Der Schmerz über die räumliche Trennung von geliebten Menschen ist ja ein Gefühl, das die ganze Welt aktuell gemeinsam durchleidet, aber selbst das wird wieder vorbei gehen. Wie es ist, wenn die Trennung bestehen bleibt und man sich deswegen irgendwann nicht mehr viel zu sagen hat, erzählt Clueso unter anderem in seiner neuen Single „Leider Berlin“.
Nach einem aufregenden Jahr, in dem Clueso neue Wege beschritten und sich mit fünf wunderbaren Singles stilistisch maximal geöffnet und doch immer die Clueso-Signatur gewährleistet hatte, ist er mit „Leider Berlin“ wieder nach Erfurt zurückgekehrt. Gewohnt hat er dort natürlich die ganze Zeit, aber metaphorisch gesprochen war kein Clueso-Song aus dieser Werkphase so nahe bei der Heimatstadt des Musikers, wie dieser jetzt.
Das betrifft zunächst die rein technische Ebene: Nach der überaus inspirierenden Zusammenarbeit mit Produzenten und Songwritern in den unterschiedlichsten Studios überall in Deutschland, hat er „Leider Berlin“ nun mal wieder selbst produziert und daheim in Erfurt aufgenommen.
Es ist also hundert Prozent Clueso – with a little help from his friends:
„Ich habe eine kleine Schreib-WG in Erfurt gegründet, mit der Berliner Songschreiberin Karo Schrader und meinem Mitproduzenten Daniel Flamm«, sagt Clueso.
»Das floss alles ganz von selbst, Karo hat dann auch gleich die Backings gesungen.“
Clueso und Erfurt, darüber könnte man jetzt auch schon wieder ein Buch schreiben. Leider zu wenig Platz, wir versuchen es kurz:
Er ist halt einfach immer dageblieben, während Freunde, Ex-Beziehungen und sowieso immer die interessantesten und besten Leute in alle Richtungen davon gemacht haben, bevorzugt: nach Berlin.
Das alte Provinzdrama, man kennt das. „Das geht weit über den Beziehungsbegriff hinaus«, sagt er, »die alte Clique ist immer mehr ausgedünnt mit der Zeit. Vor zehn Jahren hat mir das richtig zu schaffen gemacht, inzwischen geht’s, weil ich ja selbst ständig unterwegs bin.“
In „Leider Berlin“ singt Clueso nun über die Dinge, die er an Erfurt liebt und die ihn dagehalten haben – insofern ist es durchaus auch eine kleine Erfurt-Hymne – und über Trennungsschmerz, Sehnsucht, Sich-aus-den-Augen-verlieren und Distanz. „Und ich denk‘ an damals/Hier war Musik laut, Polizei“, singt er an einer Stelle, „Ich fahr auf’s Land/Gelber Raps“, an einer anderen.
„Gelber Raps ist für mich ein ganz starkes Bild“, sagt er. »Du bist hier in zwei Minuten mit dem Auto draußen im Grünen. Diese Eindrücke vom Erfurter Umland sind bei mir wie ein Foto, das ich immer in der Jackentasche mit mir trage. Und wenn ich zum Beispiel in Berlin bin, habe ich öfters mal sehr schnell die Faxen wieder dicke.«
Wenn man „Leider Berlin“ dann so hört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die sequenzergetriebene Bässe für Berlin stehen, während die sphärisch-verträumten Keyboard-Tupfer in der Strophe das Ländliche symbolisieren.
So bereitet bereits das Instrumental das ideale Bett für den mit Wehmut und dieser ganz bestimmten Spur Clueso-Melancholie aufgeladenen Gesang.
Und zum Ende hin übernimmt dann eine von Cluesos altem Freund Christoph Bernewitz gespielte Irrsinnsgitarre die Führung und macht noch mal ganz andere Räume auf.
Und klar: Auch Clueso wird schon bald wieder neue Räume besetzen. Er wird dann mit irgendeinem neu kennengelernten Spitzenproduzenten irgendwo in Deutschland im Studio stehen.
Doch für den Moment ist es gut zu wissen: Alleine und zuhause wird’s genauso gut. Mindestens.
Fotocredit: Sony Music