Wenn die Wucht des Lebens mit aller Macht einschlägt, tut es manchmal gut, innezuhalten. This Time For Real aus Hamburg verleihen diesem Gefühl in ihrer Musik Ausdruck.
In den Songs des Quartetts trifft die Energie von Pop-Punk-Größen wie Blink-182, Neck Deep oder Paramore auf Intimität und
Verletzlichkeit, die auch von Phoebe Bridgers stammen könnten. This Time For Real sind die Reaktion auf eine Zeit, in der der kritische Blick nach innen oft vernachlässigt wird, auch wenn er eigentlich dringend gebraucht würde. Die Texte der Band verhandeln deswegen intensiv Auseinandersetzungen mit Liebe und emotionalem Chaos. Die dritte Single „Waiting“ ist eine akustische Pop-Punk-Ballade, die die bittersüße Essenz von Sehnsucht und Herzschmerz einfängt. Mit einer zarten Mischung aus akustischer Gitarre, Geige und Klavier webt „Waiting“ einen wunderschönen Klangteppich, der den bewegenden Text unterstreicht.
„Waiting“, die dritte Single des Quartetts, ist eine Fusion aus der Verletzlichkeit und Melancholie eines boygenius Songs und der Eingängigkeit und Energie von Bands wie Paramore oder Blink-182. Der Song handelt davon, auf eine Person zu warten, die nie kommen wird. Es beschreibt das Festhalten an schönen Gefühlen, aber auch die Erkenntnis, dass man allein in der Situation ist. Letztlich geht es darum, selbst zu entscheiden, nicht weiter zu warten, auch wenn das den Verlust der Person bedeutet. „In dem geht es darum, auf eine Person zu warten, die niemals bei dir ankommen wird. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Es geht darum, an Gefühlen festzuhalten, weil sie schön sein können, wenn sie schön sind. Aber es geht auch um die Realisation, dass ich allein in der Situation bin. Nur ich selbst kann mich dafür entscheiden nicht weiter zu warten. Auch wenn das bedeutet, die Person zu verlieren“, erzählt Sängerin Fee van Deelen.
This Time For Real kennen sich zu großen Teilen bereits aus Kindheitstagen. Schlagzeuger Gerrit Skott, Bassist Philipp Ebener und Gitarrist Arne Thamer sind im norddeutschen Buxtehude aufgewachsen. „Wenn man dort den gleichen Musikgeschmack hat, kann man sich nicht aus dem Weg gehen“, erklärt Thamer. „Wir haben sehr viel Musik zusammen gemacht und auch gemeinsam in Bands gespielt. Die Idee zu This Time For Real entstand aus dem Versuch heraus, die alte Band von Philipp und mir wieder zu reaktivieren. Bei der Arbeit an neuen Songs stellte sich aber schnell heraus, dass es in dieser Konstellation nicht funktionieren wird. Gerrit war zu diesem Zeitpunkt bereits lose involviert. Es genügte ein kurzer Anruf, und er war Teil der Band.“
Wirklich komplett fühlen sich This Time For Real aber erst, als Sängerin Fee van Deelen dazustößt. Van Deelen ist bereits seit längerer Zeit als Solokünstlerin aktiv. Ihre Musik wird getrieben von sanft rauschenden, elektronischen Arrangements, über denen gleichsam Emotionen von Introspektive und Dringlichkeit liegen. Was für eine Pop-Punk-Band zunächst kontraintuitiv klingt, wird für This Time For Real gerade der Grundstein für die Besonderheit ihres eigenen Sounds. Auch die großen Genre-Vorbilder der Hamburger Band hatten in ihrem Stil schon immer auch verletzliche Seiten gezeigt, die abseits massenwirksamer Emo-Hymnik funktionierten. Nie aber war dieses Element so zentral inhärent, wie es This Time For Real in ihren Songs zeigen. Dafür benutzt die Gruppe bisweilen auch Instrumentals, die pointiert vom üblichen Band-Instrumentarium abweichen, und setzen statt treibendem Schlagzeug und verzerrter Gitarre auf Streicher und Akustik. Bemerkenswert ist aber vielleicht vor allem, dass das Quartett sein Grundgefühl auch abseits solcher deutlichen Kontraste nicht verliert: In treibenderen Arrangements erzeugt gerade die Differenz zur melancholisch-weichen Stimme van Deelens eine bestechende Symbiose, in der This Time For Real eine zeitgeistige Gratwanderung auf den Grenzen von Aufbruch und Resignation, von Überwältigung und Widerstand, von Brisanz und Reflektiertheit zeichnen.
Fotocredit: Arne Thamer