Für unser heutiges Interview hatte unsere Redakteurin Jacky die Ehre, die Berliner Punkrock-Band Beatsteaks virtuell zu treffen. Wir sprachen mit den beiden Gitarristen Bernd Kurtzke (ganz rechts) und Peter Baumann (Mitte) sowie dem Bassisten Torsten Scholz (2ter von rechts). Anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Albums „Please“, welches heute erscheint, gaben uns die Musiker Einblicke in die Entstehung des neuen Albums inklusive Erfahrungen mit ihrem neuen Produzenten Olaf Opal sowie Eindrücke der letzten sieben Jahre der Band. Wenn euch zudem die Fitnesstipps der Beatsteaks interessieren, seid ihr mit diesem Interview bestens beraten.
Hinweis: Das originale Berlinerisch der Band haben wir an einigen Stellen für den richtigen Vibe belassen.
Frontstage Magazine: Ich habe ganz viele Fragen zu eurem neuen Album „Please“ mitgebracht, was heute erscheint. Die erste Frage lautet: Inwiefern spiegelt das Album eure letzten sieben Jahre als Band wider?
Bernd: Wir können ja schon mal festhalten, dass das Album die letzten sieben Jahre und uns als Band widerspiegelt, das stimmt (lacht).
Torsten: Dat war halt so, dass die letzten sieben Jahre eine Menge passiert ist. Als dann Covid durch war, sind wir wieder auf Tour gefahren und hatten 2022 und 2023 echt tolle Konzerte und eine richtig gute Zeit. Da haben alle gedacht, dass es gar nicht so schlecht ist, und wir das noch ein bisschen länger machen möchten. Aber Thomas hat irgendwann gesagt, dass das nicht so viel Sinn macht, immer wieder mit den gleichen Liedern Konzerte zu spielen. Am meisten wollen wir das haben, um vielleicht unser Konzert mit vier, fünf, neun Stücken zu spicken, dass das für uns wieder ein bisschen interessanter wird und Spaß macht. Wir haben bereits ein Konzert mit drei neuen Liedern gespielt, wo die Rechnung bisher ganz gut auf ging.
Frontstage Magazine: Super, dass das funktioniert hat, dass man wieder mehr Lust hatte. Was genau hat sich dadurch verändert?
Peter: Uns hat nicht die Lust auf Konzerte gefehlt, aber wir fühlen uns noch nicht bereit Best-of Konzerte zu spielen, selbst wenn man das sogar machen könnte. Aber wir wollten wahrscheinlich nur für uns selbst eine Relevanz erzeugen und es macht Spaß, neue Musik zu erfinden, speziell nach so langer Zeit hat. Es hat so lange gedauert, weil wir uns leider blöderweise vor Covid ein Jahr frei genommen haben, weil wir wirklich eine Auszeit brauchten, um neue Lust zu bekommen. Als die Auszeit vorbei war, hat Covid angefangen. Deswegen sieht es länger aus als es eigentlich für uns war. Wir waren die ganze Zeit zusammen, und haben sogar eine EP veröffentlicht.
Frontstage Magazine: Gab es einen ausschlaggebenden Punkt, an dem ihr gemerkt habt, dass ihr das noch einmal wolltet?
Torsten: 2022 waren wir auf Tour und haben jede Europalette gespielt, die irgendwie verfügbar war. Wir spielten alles, wo irgendjemand die Beatsteaks haben wollte, und haben kleinste Festivals gespielt, also Dorfffeste und so, und das hat aber alles, trotz der manchmal eher semiprofessionellen Umstände, totalen Spaß gemacht. Wir hatten einen ganz tollen Sommer und dann Armin gesagt, dass es toll wäre, noch mal eine Platte zu machen, um das vielleicht noch mal ein paar Sommer zu machen.
Peter: Genau, wir wollten eigentlich gar nichts ändern, wir wollten weitermachen- mit ein paar neuen Pfeilen im Köcher.
Frontstage Magazine: Das dürfte euch gut gelungen sein! Im Pressetext wird das Album als zappelig so wie jedes Mitglied der Beatsteaks beschrieben. Wie offenbart sich diese Zappeligkeit und was sind eure persönlichen Stärken?
Peter: Das meint wahrscheinlich auch eine Aufregung oder eine Unsicherheit trotzdem, dass wir jetzt schon so lange zusammen sind, ist neue Musik machen immer eine aufregende Sache. Man begibt sich auf unbekanntes Terrain. Dat macht immer Spaß Sachen auszuprobieren, die man noch nicht so richtig kann. Diese Unsicherheit wird manchmal belohnt, wenn wir beispielsweise ein Lied fertig gemacht haben, dann ist da eine bestimmte Kindischheit dabei. Man muss sich Sachen trauen und ein bisschen albern und drüber sein, um zu bestimmten Sachen hinzukommen.
Torsten: Eine gewisse Rastlosigkeit ist da auch inkludiert. Was Peter meinte, stimmt auch, wenn man uns im Proberaum sieht. Wir sind nun alle über fünfzig, aber man merkt es oft nicht, weil es echt ein ganz schöner Kindergarten ist. Damit meine ich nicht nur Quatsch erzählen, sondern auch so eine Leidenschaft. Manchmal geht es einem zu schnell, manchmal dauert es einem zu lange. Insgesamt ist es wie so ein Haufen, der nach vorne rollt, die ganze Zeit, und dabei Staub aufwirbelt.
Frontstage Magazine: Glaubt ihr, dass euch das Kindliche zu bewahren als Band weiter nach vorne gebracht hat?
Bernd: Auf jeden Fall. Dit ist die Art und Weise, wie wir es einfach am besten können. Wir können auch nüscht anderes. Das ist nun mal so. Das, was wir können, können wir ganz gut, glauben wir, und so funktioniert es und anders würde das gar nicht jehen. Das Beschäftigen mit Musik, ob man dit selbst macht oder ob man sie konsumiert, ist für jeden von uns eine Art Therapie und das wird sich nicht ändern.
Frontstage Magazine: Wahrscheinlich. Es sollte mit dem neuen Album auch darum gehen, alte Muster zu überwinden und aufzubrechen. Wie hat sich dieser Prozess bei euch dargestellt?
Torsten: Was die Platte anbelangt war, dass wir das erste Mal mit einem neuen Produzenten gearbeitet haben. Moses ist seit der dritten Platte „Smack Smash“ dabei. Dieses Mal hat er uns bei ein oder zwei Liedern am Anfang geholfen, aber Olaf Opal ist der neue Produzent des Albums. Das war eine relativ neue Arbeitsweise und auch eine neue Erfahrung. Als er in den Proberaum kam, war für mich irgendwie schon klar, dass ich den ganz toll finde, weil der einen super Humor hat und ein ganz angenehmer Zeitgenosse ist. Das Arbeiten mit ihm hat total viel Spaß gemacht.
Bernd: Rein technisch arbeitete Olaf anders als Moses. Er hat von Anfang an gesagt: „Wir sind Co-Produzenten. Wir produzieren ein Album zusammen“. Für das, was er macht und für das, was er ist, hat er ein extrem kleines Ego, was man so eigentlich auch nicht wiederfindet, und ist auch ein großer Unterschied zu Moses. Zudem hat er uns oft in die Pflicht genommen. Wir kennen Moses sehr lange und sehr gut und wir können uns gegenseitig, glaube ich, nicht mehr so in der Art und Weise überraschen, dass es was Neues gibt und dass man eine neue Sicht der Dinge hat. Das war bei Olaf einfach anders. Olaf kommt in Raum und sagt: „Das gefällt mir nicht. Das ist unseriös“, und dann ist es das, weil er eine unvoreingenommene Meinung hat, die viel einfacher zu nehmen ist.
Frontstage Magazine: Irgendwann sieht man wahrscheinlich auch den ganzen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, wenn man sich die Marotten des anderen so gut kennt.
Bernd: Wenn jede Reaktion erwartbar ist, dann gibt es nichts Neues mehr, was auch in Ordnung ist, wenn man ein Album machen will, wo man wo man weiß, was rauskommt. Aber das wollten eigentlich nicht. Wir wollten wirklich neue Wege gehen.
Frontstage Magazine: Habt ihr euch selber überrascht dabei? Also wusstet ihr, als ihr angefangen habt, was hinten rauskommen wird?
Peter: Nein, wir wollten auf jeden Fall anders klingen und dadurch, dass er eine andere Person ist, die anders produziert, mixt und aufnimmt, waren wir einfach gespannt, wie der uns jetzt hinstellt. Wir haben Sachen gemacht, die wir vielleicht mit Moses gar nicht gemacht hätten. Hätte uns das überhaupt nicht gefallen, dann hätten wir das gesagt, aber wir waren eigentlich immer ganz schön geplättet von dem, wie der das so macht, weil es eben doch so neu war. Dann macht das Arbeiten auch natürlich noch viel mehr Spaß, wenn man Überraschung um die nächste Ecke hört.
Torsten: Früher haben wir immer darauf achtet, dass wir so stehen wie wir live stehen. Er sagte, dass es ihm egal sei, wie wir es live machen, denn es ist wichtig, wie das Lied jetzt klingt. Er ist mit uns nicht in ein Studio gegangen, sondern hat nach leeren Räumen mit Hall gesucht, die ein bisschen größer waren. Dort haben wir unseren Kram aus dem Proberaum relativ rudimentär in einem vorrübergehenden Studio aufgenommen. Das ist auch neu gewesen.
Frontstage Magazine: Wie plant ihr das im Studio neu gelernte in ein Live-Set mitzunehmen?
Bernd: Das ist die Herausforderung, dass man überlegen muss, wie man das jetzt auf die Bühne gestellt bekommt. Eins zu eins wird es nicht gehen, also muss man sich überlegen, was bei dem Song das Wichtige ist. Wie kann man was darstellen, ohne dass man selber vier Arme haben muss. Dieser Vorgang macht genauso Spaß.
Frontstage Magazine: Live ist ja auch ein super Stichwort. Wir freuen uns erneut auf gleich zwei Touren: einmal die „normale“ Tour sowie eure AJZ-Tour. Gibt es da irgendetwas Besonderes, wie ihr euch auf diese anstehenden Konzerte vorbereitet?
Torsten: Weil wir alles alte, weiße Männer sind, mussten wir extrem viel Sport vorher machen und extrem gesund leben (lacht). Ne, die Beatsteaks-Platten kommen raus, und dann gibt es Lieder, die gefallen einem, uns persönlich und von außen. Diese Lieder wachsen live ebenfalls mit der Tour. Oftmals entstehen beim Soundcheck dann noch mal neue Ideen. Das heißt, wir wissen noch nicht genau, was da jetzt auf uns zukommt, außer dass wir natürlich Bock haben, bestmöglich Konzerte zu spielen.
Frontstage Magazine: Man kann sich also wieder auf energiegeladene Auftritte freuen?
Peter: Das hoff‘ ich doch schon. Jetzt müssen wir den Spagat schaffen zwischen gut klingen und gut aussehen. Das ist das Ding, wie macht man das? (Torsten lacht)
Torsten: Wenn’s wahnsinnig langweilig aussieht, wird es gut klingen. Wenn’s aber unglaublich energiegeladen ist, kannst du es dir aber kaum anhören. Dazwischen bewegen wir uns, außer Bernd, der immer abgeht wie ein Zäpfchen.
Frontstage Magazine: Zusätzlich zu dem gut aussehen habt ihr euch überlegt, dass Ihr eine gewissermaßen politische Ebene mit einflechten möchtet. Welche Botschaft ist euch auf dieser Ebene am wichtigsten?
Bernd: Dass man zumindest den Leuten, die hart dagegen arbeiten, auch sagt, ihr seid damit nicht allein, und da sind noch viel mehr im Land, die dieselbe Meinung haben. Vielleicht kriegt man ja den einen oder anderen doch noch überzeugt, wenn nämlich so ein AJZ voll ist und sich das herumspricht, dann muss man am Ende doch noch mal überdenken, was man in seiner Rübe hat. Vordergründig geht es um den Support für diese Zentren, die die ganze Zeit eigentlich so viel Gegenwind kriegen.
Frontstage Magazine: Das habt ihr mit dem Ticketing System ebenfalls aufgegriffen. Dafür habt ihr einen dezentralen Ansatz gewählt, dass jedes AJZ für sich selbst verwalten kann. Wolltet ihr die lokale Community stärken oder war es letztendlich einfacher für euch in der Abwicklung?
Torsten: Ist tatsächlich wirklich einfacher für uns gewesen, aber war auf gar keinen Fall der Grund. Der Grund war, dass das autonome Jugendzentren sind, und das Wort autonomes Jugendzentrum beinhaltet schon, dass die gerne das so machen, wie sie es für richtig halten und das ist Sinn und Zweck so einer Einrichtung. Deswegen gab es da überhaupt keine Diskussion, wenn sie ihre Tickets im Späti um die Ecke verkaufen wollen, sollen sie es machen. Zudem ist das Geld auch gleich da, wo es hingehört und die Leute auch vor Ort kriegen direkt Tickets.
Frontstage Magazine: Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten also. Kann man sagen, dass Ihr euch mehr auf das Eine oder mehr auf das Andere freut?
Peter: Das sind alles Konzerte, die wir gut machen wollen. Und ja, es hilft uns auf jeden Fall so ein klein bisschen unter dem Radar, uns wieder einzufinden auf einer Bühne, und zu erkennen, wie viel mir die Nervosität von meinem im Proberaum erarbeiteten Wissen raubt.
Frontstage Magazine: Ist es eine Herausforderung, dass ihr immer noch nervös seid, auch wenn ihr das schon länger macht, als ich auf der Welt bin?
Peter: Das ist eine kleine Grundvoraussetzung, um vernünftig in der Band zu spielen, muss man nervös sein. Zum Glück denkt man darüber nicht nach, sondern es ist einfach so. Vielleicht sind andere nicht nervös. Da kann man dann manchmal neidisch drauf sein, aber eigentlich, wenn ich ehrlich bin, gehört es dazu.
Torsten: Ich wollte gerade sagen, ich bin manchmal genervt von mir und von meiner Nervosität. Aber wenn ich Interviews mit Künstler*innen sehe, die sagen, dass sie nicht nervös sind, denke ich immer so: hä, du bist nicht nervös? Dann macht doch was, was dir Spaß macht, oder macht doch was andere, denn das ist doch Quatsch. Da sind so viele Unsicherheitsfaktoren, dass man gar nicht weiß, was hinten rauskommt, deswegen muss man aufgeregt sein, sonst ist man noch irgendwie aus Holz.
Bernd: … oder kaputt halt.
Frontstage Magazine: Saht ihr euch mit anderen Herausforderungen konfrontiert?
Torsten: Körperliche Gebrechen sind bei mir auf jeden Fall als erster zu nennen bei Unwägbarkeiten, Cardio ist auch nicht mehr so. Und ich freue mich darauf, dass mir wieder alles weh tut abends.
Frontstage Magazine: Die ersten drei Abende tut es weh und danach wird es hoffentlich besser?
Bernd: (lacht) mittlerweile sind es fünf.
Torsten: Das Gute auf der Bühne ist, dass sich Adrenalin darum kümmert, dass ich nichts davon merke, dass ich körperlich eigentlich ein Wrack bin. Peter ist jetzt wieder so ein Extremfall, aber wir haben alle ein bisschen Sport gemacht und ich habe versucht, dem Verfall entgegenzuwirken.
Frontstage Magazine: Bei dieser Beschreibung habe ich das Gefühl, dass ich eigentlich nach eurer Gym Routine fragen müsste.
(alle lachen und schütteln die Köpfe)
Torsten: Ich geh nicht ins Gym.
Peter: Ne, das musst du alles mit dem eigenen Körpergewicht machen. Fürs Gym müsstet du eine Tasche mit Duschzeug und Badelatschen mitnehmen und das ist der Grund, warum man dann nicht hingeht. Aber zu Hause hast du schon alles da. Ich kann dafür plädieren. Es muss nicht schön aussehen, es muss einfach nur funktionieren.
Frontstage Magazine: Geil, Fitnesstipps von den Beatsteaks! Unsere letzte Frage zielt immer mehr auf persönliche Interessen ab, daher unsere Frage für jeden von euch: Wenn ihr für den Rest eures Lebens nur noch einen Song hören dürftet, welcher wäre das?
Torsten: Scheiße, jar keinen, da kriegste doch bei allem irgendwann eine Macke.
Peter: Es gibt ein paar, die halten wirklich lange.
Torsten: Es gibt Bands, die machen so Songs mit 27 Minuten. Vielleicht sollte man sich ein Lied raussuchen, was so lang wie möglich läuft, denn da gibt es immer noch was zu entdecken. Dann nehme ich von der Band Sleep den Song „Dopesmoker“, der geht nämlich besagte 27 Minuten und man muss die Platte umdrehen.
Peter: Man kann auch ein gutes Lied nehmen, wenn es nicht auf Dauerschleife läuft, sondern jedes Mal, wenn Musik da ist.
Torsten: Ein Lieblingslied!
Bernd: Dann nehme ich „Blue Monday“ von New Order.
Torsten: Geil, das hat man schon 40 Jahre gehört und tut immer noch nicht weh und jetzt kommt Peter.
Peter: „No Aloha“ von den Breeders.
Frontstage Magazine: Perfekt, direkt Hörempfehlungen dabei, hervorragend. Vielen herzlichen Dank für eure Zeit. Ganz viel Spaß bei den Live-Auftritten, viel Erfolg mit der neuen Platte und eine gute Veröffentlichung!
Alle: Danke und schönen Tag dir noch!
Fotocredits: Timmy Hargesheimer