„Die Welt da draußen ist viel zu schön, um ein erfolgreicher Influenzer zu werden“
Er ist jung, charismatisch, humorvoll und – hat das Geld! Die Rede ist von keinem geringeren als Sebastian „Sibbi“ Hafner. Bekannt durch die Quizshow Wer wird Millionär? oder auch durch die Deutsch-Rock-Band ITCHY. Was ihn umtreibt, ganz ohne seine Bandkollegen Panzer und Max ein Soloprojekt zu starten und warum er so verrückt ist, auf Jauchs Stuhl Platz zu nehmen? Sibbi verrät es euch!
Frontstage Magazine: Wer oder was hat dir die Flausen in den Kopf gesetzt, ein Soloprojekt zu starten?
Sibbi: Wahrscheinlich war ich das ganz ursprünglich mal selbst: À la: „Man könnte ja mal ein Soloprojekt machen, das Auto putzen, …“ – und macht es am Ende dann doch nicht. In den letzten Monaten und Jahren kamen aber auch immer wieder meine beiden Band-Kollegen Panzer und Max auf mich zu und sagten, dass ich doch mal ein eigenes Soloprojetzt starten soll, weil ich immer mit so vielen Songs um die Ecke komme. Irgendwie war das wohl noch in meinem Hinterkopf, weil ich da immer schon echt Lust darauf hatte – und dann kam Corona. Eigentlich waren wir 2020 mit ITCHY total verplant: Wir wollten ganz viel live spielen und im März auf Tour gehen, weil wir im Februar gerade frisch unser Album rausgebracht haben. Doch dann kam der Lockdown und alle Planungen waren bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Als absehbar wurde, dass die Situation ein bisschen länger andauern würde, dachte ich mir, dass es nun endlich Zeit für ein Soloprojekt ist. Und so kam eins zum anderen…
Frontstage Magazine: Und zwar?
Sibbi: Ich habe mich hingesetzt und hatte richtig Bock zu schreiben. Es hat mir einfach so viel Spaß gemacht und war so kreativ. Nachdem wir alle erst einmal mit den Maßnahmen zurechtkommen und unsere Wege finden mussten, hat mir das Schreiben an meinem Soloprojekt wirklich gutgetan und es war schön, etwas Positives aus den doch sehr negativ geprägten Nachrichten der vorangegangenen Monate zu ziehen. Und so hatte ich den Sommer über richtig viel Spaß, habe Songs geschrieben und Songs aufgenommen. Kaum zu glauben, dass ich ein halbes Jahr, nachdem ich mir dachte: „Hey, jetzt könntest du echt mal ein Soloalbum machen“, nun mein Album in den Händen halte. Dieses Gefühl ist einfach krass, weil am Anfang des Jahres einfach keiner damit gerechnet hat – und ich am wenigsten!
Frontstage Magazine: Und alle Songs sind innerhalb des letzten Jahres entstanden?
Sibbi: Ich hatte schon immer einen hohen Output an Songs und bin ziemlich kreativ, wenn ich Songs schreibe. Bei ITCHY ist es genauso. Ein Großteil der Songs, den wir geschrieben haben, kam gar nicht aufs Album, weil die Platzanzahl auf einem Album ja begrenzt ist. Die Songs, die es dann nicht auf die Platte schaffen, sind nie schlecht. Sie passen dann aber einfach vom Kontext her nicht so gut wie die anderen. So kam die Idee, diese Songs irgendwann mal weiterzuverwenden. Für mein Soloprojekt habe ich im letzten Sommer aber vor Energie nur so gesprudelt, dass ich alle Songs neu geschrieben habe. Zwei Songs, die ich für ITCHY geschrieben habe, habe ich nochmal überarbeitet und neu aufgenommen. Den Rest der Songs habe ich aber neu aufgenommen.
Frontstage Magazine: Wieso ist deine Platte eigentlich auf Deutsch?
Sibbi: Das ist eine gute Frage. Mit ITCHY haben wir unsere Songs immer auf Englisch geschrieben und hatten eigentlich auch nie vor, sie auf Deutsch zu schreiben. Bevor wir ins Songwriting zu „Ja, als ob“ gingen, haben wir uns überlegt, wie es wäre, Songs auch mal auf Deutsch zu schreiben und probierten es aus. Das ging schneller und besser als gedacht und wir hatten echt Spaß dabei. Als ich mich dann an das Songwriting für mein Soloprojekt gemacht habe, sprudelten die Ideen einfach auf Deutsch aus mir raus. Ich hätte es auch ein bisschen komisch gefunden, wenn wir mit ITCHY sieben englischsprachige Alben veröffentlichen, das nächste dann auf Englisch ist und der Sänger der Band in seinem Soloprojekt dann wieder was Englisches macht.
Frontstage Magazine: Kannst du dein Soloprojekt mit wenigen Worten beschreiben?
Sibbi: Puuuuh. Ich würde es wie folgt beschreiben: Unbeschwert, spontan, aufs Maul und sagenhaft stark! – Zack, und eure Review ist schon fertig. (lacht)
Frontstage Magazine: Was halten Panzer und Max eigentlich von deinem Soloprojekt?
Sibbi: Also eigentlich haben sie mir ja dazu geraten und mir die Initialzündung für das Projekt geliefert. Glücklicherweise haben wir bei ITCHY gerade terminlich einen Zeitraum erwischt, in dem die VÖ für uns alle passt und nicht mit der Band und irgendwelchen Terminen in die Queere kommt – und das trotz unserem Jubiläumsjahr. Mit den Sachen, die wir dafür schon im letzten Jahr fleißig geplant und vorbereitet haben, wird es sowieso erst im Frühjahr oder Sommer so richtig losgehen. Wir freuen uns einfach mega auf das coole ITCHY-Jahr, das vor uns liegt. Deswegen hat das für alle ganz gut gepasst und sie freuen sich, dass ich diesmal nicht sie mit meinen neuen Songs nerve, sondern andere. (lacht)
Frontstage Magazine: Musikalisch haben dich deine Jungs aber nicht bei deinem Projekt unterstützt, oder?
Sibbi: Nee, das wäre auch irgendwie komisch gewesen. Dann hätten wir auch gleich an einem neuen ITCHY-Album arbeiten können. Ich habe tatsächlich alles selbst gemacht, nur Schlagzeug spielen kann ich… – nicht so gut. Natürlich denke ich mir immer, ich sei total krass. Ein bisschen Realitätsdenken ist dann aber doch noch in meinem Kopf, dass mein unrhythmisches Getrommel vielleicht doch keiner hören möchte. (lacht) Deswegen habe ich mich auf die Suche nach einem sehr guten Schlagzeuger gemacht. Chris von Jennifer Rostock fand ich schon immer einen mega und wir kennen uns schon fast 20 Jahre. Ich habe ihn gefragt, ob er mich unterstützen würde. Er hat direkt „ja“ gesagt und ich habe mich riesig gefreut, weil er einfach geil ist und ich sein Schlagzeugspielen total mag. Als er dann seinen Feenstaub über meine Songs gestreut hat, klangen die Songs fett und das Album war fertig.
Frontstage Magazine: Wäre Corona nicht gewesen, hättest du auch wahrscheinlich nicht so viel Zeit gehabt, sich überhaupt einem Soloprojekt zu widmen, oder?
Sibbi: Nein, wahrscheinlich nicht. Bei vielen Ideen denkt man, dass man sie irgendwann mal machen könnte und meistens kommt es dann doch anders, weil andere Dinge in dem Moment einfach viel wichtiger sind. Letztes Jahr hätten ITCHY und unser Festival absolute Priorität gehabt. Ein Soloalbum rauszubringen, wäre da undenkbar gewesen. Deswegen wäre es wahrscheinlich In der Zeit und in dem Umfang nicht passiert.
Frontstage Magazine: Also können man sagen, dass Corona es gut mit dir meint.
Sibbi: Ha, das stimmt – zumindest was Sibbi hier betrifft. Aber eigentlich war es eher: Corona gegen alle. Schließlich ging nicht nur die gesamte Veranstaltungsbranche in die Knie. Und für ITCHY hätte das Timing auch nicht schlechter sein können: Ein Monat nach Albumrelease, fünf Tage vor Tourstart und in einem Jahr, in dem wir uns vorgenommen haben, so richtig Gas zu geben. Unsere eigentliche Tour wurde jetzt auf Ende des Jahres verschoben. Ob die dann stattfinden kann, steht noch in den Sternen. Aber wir hoffen, dass wir in nächster Zeit dort weiter machen können, wo wir 2020 aufgehört haben.
Frontstage Magazine: Aber abseits von Hätte, Könnte, Wenn und Aber: Was steht bei dir 2021 auf der Agenda?
Sibbi: Ganz oben steht gerade aktuell der Release meines Soloalbums und mit ITCHY unser 20-jähriges Jubiläum. Wir haben einiges geplant, das teilweise noch in der Pipeline steckt und teilweise auch schon fertig ist. Corona hin oder her: Wir haben die Dinge so geplant, dass wir auf jeden Fall einiges davon umsetzen können. Und so gerne auch wir wieder live spielen wollen: unsere Aktionen gleichen aktuell einem Blindflug, … der am Ende aber total cool werden wird!
Frontstage Magazine: Und was planst du ganz konkret mit Sibbi hier?
Sibbi: Ich habe geplant, mich die ersten drei Monate dieses Jahres mit meinem Soloprojekt und dem Release zu beschäftigen. Danach wollte ich mich wieder den Projekten von ITCHY widmen. Tour mit Sibbi hier steht aber gerade nicht zur Debatte. Fest steht aber, dass ich mit Sibbi hier auch irgendwann mal auf einer Bühne stehen möchte. Aber momentan macht es leider wenig Sinn, konkret darüber nachzudenken, geschweige denn, es zu planen.
Frontstage Magazine: Wie wäre es denn mit Online-Konzerten?
Sibbi: Allgemein ist das nicht so unser Ding. So lange wir können, wehren wir uns gegen Online- und Autokino-Konzerte. Natürlich ist es besser als nicht zu machen, aber es ist einfach nicht dasselbe. Klar ist es schön, sich ein Online-Konzert anzuschauen. Es ist aber nicht mal im Ansatz so schön wie ein richtiges Konzerterlebnis. Ich glaube auch, dass manche Bands dadurch auch verlieren, weil man sich einfach nicht so gut darstellen kann, wie es live der Fall ist. Bands, die live einfach der Knaller sind, können ein noch so tolles Online-Konzert spielen – wenn die Atmosphäre und die Emotionen fehlen, ist es einfach niemals so gut wie live. Deshalb habe ich weder mit meinem Soloprojekt noch wir mit ITCHY etwas in diese Richtung geplant.
Frontstage Magazine: Aber du weißt dich ja auf jeden Fall dieser Tage zu beschäftigen. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich glatt meinen, du seist zu einem erfolgreichen Influenzer geworden.
Sibbi: Man bin ich froh, keiner sein zu müssen; das ist nämlich wirklich ganz schön viel Arbeit! (lacht) Hin und wieder finde ich es cool, Storys zu machen und durch die sozialen Kanäle in Interaktion mit den Fans zu treten, aber wenn ich das acht Stunden am Tag und sieben Tage die Woche machen müsste, wäre ich nicht so happy. Eigentlich bin ich auch eher der analoge Typ, der nicht die ganze Zeit nur aufs Handy schaut. Deswegen ist es eine echte Herausforderung für mich, dabei die richtige Balance zu finden. Die Welt außerhalb des Bildschirms ist einfach viel zu schön, um ein erfolgreicher Influenzer zu werden.
Frontstage Magazine: Sibbi, aber jetzt mal ganz ehrlich: Ich weiß, die Veranstaltungsbranche hat es im Moment nicht allzu leicht. Aber geht es dir finanziell schon so schlecht, dass du dich bei „Wer wird Millionär“ bewirbst, um wieder ein bisschen liquider zu werden?
Sibbi: Zugegeben, das war ein wilder Abschied des noch wilderen Corona-Jahres. (lacht) Tatsächlich hat mich meine Frau dazu gezwungen, mich dort zu bewerben. Schon im Frühjahr 2020 lag sie mir damit immer wieder in den Ohren. Damit sie endlich Ruhe gibt, habe ich einfach mal den Fragebogen auf der Homepage ausgefüllt und dann ging alles ziemlich schnell. Ein paar Wochen später kam der erste Anruf, dann jagte eine Auswahlrunde die nächste und am Ende wurde ich vollkommen überrumpelt, als war klar wurde, dass ich in die Sendung kommen würde. Im November war dann die Aufzeichnung und ich kann sagen: Es war einer der emotional anstrengendsten Tage meines Lebens!
Frontstage Magazine: Ach, quatsch?
Sibbi: Ja, doch. Man könnte meinen, dass jemand, der öfter vor Leuten auftritt und auch schon im Fernsehen zu Gast war, den Auftritt in einer Sendung relativ kalt lässt. Aber ich war einfach so krass nervös, als mir bewusstwurde, dass ich da jetzt vor fünf Millionen Leuten hocke und mich besser nicht blamieren sollte. Und das ist einfach krass, wie einen das fertig macht. Und dann hatte ich ja das „Glück“, mich bei der ersten Frage schon direkt blamieren zu dürfen und wäre dabei ja auch fast schon rausgeflogen. Ich glaube, das ist bisher einmal in der Geschichte von „Wer wird Millionär“ vorgekommen. Dann hätte ich mich blamiert – und zwar so richtig! Nach dieser Einstiegsfrage war mein Hirn, echt. Nach dieser Tortour bei der 50-Euro-Frage musste ich erstmal wieder klarkommen. Deshalb war es wirklich eine krass emotionale Zeit auf diesem Stuhl. Aber zum Glück ist es ja am Ende noch gut ausgegangen. (lacht)
Frontstage Magazine: Was stellst du denn jetzt mit der ganzen Kohle eigentlich an?
Sibbi: Eigentlich dachte ich mir: „Jetzt gönnst du dir mal so richtig“. Ich bin ein totaler Espresso-Freak und wollte mir ‘ne richtig geile Kaffeemaschine zulegen. Als ich schon kurz davor war sie zu kaufen, dachte ich mir, dass ich doch eigentlich eine ganz geile Maschine habe, die auch noch gar nicht so alt ist. Außerdem ist sie eigentlich auch meine Traummaschine. Sie wegzugeben würde also keinen Sinn machen. Deshalb überlegte ich weiter. Dann kam ich auf die Idee, mir was für mein Motorrad zu kaufen. Als ich nach dem Teil geschaut habe, das ich gerne hätte, stellte ich fest, dass es das für mein Modell gar nicht mehr gibt. Na toll! Da möchte ich mir mal was gönnen und dann gibt es das einfach nicht. Eines Nachts habe ich mir deshalb online einfach ein paar Flaschen richtig teuren Alkohol gekauft. (lacht)
Und last but noch least …
3 Wunderfragen an Sibbi
Frontstage Magazine: Wenn Beamen schon erfunden wäre, dann…
Sibbi: …würde ich mich als Lehrer und Ausbilder in die Kunstschule zurückbeamen, in der Adolf Hitler früher seine Ausbildung gemacht hat und würde ihm die ganze Zeit sagen, dass er der geborene Künstler sei und unbedingt dieses Ziel weiterverfolgen sollte.
Frontstage Magazine: Wenn du ein Superheld sein könntest, dann…
Sibbi: …würde ich gerne fliegen können, weil ich Lust hätte, einfach rumzufliegen.
Frontstage Magazine: Wenn du dich entscheiden müsstest: Sibbi hier oder ITCHY, dann…
Sibbi: …würde ich mich ohne Frage für ITCHY entscheiden. Die Band begleitet mich seit über 20 Jahren und ist zu einer großen Leidenschaft geworden. Trotzdem bin ich höllisch froh, mich nicht für eines der beiden Projekte entscheiden zu müssen. (lacht)
Fotocredit: Christy Anna