänd es total cool, die Leoniden mitzunehmen. Weil die heizen einfach gut ein und wären glaube ich eine gute Vorband!
Tomek: Und die haben immer Snacks in ihrer Schublade!
Karsten: Und natürlich All Time Favorites: Beatsteaks!
Andi: Für mein eigenes Lebensziel würd ich gern Biffy Clyro mitnehmen.
Frontstage Magazine: Sehr geil! Ich würde sagen, dass manifestieren wir jetzt. Nächstes Jahr bei eurem Jubiläum nehmt ihr sie alle mit! Zum Abschluss jetzt noch die Frage an euch: Was war denn bisher, der prägendste oder auch schönste Moment in der Bandgeschichte von Vom Hörensagen?
Matze: Am intensivsten sind schon immer die Live-Momente, wenn sie dann einfach laufen und funktionieren. Also der letzte Gig war wirklich richtig gut aber auch die letzten beiden im KuLa, da sind die Leute abgegangen wie Schnitzel.
Karsten: Gerade auch als Support von Please Madame, auch wenn wir danach alle Magen und Darm hatten. Der Drummer von denen hat uns alle angesteckt. (Alle lachen) Und eigentlich hat das auch von der Musikrichtung gar nicht zusammengepasst aber das Publikum hat es trotzdem total gefeiert.
Tomek: Für mich persönlich war der Release von unserer ersten Single „Hey“ voll krass. Auch wenn das vielleicht für andere nicht so besonders war aber für uns schon. Wir haben alles selber aufgenommen, produziert und dann auch selbst veröffentlicht. Da war ich echt stolz!
Karsten: Die schönen Momente sind dann auch tatsächlich oft diese musikalischen Momente. Manchmal da spielst du dich dann wie in so einen Rausch und da passt dann einfach alles. Da brechen dann auch so emotionale Ketten auf und auch wenn es nur hier im Proberaum ist, kommt das immer wieder mal vor und das ist einfach schön!
Andi: Für mich ist es auch alles was mit live zu tun hat. KuLa, Open See Festival – das war ein absoluter Wunschgig und hat dann zum Glück geklappt. Aber auch wenn es für uns dann mal auswärts geht, zum Beispiel der Gig im Jugendzentrum in Villingen, der hat wahnsinnig Bock gemacht. An dem Abend waren wir auch in sehr guter gemeinsamer Stimmung, das hab ich sehr positiv in Erinnerung. Was mir aber auch immer wieder positiv in Erinnerung kommt, ist der Release von „Heimlich“ unserer zweiten Single und allem, was damit zusammenhängt. Weil das einfach damals zu dem Zeitpunkt mit der ganzen Querdenker-Bewegung eine völlig abstruse Situation war und dazu haben wir dann einfach ein Statement gesetzt. Es ist ein geiles Musikvideo dazu rausgekommen, wir haben da mit der Amnesty International Organisation zusammengearbeitet und das habe ich alles als ein sehr schlüssiges, wohltuendes Erlebnis abgespeichert. Das war für mich auf jeden Fall eins der Highlights.
Frontstage Magazine: Ich bin mir sicher, da kommen in den nächsten Jahren noch mehr Highlights dazu. Da schnacken wir dann auch gern wieder drüber! Danke für eure Zeit!