Wir waren auf dem Jera On Air in Ysselsteyn in den Niederlanden unterwegs, hier gibt es von Donnerstags bis Samstags rund 80 Bands auf fünf Zeltbühnen verteilt. Im Vorfeld war das Festival ausverkauft allerdings wurde aufgrund spontaner Anpassungen des Geländeplans noch ein Kontingent an Tickets freigegeben. Hier sind unsere Eindrücke:
Donnerstag:
Als wir am Donnerstag losfuhren, warnten uns schon sämtliche Wetter-Apps vor amtlichen Unwettern mit Gewittern und starkem Sturm, doch noch schien die Sonne und unsere Laune war gut. Wir freuten uns auf ein Wochenende mit tollen Bands. Doch schon als wir nach zwei Stunden Fahrt im niederländischen Ysselsteyn ankamen, fing es an zu regnen. Der Regen war noch nicht so stark, so konnten wir wenigstens schon mal das Zelt und einen Pavillon aufbauen, dachten wir. Jedoch schon bei der Bändchenausgabe gab es die ersten organisatorischen Schwierigkeiten. Es wurden nicht die richtigen Bändchen und zu wenige Maschinen geliefert, dadurch gab es eine endlose Schlange zum Campingplatz. Hier angekommen gab es direkt die nächste Herausforderung, es gab keine Ordner vor Ort, sodass wir erst mal das ganze Gelände nach einem freien Platz absuchen mussten, mittlerweile wurde der Regen auch schon stärker, aber noch konnten wir einfach die Regenjacke überziehen.
Am Ende des Platzes angekommen bauten wir schnell unser Zelt auf, schließlich wollten wir endlich Bands sehen. Doch als unsere Zelte endlich standen, schüttete es wie aus Eimern und wir suchten erstmal den Schutz unseres Pavillons auf. Der blieb zum Glück stehen, während andere Zelte und Pavillons schon schlapp machten und teilweise auch halb über den Campingplatz flogen.
Nach einiger Zeit wurde der Regen endlich weniger, wir hatten schon einige Bands verpasst, aber nun ging es endlich über die matschigen Wege des Campingplatzes los zum Festivalgelände. Hier angekommen ging es matschig weiter, zum Glück sind alle fünf Bühnen des Festivals in Zelten versteckt. Die erste Band für uns sollte also The Amity Affliction sein. Das Zelt der Mainstage, der Eagle Stage war sehr gut gefüllt. Die Band hatte Bock und eine große Show im Gepäck mit sämtlichen Pyroeinlagen. Sie spielten mit “I See Dead People”, “It’s Hell Down Here” und “Show Me Your God” auch drei Songs vom neuen, im Mai erschienenen Album “Not Without My Ghosts”.
Da die beiden großen Bühnen immer abwechselnd bespielt wurden, ging es danach weiter in das Zelt der Vulture Stage, hier spielten jetzt ohne große Pause dazwischen Billy Talent. Die Show war nicht so pompös wie zuvor bei The Amity Affliction aber es war ein Set voller Hits, oder wie Benjamin, der Sänger von Billy Talent es sagt: “Here’s a new song, ‘cause everybody goes to a festival to see new songs” und im selben Moment wurde der Song “Fallen Leaves” angespielt, was die Menge zum ausrasten brachten. Zum Abschluss wurde, wie sollte es auch anders sein, natürlich “Red Flag” gespielt. Dieses Mal kam aber Chris #2, der Sänger von Anti-Flag dazu.
Im Anschluss ging es für uns, noch völlig im Rausch des wirklich guten Billy Talent Set, wieder zurück auf die Eagle Stage, wo jetzt Parkway Drive spielten. Wir waren gespannt, wie viel Show sie auf einer relativ kleinen Festival Bühne bringen werden. Aber eins vorweg: Wir wurden nicht enttäuscht, sie hatten fast die komplette Show ihrer Headliner Tour dabei. Zu Beginn gab es ein Intro mit den vermummten Fackelträgern, die drei Streicherinnen waren auch mit dabei und wurden bei “Darker Still” voll in Szene gesetzt, aber das Highlight war, wie man es von Parkway Drive kennt die Pyro Show, die spätestens bei “Crushed” die ganze Bühne einnimmt. Dann war leider der Donnerstag auch schon um, da es hier eine strikte Nachtruhe gibt.
Freitag:
Dafür ging es Freitag schon früh los, pünktlich um 12 Uhr standen Slope aus Duisburg auf dem Plan der dritten Bühne, der Buzzard Stage. Mittlerweile war der Matsch überwiegend wieder getrocknet und die Sonne knallte schon. Die Buzzard Stage war etwas kleiner als die zwei Mainstages, dafür aber auch zu wirklich jeder Band randvoll gefüllt, so war es auch hier bei Slope, trotz der frühen Uhrzeit. Sie fingen an mit “Goodbye Mr. Dandy” und “9/5” und die ganze Crowd war sofort dabei: Stage Dives, Singalongs und das halbe Zelt war ein großer Mosh Pit.
Danach ging es zu Paledusk, die extra aus Japan angereist waren. Hier gab es Metalcore mit poppigeren Einflüssen. Die vier Jungs haben die Bühne gut genutzt, sind viel gerannt und gesprungen und zum Schluss ist der Sänger auch die Traverse des Getränkestands hochgeklettert und ins Publikum gesprungen. Danach brauchte ich erst einmal eine Pause im Camp, es war erst 13:00 Uhr aber schon so heiß und stickig in den Zelten, dass es kaum auszuhalten war, ganz im Gegenteil zu dem gestrigen Tag.
Die nächste Band die wir uns dann gemeinsam anschauten war Touche Amore. Mit ihrer Mischung aus Punkrock und Hardcore Songs kamen sie sehr gut beim Publikum an, ihr Sänger Jeremy war sympathisch, wie immer und bedankte sich, dass er seinen Traumberuf ausüben darf.
Im Anschluss spielten PUP, welche sich musikalisch perfekt Touche Amore anschlossen. Mit feinstem Punkrock und großer Spielfreude trotzten die vier dem heißen Wetter und turnten auf der Bühne rum. Apropos auf der Bühne rumturnen: Als nächstes spielten Fever 333 in neuer Besetzung. Wer die Band schon mal gesehen hat, weiß was einen erwartet: viel Action, viel Politik und mit Jason, einen Frontmann, der nicht zu stoppen ist. Auch dieses Mal rannte Jason auf der Bühne rum, sprang, schmiss seine Monitore rum und gab Stage Dives ohne Ende. Zum letzten Song: “Hunting Season” kletterte Jason dann auf die Traversen des Getränkestands und ließ sich in die Menge fallen. Ein würdiger Abschluss.
Dann spielten Sleep Token, eine Band, die gerade einen großen Hype erlebt und von der wir uns viel erhofft hatten, leider kam die Show bei uns gar nicht an. Das Konzept der Band passt vielleicht auch nicht auf ein Festival und braucht eine Bühnenshow im komplett dunklen Raum. Das Publikum schien auch verschiedener Meinung zu sein, während viele noch während des Sets das Zelt verließen, gab es auch viele textsichere Menschen, die die Show feierten.
Dann schauten wir uns noch ein wenig Hollywood Undead an, welche eine schöne bunte Lichtshow und viele Showelemente wie Pyro und Konfetti dabei hatten. Mit der Show konnten natürlich auch Papa Roach glänzen, welche direkt im Anschluss spielten. Auch hier waren Hits an Hits gereiht und das Publikum kannte jeden Song in- und auswendig.
Und zu guter Letzt spielten noch Trash Boat im dritten Zelt. Wow, was für eine Energie diese Band hat. Diese Energie wurde auch auf das Publikum übertragen, welches die Band fest im Griff hatte. Das war definitiv unser Tageshighlight. Zum Glück kündigten sie für ganz bald endlich wieder Headline Shows an, nachdem sie jetzt etliche Jahre als Support von großen Bands, wie z.B. The Offspring unterwegs waren.
Samstag:
Samstag Morgen stand dann erstmal das Zelt abbauen auf dem Plan, das war fix erledigt, also nochmal schnell in die Pommesbude am Parkplatz rein und hier die Klimaanlage genießen. Die erste Band für uns spielte um 16 Uhr: Die niederländischen Lokalhelden John Coffey, die gerade in ihrem Reunion Jahr sind. Hier gab es den größten Circle Pit des Festivals: einmal durch das ganze Zelt der Mainstage. Im Anschluss spielten die Urväter des Punk Rocks: Black Flag. Leider kam hier nicht so richtig Stimmung auf, aber die Songs waren trotzdem klasse. Wo hingegen sehr wohl Stimmung aufkam, bei der Blink 182 Tribute Band, die wir nutzten, um eine Lücke im Timetable zu füllen. Denn anschließend kamen Enter Shikari und sie haben die Mainstage richtig abgerissen. Die Lichtshow mit Lasern und Pyroelementen war einzigartig, obwohl wir schon sehr gute Shows gesehen hatten dieses Wochenende. Die Band hatte aber auch Bock und Rou hatte eine klasse Bühnenpräsenz.
Danach waren wir euphorisch und brauchten Musik, um wieder etwas herunterzukommen, perfekt also, dass jetzt Defeater spielten. Defeater sind eine Band, die nicht sehr oft in Europa spielen und genau deshalb waren sie auch heiß begehrt. Das Publikum kannte alle Texte und der Mosh vor der Bühne war hart. Danach brauchten wir erst mal wieder eine Pause, immerhin war es immer noch um die 30°C warm.
Also setzten wir uns vor das Zelt, wo jetzt Motionless in White spielten und lauschten etwas aus der Ferne. Wir wollten noch etwas Kraft tanken, damit wir für das Highlight The Ghost Inside wieder voll dabei sind. Und das zurecht, die Show war sehr emotional, da es ihre erste Europa Tour nach dem Unfall 2015 ist und sie daran erinnert haben, was für ein großes Glück sie hatten. Es war aber auch eine starke Show und sie hätten auch Headliner sein können.
Danach traten wir die Heimreise an, um endlich wieder im eigenen Bett zu schlafen.
Fazit:
Auf dem Jera On Air haben wir aufgrund des Wetters unfreiwillig mehr Zeit auf dem Campingplatz als auf dem Festivalgelände verbracht, das stärkte aber die Dynamiken in unserer Gruppe. Die Organisation war etwas holprig und die in den Benelux üblichen Token und Pfand Token Systeme haben etwas genervt. Leider gab es mit den Coins auch immer wieder Probleme und die Stände haben teilweise willkürlich ihre Preise “angepasst”. Blöd war auch, dass dem Festival am Samstag scheinbar die Token ausgegangen waren und man keine (oder nur noch an wenigen Automaten) kaufen konnte und unsere Gruppe sich dadurch die Getränke gut einteilen musste. Apropos Getränke, leider gab es auch keine Trinkwasserstationen auf dem Festivalgelände, was bei 30°C schon gefährlich werden kann. Mehr Sitz- und Schattenplätze wären auch gut gewesen, da teilweise bis sonntags auch der Boden noch matschig war und man so nicht gut auf dem Boden sitzen konnte.
Auf dem Campingplatz gab es nur eine Anlage mit Toiletten für Frauen, während an jeder Ecke Pissoirs standen und auch barrierefreie Anlagen gab es kaum/nicht, obwohl es extra eine Ecke für barrierefreies Camping gab.
Leider war auch das Publikum sehr anstrengend, viele Menschen waren sehr betrunken und es gab viel Gewalt in Circle- und Mosh Pits. Außerdem waren das Media Team des Festivals sehr präsent auf den Bühnen und standen teilweise zwischen Musikern und Publikum, das ist uns sehr negativ aufgefallen. Als letzten Kritikpunkt möchte ich gerne betonen, dass nur 8 von 81 Bands weibliche Beteiligung hatten und davon nur eine Band eine Frontsängerin hatte. Das ist nicht mehr zeitgemäß, auch in der Sparte der härteren Musik gibt es genug Künstlerinnen, die auch in Europa zu diesem Zeitpunkt unterwegs gewesen wären.